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Würzburg: Mit dem E-Rollstuhl durch die Stadt: Wie barrierefrei ist der Würzburger ÖPNV?

Würzburg

Mit dem E-Rollstuhl durch die Stadt: Wie barrierefrei ist der Würzburger ÖPNV?

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    Timo Müller nutzt fast täglich den Würzburger Nahverkehr. Diese Redaktion hat ihn bei einer Fahrt begleitet.
    Timo Müller nutzt fast täglich den Würzburger Nahverkehr. Diese Redaktion hat ihn bei einer Fahrt begleitet. Foto: Patty Varasano

    Timo Müller ist seit seiner Geburt gelähmt, weshalb er auf einen elektrischen Rollstuhl angewiesen ist. Dennoch kann er seinen Alltag weitestgehend alleine meistern. Er hat eine eigene Wohnung, die sich in einem ambulant betreuten Wohnheim befindet. "Stundenweise ist jemand da, aber die meiste Zeit ist man auf sich allein gestellt", erklärt Müller. Seit 2015 arbeitet er in den Mainfränkischen Werkstätten in Lengfeld. Um dorthin und wieder nach Hause zu kommen, nutzt er den Würzburger Nahverkehr.

    Müller ist nach Aussage von Julian Wendel, Behindertenbeauftragter der Stadt, einer von etwa 10.000 Personen in Würzburg, die eine körperliche oder geistige Einschränkung haben. Doch inwieweit sind diese Personen eigenständig mobil? Nutzen sie den ÖPNV für ihren Weg auf die Arbeit oder für alltägliche Besorgungen? Und wie kommen sie dabei zurecht?

    Bevor Müller den Nahverkehr alleine nutzen durfte, wurde geprüft, ob er alleine zurecht kommt

    Ein Arbeitskollege habe Timo Müller motiviert, den Würzburger Nahverkehr zu nutzen, zudem wollte der 39-Jährige eigenständiger sein. Wollte er früher in die Stadt, musste ihn der Fahrdienst aufgrund von Vorgaben trotzdem erst nach Hause fahren. Von dort konnte der Beschäftigte dann in das Zentrum gebracht werden.

    Timo Müller kommt mit der Buslinie 34 an der Haltestelle Reuterstraße im Würzburger Stadtteil Heidingsfeld an. Zum Aussteigen legt ihm der Busfahrer eine Rampe vor.
    Timo Müller kommt mit der Buslinie 34 an der Haltestelle Reuterstraße im Würzburger Stadtteil Heidingsfeld an. Zum Aussteigen legt ihm der Busfahrer eine Rampe vor. Foto: Patty Varasano

    Bevor Müller den Nahverkehr alleine nutzen durfte, wurde geprüft, ob er im ÖPNV alleine zurecht kommt. "Ein Gruppenleiter ist mit mir zur Haltestelle und hat sich angeschaut, wie ich mich verhalte." Zügig sei klar gewesen, dass Müller die Technik seines E-Rollis beherrscht. Seitdem darf er alleine Bus und Straßenbahn fahren.

    Um in den Bus zu kommen, benötigt Müller eine Rampe

    Dienstschluss. Seinen Nachhauseweg zum Würzburger Heuchelhof startet Müller an der Haltestelle Sandäcker im Gewerbegebiet Ost. Da der Abstand zwischen Bordstein und Einstieg in den Bus dort zu groß ist, benötigt er eine Rampe. Dafür stellt er sich gut sichtbar an die Haltestelle und gibt dem Busfahrer ein Handzeichen. Die Einstiegshilfe befindet sich im Boden des Busses und kann mit einem speziellen Werkzeug vom Fahrer oder der Fahrerin heruntergeklappt werden.

    "Am liebsten würde ich ohne Rampe einsteigen können."

    Timo Müller

    Beginnend am Sandäcker fährt Müller an diesem Tag mit der Buslinie 34 bis zur Reuterstraße in Heidingsfeld. Der Würzburger präferiert das Busfahren. "Da habe ich mehr Platz. Das ist dann einfacher für mich", erklärt er. Mit dem E-Rolli stellt er sich auf dem für Kinderwagen und Rollstühle vorgesehenen Platz.

    Timo Müller möchte in die Straßenbahn einsteigen. Hier ist die Mithilfe des Fahrzeugführers gefragt, der ihm an einer dafür vorgesehenen Tür die Rollstuhlrampe ausklappt.
    Timo Müller möchte in die Straßenbahn einsteigen. Hier ist die Mithilfe des Fahrzeugführers gefragt, der ihm an einer dafür vorgesehenen Tür die Rollstuhlrampe ausklappt. Foto: Patty Varasano

    Der Heimweg geht weiter mit der Straßenbahn ab der Reuterstraße. Auch hier benötigt er zum Einstieg die Rampe. Anders als im Bus, ist die Rampe in der Straba mobil. Sie befindet sich in einem kleinen Metallkasten, der von der Fahrerin oder dem Fahrer aufgeschlossen werden kann.

    Barrierefreie Mobilität ist Müller sehr wichtig. Er hofft, dass es bald mehr Haltestellen in Würzburg geben wird, die er barrierefrei, also ohne Hilfe von anderen Menschen, nutzen kann. "Am liebsten würde ich ohne Rampe einsteigen können", lautet sein Wunsch.

    Intensive Nutzung des Würzburger ÖPNVs

    Insgesamt arbeiten 542 Menschen mit Behinderung an verschiedenen Standpunkten der Mainfränkischen Werkstätten in Würzburg. Davon nutzt knapp die Hälfte den Würzburger ÖPNV. Die anderen Mitarbeitenden werden mit dem Fahrdienst gefahren.

    Die Werkstätten haben als Teilhabeeinrichtung am Arbeitsleben den Auftrag, die Mobilität zu fördern und unterstützen die Mitarbeitenden dabei. So werden Mobilitätstrainings mit dem Ziel einer größtmöglichen Selbstständigkeit durchgeführt.  "Mit manchen trainieren wir hierfür wochenlang", sagt Roland Hascher, Vertrauensperson des Gesamt-Werkstattrats. Jedoch sei es keine Selbstverständlichkeit, dass Menschen mit Behinderung den ÖPNV alleine nutzen. Aufgrund der Besonderheiten und Handicaps der Mitarbeitenden können nicht alle ohne Unterstützung fahren.

    "Mit manchen trainieren wir hierfür wochenlang."

    Roland Hascher, Vertrauensperson des Gesamt-Werkstattrats

    Die Beschäftigten nutzen den ÖPNV regelmäßig, besonders bei größeren Gruppenausflügen. Doch bereits in der Nähe des Werkstatt-Geländes gibt es die erste Schwierigkeit. Möchten die Beschäftigten von der Werkstatt kommend zur Haltestelle Sandäcker gelangen, müssen sie zwei Straßen überqueren: die Straße Im Kreuz sowie den Friedrich-Bergius-Ring. Erstere wird gerne zum Parken von großen Lkw genutzt, sodass Menschen wie Timo Müller auf die Straße fahren müssen, um zu sehen, ob ein Pkw kommt.

    Da diese Situation für die Beschäftigten sehr gefährlich sein kann, wünschen sie sich Verbesserungen. Hierfür fand vor Kurzem eine Ortsbegehung statt, um sichere Überquerungsmöglichkeiten zu erörtern. "Angedacht ist ein Halteverbot vor der Werkstatt", sagt Werkstattsleiter Gert Bruckert. Nun soll eine Verkehrsmessung folgen, bei der die Pkw- sowie Passantenfrequenz gezählt werden sollen.

    Evi Gerhard braucht fremde Hilfe beim Einsteigen

    Eine andere Würzburgerin, die seit ihrer Geburt nicht laufen kann und einen E-Rollstuhl nutzt, ist Evi Gerhard. Die 47-jährige Mitarbeiterin der Jugendbildungsstätte Unterfranken lebt ebenfalls am Heuchelhof und nutzt den ÖPNV fast täglich, beginnend ab der Straba-Haltestelle Wiener Ring.

    Da dort stadteinwärts keine Rampe verwendet werden kann, braucht die Würzburgerin fremde Hilfe beim Einsteigen. Versucht sie alleine in die Straba zu kommen "blockiere ich die Türe und habe nicht genug Schwung, die Hinterräder hoch zu bekommen. Da muss mir dann jemand helfen", beschreibt sie die Situation.

    Auf Anfrage der Redaktion heißt es von Seiten der WVV, dass die Straßenbahnhaltestelle Wiener Ring derzeit für den Einsatz der Rollstuhl-Klapprampen vorbereitet werde. Als letzter "ausstehender Baustein" fehle noch ein Geländer, sagt Pressesprecherin Susanna Blum. Dieses befinde sich aktuell in der Fertigung und nach derzeitigem Sachstand werde die Haltestelle Anfang Mai für die Nutzung der Rollstuhl-Klapprampe freigegeben.

    Die Würzburgerin Evi Gerhard wartet an der Haltestelle Wiener Ring auf die Linie 5, mit der sie in die Stadt fahren möchte. Da die Haltestelle nicht für den Einsatz von Rollstuhl-Rampen geeignet ist, benötigt sie Hilfe beim Einstieg.
    Die Würzburgerin Evi Gerhard wartet an der Haltestelle Wiener Ring auf die Linie 5, mit der sie in die Stadt fahren möchte. Da die Haltestelle nicht für den Einsatz von Rollstuhl-Rampen geeignet ist, benötigt sie Hilfe beim Einstieg. Foto: Patty Varasano

    Um Hilfe beim Ein- und Ausstieg zu erhalten, fragt Gerhard oft auch andere Fahrgäste. Doch an manchen Tagen stößt sie auf mangelnde Hilfsbereitschaft und hört Aussagen wie: "Das ist nicht meine Aufgabe, sondern die des Schaffners." Meistens treffe Gerhard jedoch auf unterstützende Mitfahrerinnen und Mitfahrer.

    Besonders die Straßenbahn des Typs GT-E macht Gerhard Probleme, hier existiert nur bei der mittleren Türe ein Niederflurbereich. Steigt Gerhard ein und parkt ihren E-Rolli in Fahrtrichtung, dann befindet sich lediglich die Infotafel über das Liniennetz in ihrem Sichtfeld. Gerhard kann nicht die Anzeigetafel in den Blick nehmen. So weiß die Würzburgerin auch nicht, ob ihr Haltewunsch berücksichtigt wird, wenn sie den Haltetaster bedient.

    Evi Gerhard benötigt Hilfe beim Einstieg, da sie die Lücke zwischen Bordstein und Einstieg nicht alleine überwinden kann.
    Evi Gerhard benötigt Hilfe beim Einstieg, da sie die Lücke zwischen Bordstein und Einstieg nicht alleine überwinden kann. Foto: Patty Varasano

    Einige weitere Haltestellen, beispielsweise am Dom, bereiten Gerhard Probleme, wenn sie eigenständig einsteigen möchte. "Der Abstand zwischen Bordstein und Eingang ist zu hoch." Daher braucht sie an dieser Haltestelle die Rampe und die Hilfe der Fahrzeugführerin oder des Fahrzeugführers.

    Auf welche Probleme stoßen Menschen mit Sehbehinderungen?

    In der Würzburger Bentheim Werkstatt arbeiten 164 sehbehinderte Menschen, von denen etwa 20 Personen den Würzburger ÖPNV für den Weg zur Arbeit nutzen. Dabei stoßen sie auf viele Probleme. Vor allem Busfahren bereitet den Beschäftigten Schwierigkeiten. "Das Stehen im Bus ist anstrengender und gefährlicher, weil man leichter umfällt", sagt die Beschäftigte Annika von der Tann.

    Besonders gefährlich sei es, wenn der Bus nicht richtig an den Bordstein der Haltestelle ran fährt. Dann werde der Abstand zwischen Ausstieg und Bordstein oft falsch eingeschätzt. "Deshalb habe ich mir schon den Fuß verdreht", sagt von der Tann.

    "Menschen mit Behinderung sind finanziell eher auf kleineren Füßen und haben oft kein Auto. Daher ist der ÖPNV eine kostengünstigere Alternative zum Bewegen, über die man dankbar ist."

    Julian Wendel, Behindertenbeauftragter der Stadt Würzburg

    Trotz aller Herausforderungen nutzen diese Menschen den Würzburger ÖPNV gerne, weiß Julian Wendel. "Menschen mit Behinderung sind finanziell eher auf kleineren Füßen und haben oft kein Auto", sagt er. "Daher ist der ÖPNV eine kostengünstigere Alternative zum Bewegen, über die man dankbar ist."

    Ausblick: neue Straßenbahnen für Würzburg

    In Würzburg gibt es 85 Straba-Haltestellen, von denen maximal 70 rampentauglich sein können, erklärt Susanna Blum, Pressesprecherin der Würzburger Versorgungs- und Verkehrs-GmbH (WVV). Bis Ende 2021 "waren 55 Haltestellen so ausgestattet, dass dort die Rollstuhl-Klapprampen verwendet werden können." In diesem Jahr werden an weiteren sieben Haltestellen Umbaumaßnamen vorgenommen.

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    Auch neue Straßenbahnen sollen kommen. Im Januar 2018 gab der Würzburger Stadtrat seine Zustimmung für die Beschaffung von 18 neuen barrierefreien Niederflur-Straßenbahnen. Besonders die beiden großen Sondernutzflächen für Rollstühle, Kinderwägen und Fahrräder im Fahrgastraum sollen Erleichterung bringen.

    Doch "bis die neuen Straßenbahnen auf den Würzburger Schienen unterwegs sind, dauert es noch geraume Zeit, denn sie gibt es nicht von der Stange", informiert die WVV auf ihrer Homepage. Momentan ist die Auslieferung der neuen Straßenbahnzüge zwischen 2023 und 2024 geplant. Dem folgt die Genehmigung für die Inbetriebnahme durch die Technische Aufsichtsbehörde. Auch der Testbetrieb muss erst erfolgreich abgeschlossen werden, ehe ÖPNV-Nutzerinnen und -Nutzer die neuen Wagen gebrauchen können.

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