Denn zu Unrecht gilt die Universitätsstadt am Main als Bischofssitz von bräsiger Behäbigkeit, dessen Durchschnittsbewohner so charmant sind wie Nussbaum-Schrankwände und die zudem außer Schoppen und blau gekochten Bratwürsten allenfalls den Umzugsplan der nächsten Fronleichnams-Prozession im Kopf haben.
Aber ein solcher Ruf entsteht eben, wenn man mit dem falschen Slogan wirbt: "Würzburg - Weinfass an der Autobahn" lasen sich die Hinweisschilder, mit denen sich die Stadt vor Jahren dem Transitverkehr an die Brust zu werfen suchte.
Mit "Würzburg - Stadt der Weltrekorde" hätte sie richtiger gelegen. Richtig gelesen! Lang ist die Liste der Guinness-Buch-Einträge, die auf Rekorden von Würzburgern oder in Würzburg gemachten Rekorden beruhen. Sie kündet nicht nur vom sportlichen Ehrgeiz einer Stadt und ihrer Bewohner. Sondern auch davon, dass sich die Würzburgischen Attribute Wurst, Wein und Weihrauch-schwangere Prozession notfalls auch mal anders als erwartet in Szene setzen lassen.
Was 2200 Ministrantinnen und Ministranten am 19. Juli 1993 eindrucksvoll in einer recht speziellen Prozession bewiesen und als längste Polonaise der Welt den Straßen- und Schienenverkehr der Würzburger Innenstadt lahm legten.
Dem Wein widmeten 701 Besucher des Staatlichen Hofkellers ihren Rekord im Juli 2000: Ob 77-jährige Großmutter oder sieben Monate altes Baby: Allesamt zwängten sich nacheinander durch ein Weinfass und gelangten als das "größte Fass-Schluppen" ins Guinness-Archiv.
Mit seinem Wahlspruch "Jede Wurst muss geliebt werden" kam der Würzburger Metzgermeister Anton Dotzel sogar dreimal zu Guinness-Ehren: Im Juli 1983 halfen 26 kräftige Würzburger dem Rekord-Fleischer, seinen mit 840 Kilogramm Gewicht, zweieinhalb Metern Höhe und vier Metern Breite größten Leberkäs der Welt vom Lkw zu laden. Im Juli 1987 stellte er die mit 2098 Metern längste Bratwurstkette der Welt her. Und im November 2002 versuchte er sich an der mit 17,74 Kilogramm schwersten Bratwurst.
Zum Verdauen ein paar einarmige Liegestützen: Mit 810 der kräftezehrenden Bewegungen in einer halben Stunde errang der Würzburger Helmut Müller im Februar 1988 Weltrekord. Und entkräftete, wohl eher als unerwünschte Nebenwirkung, nebenbei das Vorurteil, dass sportbedingte Sauerstoffzufuhr dem Denkvermögen in jedem Falle zuträglich sei: "Ab dem 750. hab' ich nix mehr gewusst", so der Held hinterher. Ob das zehn Jahre später den 610 Besuchern eines Würzburger Fitness-Centers ähnlich ging? Unabhängig davon führt sie das Guinness-Archiv mit einem 24-Stunden-Nonstop-Aerobic.
Auch das kleinste Fernrohr und der größte Tennisschläger der Welt wurde hier hergestellt, eine fünfköpfige Fotografen-Schar machte in einer Stunde 901 Portrait-Aufnahmen, die Bahn stellte zwischen Würzburg und Fulda mehrere Geschwindigkeits-Weltrekorde auf, zuletzt im Mai 1988 mit 407 Stundenkilometern.
Die Liste, sie ließe sich fortsetzen, und wird auch nicht abreißen, wenn die rekordsüchtigen Würzburger mit ihren laufenden Projekten Erfolg haben sollten: Mutig etwa der Versuch von Geschäftsleuten, hier das längste Kundenlächeln der Welt zu produzieren: Auf 20 000 "Smile"-Postkarten sollen Verbraucher ihre Zufriedenheit mit dem Verkaufspersonal ausdrücken. Die Karten sollen im Sommer zu einer Kette, eben dem "längsten Lächeln" zusammen gelegt werden. Reichlich verwegen: Denn einer allzu überschwänglichen Freundlichkeit sind hierzulande durch das unterfränkische Genpotenzial eher starre Grenzen gesetzt, wie Insider wissen.
Ohren auf jedenfalls für einen akustischen Rekordversuch zur 1300-Jahr-Feier am 23. Mai: Dann sollen 1300 Musiker eine 2,5 Kilometer lange Kette zwischen Festung, Alter Mainbrücke und Residenz bilden und dem Geburtstagskind Würzburg ein Ständchen spielen. Das längste Ständchen der Welt.