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Mein Montag: Wie Grußworte niederschlagen

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Mein Montag: Wie Grußworte niederschlagen

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    Der Begriff „Grußwort“ klingt eigentlich harmlos. Doch nahezu auf allen öffentlichen Feiern strapaziert diese nett im Programmheft verpackte Vokabel das Nervenkostüm der Gäste. Die Auswirkungen von langatmigen Auflistungen mehr oder weniger prominenter Gäste, prinzipiellen Ausführungen, Wiederholungen und Danksagungen sind mannigfaltig: Das reicht von einfach nur störend bis hin zu ärgerlich, ja fast gesundheitsschädlich. Aktuelle Beispiele boten die zahlreichen Neujahrsempfänge zuhauf.

    Im Verlauf nicht endenwollender Grußworte von Oberbürgermeister oder Bürgermeister, Vorstand X/Y und Co. kratzt es vor Trockenheit in der Kehle, der Magen knurrt wegen zunehmender Leere, der Hosenboden wird aufgrund von wachsender Nervosität durchgerieben, und das Risiko des Zusammenbrechens aufgrund von Sauerstoffknappheit erhöht sich sprunghaft in einer exponentiell ansteigenden Kurve.

    Manche Grußwort-Sprecher versuchen wenigstens den Anfang des Dramas mit dem witzigen Spruch aus dem Zitate-Duden kurzweilig zu gestalten. Was normalerweise ein dankbares Schmunzeln hervorruft. Dann geht aber alles wie gewohnt seinen Lauf. Zum wiederholten Mal erwähnt der Grüßer ihre Eminenz, Herrn Hochwürden, die Abgeordneten und andere wichtige Persönlichkeiten. Gerne entschuldigt er sich, dass er nicht alle VIP's namentlich auflistet, wobei der Schlüssel zur Namensnennung nicht immer klar ist. Das schließt Peinlichkeiten mit ein.

    Sind die Namen geschafft, schildert der Grußredner den Grund der Feier, des Festaktes, des Kommersabends oder gemütlichen Beisammenseins. Das ist auch gut so, weil manch einer zu diesem Zeitpunkt schon schwächelt und den Grund für seine Anwesenheit bereits vergessen hat. Oder man ist durch aufkeimende Wut abgelenkt. Schließlich betont der Sprecher, er wolle nun bei seinen Ausführungen eine inhaltliche Abkürzung nehmen, weil ja nach den Grußwort-Darbietungen noch Zeit für Gespräche bleiben soll.

    Inzwischen vibriert das Handy zum x-ten Mal im Jackett, der Vordermann hat immer noch Schuppen auf dem feinen Zwirn, der Nachbar verströmt nach wie vor eine Duftwolke von Hugo Boss. „Was sollte ich noch fürs Abendessen einkaufen?“, schlägt ein Gedankenblitz ein. Bei so einem Schrecken beruhigt die sonore Stimme des Grußwort-Sagers. „Vielen Dank für ihre Aufmerksamkeit.“

    Dieser etwas lauter und schneller gesprochene Satz katapultiert mich aus dem Sumpf des Vergessens zurück in die Wirklichkeit. Die glimmende Hoffnung auf Erlösung erlischt sofort, weil der nächste Grußwort-Promi forschen Schrittes zum Rednerpult strebt. Müde schwenke ich mein Haupt um 90 Grad. Ich registriere gerade noch so den kollektiven K.O. der bereits schwer angeschlagenen Festgesellschaft. Mit den vom Ringrichter geflüsterten Sätzen „In der Kürze liegt die Würze“ und „Das beste Grußwort ist das nicht Gesprochene“ werfe ich geistig das Handtuch. Den Schlussgong höre ich schon nicht mehr.

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