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Würzburg: Missbrauchs-Prozess: Kritik an der Strategie der Verteidiger

Würzburg

Missbrauchs-Prozess: Kritik an der Strategie der Verteidiger

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    Für heftige Reaktionen sorgten am Donnerstag Beweisanträge der Verteidiger des wegen Missbrauchs angeklagten Würzburger Logopäden.
    Für heftige Reaktionen sorgten am Donnerstag Beweisanträge der Verteidiger des wegen Missbrauchs angeklagten Würzburger Logopäden. Foto: Ulises Ruiz

    Die Verteidiger des wegen Missbrauchs an sieben Jungen angeklagten Logopäden gehen in die Offensive. Mit sieben Beweisanträgen versuchten sie in der nicht-öffentlicher Sitzung am Donnerstag vor dem Landgericht Würzburg, die Chancen des Angeklagten auf ein milderes Urteil zu verbessern.

    Für ungläubiges Kopfschütteln und Fassungslosigkeit bei den Eltern im Gerichtssaal hatten schon zurückliegende Aussagen des Angeklagten in einer polizeilichen Vernehmung gesorgt. Sie wurden jetzt durch die Aussage einer Ermittlerin im Zeugenstand bekannt: In einem Verhör habe der Angeklagte enthüllt, nach welchen Kriterien er sich seine Opfer für den Missbrauch, der auch bis zur Vergewaltigung ging, suchte.

    Er habe Kinder mit geistigen und körperlichen Einschränkungen ausgewählt, "weil er davon ausgegangen sei, dass diese aufgrund ihrer Einschränkungen den Missbrauch nicht mitbekämen und deshalb hierdurch geringeren Schaden davontrügen", zitierte Rainer Volkert, der Pressesprecher des Gerichts aus der Aussage der Polizistin.

    Gutachter wurde auf späteren Termin vertröstet

    Danach wurde der Ton zwischen Verteidigung und Nebenklage noch frostiger. Zwar hatte der Psychiater Norbert Nedopil noch immer keine Chance, sein Gutachten zu präsentieren, das fundiert Auskunft über Motive und Heilungschancen des Angeklagten geben soll. Doch Anwalt Hübner griff in nicht-öffentlicher Sitzung schon einmal vor.

    Er deutete eine große Bereitschaft seines Mandanten zu einer Therapie für pädophile Straftäter an. Der Verteidiger forderte das Gericht auf, die Leiterinnen der geeigneten bayerischen Therapie-Einrichtungen in den Gefängnisse in Bayreuth und Würzburg als Zeugen zu laden. Man müsse so prüfen, ob dort "eine angemessene therapeutische Behandlung" möglich sei, "durch die seine Rückfall-Wahrscheinlichkeit für sexuelle Missbrauchstaten an Kindern gesenkt werden" könne, berichtete der Pressesprecher des Landgerichts Rainer Volkert aus der Sitzung.

    Opfer-Anwälte: "An Zynismus nicht zu überbieten"

    Der Verteidiger will mit Zeugen und Schriftstücken beweisen, dass es bei der Tätigkeit des Logopäden "nur in wenigen Therapie-Sitzungen mit den betroffenen Kindern zu Missbrauchstaten gekommen" sei. Aber es habe viel häufiger Sitzungen gegeben, bei denen "die logopädische Therapie des Angeklagten bei den betroffenen Kindern jeweils Behandlungs-Fortschritte gebracht habe", zitiert der Pressesprecher aus der Sitzung. Eine Mutter fragte später fassungslos: "Er hat also ein bisschen was Böses, aber auch viel Gutes getan?"

    Danach gab es heftige Wortgefechte mit den Anwälten der Opfer. Die Anträge seien - auch in Anbetracht der Schilderungen der Eltern im Zeugenstand - "an Zynismus nicht zu überbieten", sagte der Anwalt Christian Mulzer. "Sie relativieren das Geständnis Ihres Mandanten", sagte sein Kollege Bernhard Löwenberg, und Hanjo Schrepfer befand: "Ein Schritt vor, zwei zurück - diese Strategie ist völlig kontraproduktiv."

    Die Verteidiger beharren auf ihren Anträgen

    Am Donnerstag beharrten die Verteidiger trotz der Bitte des Vorsitzenden auf ihren Anträgen, die den Prozess vermutlich bis weit in den Mai ziehen. Dem Angeklagten täten seine Taten "wirklich leid";  Am Geständnis solle nicht gerüttelt werden, sagte Verteidiger Jan Paulsen. Um jedoch ein umfassendes Bild von der Persönlichkeit des Angeklagten zu gewinnen, müsse man zeigen, dass der Angeklagte seine Stellung als Therapeut nicht nur für die Missbrauchstaten genutzt habe, sondern tatsächlich auch Therapie-Erfolge bei den missbrauchten Kindern erzielt habe.

    In nicht-öffentlicher Sitzung beharrte der Verteidiger nach heftigem Widerstand am Ende zumindest nicht mehr auf zusätzliche Zeugen, sondern begnügte sich mit schriftlichen Belegen, die vor Gericht verlesen werden sollen. Akten, die dafür relevant sind, wurden kopiert und den Anwälten zum Lesen übergeben. 

    Der Prozess geht am 24. April weiter. Der Vorsitzende Michael Schaller muss weitere Termine bis weit in den Mai ins Auge fassen, "nachdem sich das Verfahren - anders als wir beabsichtigt hatten - verlängert", sagte er und betonte: "Pandemie hin und her - die Ruhe werden wir aufbringen." 

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