Manch einer fände es schön, wenn der Residenzplatz autofrei wäre. Am Freitagnachmittag hätte dieser Wunsch wohl bei bei keinem Platzbesucher Zustimmung gefunden: Mitglieder des deutschen Mercedes-Benz 300 SL-Clubs präsentierten 87 Exemplare einer automobilen Legende: Das 300 SL Flügeltürer-Coupé und die offene Version, den Roadster – knapp 3300 Mal gebaut zwischen 1954 und 1963.
Damals war der CO•-Ausstoß der Sechszylinder mit 215-PS-Motoren noch kein Thema. Und am Residenzplatz auch nicht. Zuschauer wollten eher wissen „Wie alt ist der?“, „Wieviel ist er wert?“ oder sie verfielen beim Anblick der formschönen wie flachen SL-Karossen nostalgischen Gefühlen: „Das waren damals halt noch Autos.“
Die SL-Besitzer hören solche Sätze häufig, vor allem bei Oldtimer-Rallyes und Ausfahrten. Der Höhepunkt ist das Jahrestreffen, das den Club schon vor 20 Jahren nach Würzburg führte. Diesmal kamen 167 der 335 Mitglieder, auch Teilnehmer aus Österreich, Namibia und Schweden. Gastgeber des dreitägigen Treffens: Die Mercedes-Benz-Niederlassung Mainfranken in der Randersackerer Straße. Von dort schickte am Freitagmorgen Niederlassungschef Joachim Schlereth mit Oberbürgermeister Georg Rosenthal die Sportwagen, von denen noch etwa 2300 existieren, auf Ausfahrt durch die Landkreise Würzburg und Kitzingen mit Ziel Residenzplatz.
„Hat Spaß gemacht“ sagte der OB nach seinem Job mit der Startflagge. Jaguar-Fahrer Rosenthal war vor allem vom Flügeltürer-Coupé angetan, dessen Markenzeichen nach oben schwingende Türen sind. In den niedrigen SL steigt man nicht ein, man fädelt sich ein. Das will ebenso gekonnt sein wie ein halbwegs ansehnlicher Ausstieg aus dem Auto. SL-Besitzer beherrschen die Übung, auch wenn sie häufig nicht mehr die jüngsten, viele über 60 sind.
Club-Präsident Thomas Rosier betont indes, dass der Club zunehmend auch jüngere Mitglieder hat, die bisweilen die Autos der Väter übernehmen. Die haben den SL meist gekauft, als er noch bezahlbar war. Kostete das Auto 1954 29 000 Mark, „werden heutzutage gut erhaltene Exemplare von einer halben Million Euro aufwärts gehandelt“, weiß Rosier. Der Chef mehrerer Autohäuser fährt seinen Flügeltürer, Baujahr 1955, seit 15 Jahren, seit neun Jahren ist er Präsident des SL-Clubs. „Nein, das ist keine Ansammlung von Millionären“, sagt er. Aber viele seien Unternehmer, wenngleich auch „normale Schrauber“ der nicht ganz billigen Leidenschaft frönten. Rosier: „Uns eint das Herzblut für ein ganz besonderes Auto.“
Dieses wecke beim Betrachter „meist Nostalgie und Neugierde, aber niemals Neid oder Missgunst“, betont Ursula Hillgruber. Das habe sie auch bei der Ausfahrt am Freitag durch fränkische Gefilde mit Rast auf der Hallburg wieder gemerkt.
Ihren roten SL-Flügeltürer fährt die Hamburgerin seit über 30 Jahren, hat an zahlreichen Oldtimer-Rallyes teilgenommen, allein sieben Mal an der bekannten Mille Miglia. „Dennoch haben mich schon Leute gefragt, ob ich das Auto überhaupt fahren kann“, amüsiert sie sich. Ums Auto kümmert sich der Mechaniker ihres Vertrauens: „Der 84-jährige Meister Hackert kennt jede Schraube.“
Was macht die Faszination des alten SL aus? „Das Gefühl kann ich gar nicht beschreiben. Nur, wenn ich drin sitze, denke ich, ich bin einer anderen Welt.“ Damit Ursula Hillgruber nicht nur in anderen Welten unterwegs ist, hat sie noch ein Auto für den Alltag, das garantiert keine Neidgefühle weckt: einen Mercedes A-Klasse.
Das Clubtreffen endet an diesem Samstag, unter anderem mit einer Ausfahrt auf die Festung und nach Veitshöchheim.