WÜRZBURG (TAP) Am 1. September 1981 wurde an der Universität Würzburg die unterfrankenweit erste Genetische Beratungsstelle eröffnet. Die Einrichtung, die kürzlich ihren 25. Geburtstag feierte, ist heute deutschlandweit aufgrund ihrer Spezialisierung auf die Bluterkrankheit sowie auf erblich bedingte Muskelkrankheiten gefragt. Außerdem beraten die Würzburger Humangenetiker Frauen, in deren Familien gehäuft Brustkrebs vorkommt.
Derzeit, so Professor Dr. Tiemo Grimm, Leiter der Genetischen Beratungsstelle, sind weltweit 16 000 Erbkrankheiten bekannt. Mit den bisher entwickelten technischen Geräten können allerdings nur 500 der insgesamt 25 000 menschlichen Gene molekulargenetisch daraufhin untersucht werden, ob sie für eine vererbbare Krankheit verantwortlich sind oder diese - im Falle einer Schwangerschaft - bei Kindern auslösen könnten.
Die Nachfrage nach genetischer Beratung und Untersuchung wächst, so stieg die Zahl der persönlichen Beratungen und Laboruntersuchungen von rund 2370 im Jahr 2000 auf fast 5000 im vergangenen Jahr. Eng mit der Genetischen Beratungsstelle verbunden ist das vor elf Jahren gegründete unterfränkische Muskelzentrum. Es ist eines von drei bayerischen Zentren für Menschen, die an der landläufig "Muskelschwund" genannten Krankheit leiden.
Die Verzahnung, so Grimm, ist äußerst wichtig, denn die körperlich zum Teil schwer behinderten Patienten, die im Laufe der Erkrankung immer mehr Mobilität einbüßen, sind dringend auf psychosoziale Beratung angewiesen. So sei es nicht immer leicht, gegenüber den Krankenkassen die Finanzierung eines speziellen Rollstuhls durchzusetzen.
Wer hier Schwierigkeiten hat, wird von der Sozialpädagogin Angelika Eiler unterstützt. Eiler hilft außerdem, die Diagnose zu verarbeiten, sie unterstützt betroffene Kinder bei der Eingliederung in die Schule, und begleitet Eltern, deren Kind an der Krankheit gestorben ist.
Von den rund 250 Menschen, die sich jährlich persönlich Rat holen bei den Mitarbeitern der Genetischen Beratungsstelle, sind etwa ein Drittel Schwangere. Manche kommen, weil sie eine Erbkrankheit in der Familie haben. Andere wussten zunächst nicht, dass sie schwanger sind, sie nahmen Medikamente ein und gerieten hinterher in Panik, als sie auf dem Beipackzettel lasen, dass das Medikament in der Schwangerschaft nicht genommen werden sollte.
Kommt bei der pränatalen Untersuchung heraus, dass das Kind aufgrund einer Erbkrankheit Fehlbildungen hat, wirkt dies auf die Frauen wie ein Schock. Meist, so Grimm, handele es sich um Wunschkinder. Die Entscheidung über Tod und Leben dieses Kindes falle den Schwangeren äußerst schwer: "Ich habe noch keine Frau gesehen, die leichtfertig mit der Entscheidung Schwangerschaftsabbruch umging."
Zur Abteilung für Medizinische Genetik gehört seit heuer auch das für ganz Nordbayern zuständige "Zentrum für familiären Brust- und Eierstockkrebs" der Deutschen Krebshilfe. Zwischen 150 und 200 Frauen kommen jährlich hierher, weil sie Angst haben, ebenso wie ihre Mutter, Schwester oder Tochter Brustkrebs zu bekommen.
Zwei Brustkrebs verursachende Gene sind laut Schönbuchner bisher bekannt, bis zu 20 Mal im Jahr muss sie Frauen sagen, dass bei ihnen diese Gene gefunden wurden. Der Vorteil für die Frauen ist, dass sie als Angehörige einer Hochrisikogruppe seit kurzem ein intensives Früherkennungsprogramm finanziert bekommen.