Dass einen die Vergangenheit aber auch immer einholt. Hab' in der Mergentheimer Straße ein Werbeplakat für Schweinfurt entdeckt – laut einer Studie die „dynamischste Stadt Deutschlands“, während Würzburg auf Rang 157 lahmt. Die unterschiedliche Dynamik lässt sich allein daran erkennen, dass Schweinfurts OB Gudrun Grieser nach der Bekanntgabe des Ehrentitels im März flugs eine 600 000 Euro teure Werbe-Kampagne für die Kugellagerstadt – „Wir haben mehr auf Lager“ – ins Rollen brachte. Amtskollegin Pia Beckmann brauchte dagegen bis diese Woche, um klarzustellen, dass Würzburg gar nicht so schlecht sei, wie der Studien-Platz suggerieren könnte.
Beckmanns Botschaft: Schweinfurt ist vor allem ein so toller Aufsteiger, weil es vorher so schlecht war. Würzburg war schon vorher toll, so dass es viel toller gar nicht mehr werden könne. Wahrscheinlich haben die Schweinfurter das geahnt und schnell ihre Werbung gestartet, bevor die Würzburger Erkenntnisse den Schweinfurter Erfolg bundesweit schmälern könnten.
Nicht weniger als ganz Deutschland ist Adressat von „Wir haben mehr auf Lager“, weshalb auch Würzburg nicht ungeschoren davon kommt. In der Nachbarstadt allerdings Plakate für die Schnüdel aufzuhängen ist schon ein dreister Akt, den nur noch der Club toppen könnte, ginge er in der Allianz-Arena bei FC Bayern-Fans auf Mitglieder-Fang.
Mich hat die Werbung ins Grübeln gebracht, verließ ich doch – da wären wir bei erwähnter Vergangenheit – vor 32 Jahren meine Geburtsstadt. Nicht, weil sie noch nicht die dynamischste war, sondern weil ich auszog, um die Welt kennen zu lernen, was mir im Wesentlichen auch gelungen ist, bin ich doch am Nabel der Welt, in Würzburg gelandet. Hier, an der Plakatwand in der Mergentheimer Straße, sehe ich mich nun Verlockungen ausgesetzt, in die Heimat zurückzukehren: Diese wirbt zum Beispiel mit dem Versprechen, Familien beim Eigenheimbau pro Kind 10 000 Euro zu zahlen. Tolle Sache, dreißig bis vierzig Kinder in die Welt gesetzt – und schon ist die Bude finanziert. Kein Wunder, dass Würzburg unter Geburtenschwund leidet, wenn der protzige Nachbar mit dem Geld um sich wirft – und dennoch ein Problem hat.
Frau Grieser ist zwar mit dem Erfolg ihrer „Lager-Werbung“ zufrieden, hadert aber mit dem Namen „Schweinfurt“. Da könnte das Oberzentrum der reichen kleinen Nachbarin locker helfen: Sie wird einfach eingemeindet und bekommt den Stadtteil-Namen Würzfurt. Die Oberbürgermeisterinnen können sich den Job dann teilen, was nicht weiter auffällt, weil beide blond und CSU-Mitglied sind. Die Schweinfurter wissen sowieso, dass ohne Würzburg nix geht. Ihre Image-Kampagne hat schließlich eine Würzburger Agentur gestaltet.