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Mein Montag: Kunst zum Wegwerfen

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Mein Montag: Kunst zum Wegwerfen

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    Holger Welsch
    Holger Welsch Foto: Ruppert (MainPost)

    Woran man merkt, dass es Sommer wird? Weil man möglicherweise früher raus muss. Wegen der Müllabfuhr. Die startet ihre Abholrunde in den heißen Monaten schon um sechs Uhr morgens, eine Stunde eher als gewohnt. Damit die Stadtreiniger ihre anstrengende Arbeit mehr im Kühlen verrichten.

    Diese Frühleerer-Aktion hat natürlich auch Verlierer. Wie Menschen, die beim Anrücken des Müllfahrzeuges aus dem Bett fallen. Oder jene Morgenmuffel, die ihre Tonne selbst rausstellen oder noch schnell was entsorgen müssen. In diesem Zusammenhang hat mir ein Bekannter erklärt, dass er am Blaue-Tonne-Abfuhrtag seine morgendliche Main-Post jetzt gar nicht mehr zu Ende lesen könne.

    So ein Spaßvogel. Ich hab ihm gesagt, er soll die Zeitung mal lieber gut aufheben, vor allem wenn's eine Montagsausgabe ist. Kann vielleicht noch mal wertvoll werden. Komme nur drauf, weil neulich rund 100 Leute im Kulturspeicher so eine Hoffnung hatten. Nein, sie hatten keine Main-Post dabei, sondern Kunstwerke, oder besser gesagt vielleicht auch nur vermeintliche. Das mussten Experten des renommierten Auktionshaus Christie's herausfinden.

    Die Gutachter tingeln des öfteren durch die Lande, um vielleicht einen Alten Meister oder ein wertvolles Schmuckstück aufzustöbern. In Würzburg soll das nicht der Fall gewesen sein. Ein älteres Ehepaar hatte zwar gehofft, eine Originalgrafik von Marc Chagall zu besitzen. Doch leider hat der Meister nicht selbst unterschrieben. Die Besitzer sollen nicht besonders enttäuscht gewesen sein, der nicht ganz echte Chagall werde halt wieder im Würzburger Wohnzimmer aufgehängt.

    Also mir wär' das nicht egal. Ich besitze zwar keine Kunst, aber jede Menge Illusionen. Deshalb werfe ich, obwohl ich meine Mülltonne nicht selbst vor die Tür stellen muss, nix weg. Autozeitschriften und Musikmagazine aus den Siebzigern, Eintrittskarten zu Rockkonzerten und Fußballspielen, alte Weinetiketten oder ein Quartett mit Städteansichten aus den zwanziger Jahren – das sind Schätze von unermesslichen Wert. Wenn ich die bei Christie's versteigern ließe, hätt' ich ausgesorgt und müsste mein Geld nicht mehr mit dem Schreiben von Rubriken wie dieser verdienen.

    Welch beruhigende Vorstellung. Sicherheitshalber will ich's aber nicht genau wissen. Deshalb werde ich meine Schätze nie schätzen lassen. Am Ende kriegt man bloß einen Spruch wie die Enttäuschten von der Managerin der Christie's-Aktion im Kulturspeicher: „Was man mag, hat einen Wert, der nicht in Euro zu messen ist. Vielleicht ist das wahre Wert von Kunst.“

    Was ist dann der wahre Wert Würzburger Baukunst? An Euros gemessen, kassiert die Stadt für das Ämterhochhaus Augustinerstraße 1,25 Millionen. Dafür soll das Denkmal aber weggeworfen werden. Ein ähnlicher Liebes- und Wertebeweis droht auch der Mozartschule. Den Müllmännern kann's egal sein. Sie leben zwar vom Wegwerfen. Baukunst-Bauschutt wird in aller Regel aber nicht in Mülltonnen entsorgt.

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