Mancher Bürgermeister mag vor Neid erblassen angesichts der üppigen Finanzausstattung, wie sie die Stadt Röttingen vorweisen kann. Rund vier Millionen Euro hat das 1800-Seelen-Städtchen auf der hohen Kante und verfügte zum Jahresende über liquide Mittel in Höhe von 6,1 Millionen Euro. Dass der Stadtrat trotzdem nicht aus dem Vollen schöpfen kann, wird an den Vorhaben für das laufende Jahr deutlich, die Bürgermeister Martin Umscheid in der jüngsten Bürgerversammlung vorstellte.
Rund 120 Bürger waren in die Burghalle gekommen und erfuhren dort, dass die Belebung und städtebauliche Entwicklung des Altortes weiterhin das Top-Thema auf der Tagesordnung des Stadtrats bleibt. Nachdem dafür vor Jahren schon mit der Neugestaltung des Marktplatzes der passende Rahmen geschaffen wurde, geht es jetzt an Einzelobjekte.
Dazu zählt die bereits laufende Restaurierung des sogenannten Hümmert-Hauses. Die Stadt hat den ehemaligen Bauernhof am Marktplatz erworben und lässt ihn zu einem Wohn- und Geschäftshaus umbauen, in das im nächsten Jahr eine Gastwirtschaft einziehen soll. Weil die Schäden höher waren als ursprünglich vermutet, stiegen die Kosten von geplanten 1,1 Millionen auf inzwischen 1,4 Millionen Euro, so Umscheid – eine Summe, die sich kaum refinanzieren lässt.
Neben dem betriebswirtschaftlichen Aspekt zählt für den Bürgermeister aber vor allem der städtebauliche Nutzen der Sanierung.
Geringer Eigenanteil
Gleiches gilt für das nur wenige Meter entfernte Schwarzmann-Haus. Die Stadt hat das leer stehende, ehemalige Geschäftshaus erworben und will es zu einem Wohnhaus umbauen. Dabei kommt ein Förderprogramm gelegen, mit dem der Staat den Bau von Wohnungen für anerkannte Asylbewerber unterstützt.
Drei große Wohnungen mit einer Gesamtfläche von 390 Quadratmetern entstehen dort demnächst. Von den geschätzten Kosten von 1,43 Millionen Euro muss die Stadt nur einen Eigenanteil von 330 000 Euro für die Beseitigung eines städtebaulichen Missstands zahlen und kann das Haus nach einer siebenjährigen Zweckbindung frei vermieten.
Um einen solchen städtebaulichen Missstand – so der offizielle Begriff – handelt es sich auch beim Haus in der Taubergasse 1, direkt neben dem Rathaus. Auch das hat die Stadt gekauft und überlegt nun, ob man dort ebenfalls günstige Wohnungen für Flüchtlingsfamilien schaffen soll, um so erneut in den Genuss der Sonderförderung zu kommen.
Wenige Schritte weiter, in der Taubergasse 4, ist ein leer stehendes Gehöft seit Jahren dem Verfall preisgegeben. Vom ehemaligen Eigentümer fiel es an die Sparkasse, die verkaufte es an die Stadt. Ein Architekten-Workshop im vergangenen Jahr war zu dem Ergebnis gekommen, die Gebäude abzureißen und Platz für drei neue, preiswerte Einfamilienhäuser zu schaffen. Ein kleines Neubaugebiet mitten im Altort, das sei ein Novum, meint Bürgermeister Umscheid, und könnte beispielgebend sein.
Kritische Stimmen
Nicht jeder Röttinger ist einverstanden mit den vielen offenen Baustellen, die die Stadt an sich gezogen hat. Zu den Kritikern gehört Erwin Schauer, der fürchtet, dass sich die Stadt damit finanziell übernimmt. Dem hält Bürgermeister Umscheid entgegen, dass viele ortsbildprägende Gebäude dann dem Verfall preisgegeben wären, weil sich die Sanierung für einen privaten Investor nicht lohnt.
Wirtschaftsförderung
Die Stadt Röttingen hingegen habe in den zurückliegenden Jahren üppig von der Städtebauförderung profitiert. Von den knapp 12 Millionen Euro, die seit 2008 in städtebauliche Maßnahmen investiert wurden, kamen 6,5 Millionen Euro als Zuschuss von Bund, Freistaat und Stiftungen. Weil regionale Firmen mit einem Auftragsvolumen von rund 11 Millionen Euro davon profitiert haben, sei die Altstadtsanierung zugleich ein riesiges Wirtschaftsförderungsprogramm.
Wie schwierig es für private Investoren ist, ein Baudenkmal wirtschaftlich zu nutzen, zeigt ein weiteres Beispiel in unmittelbarer Rathausnähe. Den Fränkischen Hof, ein Fachwerkhaus aus dem 16. Jahrhundert, hat vor einigen Jahren ein Geschäftsmann aus Rumänien erworben. Weil er seit einiger Zeit nicht mehr zu erreichen sei, hat Stadt nötige Sicherungsmaßnahmen übernommen und sich dafür eine Zwangshypothek im Grundbuch sichern lassen.
In die Verhandlungen mit einem potenziellen Käufer, der das Gebäude sanieren und zu einem Hotel umbauen wollte, hat sich Bürgermeister Martin Umscheid deshalb vermittelnd eingeschaltet. Bis der Interessent kurz vor Weihnachten seinen Rückzug von dem Projekt erklärt hat. Ausschlaggebend dafür seien die geschätzten Sanierungskosten von 2,4 Millionen Euro gewesen. Nun ist ungewiss, wie es mit dem Fränkischen Hof weitergeht und ob sein weiterer Verfall überhaupt zu stoppen ist.
Ein Happy End scheint sich hingegen beim „Hohen Bau“ anzubahnen, ein Fachwerkbau aus dem 13. Jahrhundert und eines der ältesten Häuser in Röttingen überhaupt. Der vormalige Eigentümer hatte sich viele Jahre lang nicht um das Baudenkmal gekümmert. Nun sei es an einen Geschäftsmann aus dem Oberallgäu verkauft worden, der sich mit großem Engagement und – so hofft der Bürgermeister – mit dem nötigen Kapital an die Sanierung macht.