Zweimal jährlich kommen etwa 90 junge Südafrikaner nach Deutschland. Sie alle haben eine gemeinsame Ansprechpartnerin: Nicole Ip. Sie ist als Organisatorin beim „Freundeskreis Südafrika (FSA) Youth Exchange“ unter anderem für die Bundesländer Bayern und Hessen zuständig. Für sie ist es ein Fulltime-Job. Die 43-Jährige lebt zusammen mit ihrem Mann und ihren zwei Kindern in Würzburg. Nach ihrem Theologie-Studium wollte sie etwas mit jungen Menschen machen, das gleichzeitig ihr Fernweh stillt. Seitdem betreut sie deutsche und südafrikanische Schüler bei ihren vier- bis achtwöchigen Aufenthalten. Für den Austausch im Dezember fehlen jedoch noch rund 30 deutsche Gastfamilien.
Frage: Wieso engagieren Sie sich überhaupt für Austauschschüler?
Nicole Ip: Nur wenn ich noch Schüler bin, kann ich an Austauschprogrammen teilnehmen, bei denen ich in einer Gastfamilie untergebracht bin, zur Schule gehe und das Alltagsleben des Gastlandes richtig miterlebe. Als Student oder Rucksacktourist kann ich das nicht nachholen. Meine eigene Familie war Gastfamilie für südafrikanische Schüler. Später bin ich hingereist und habe Ende der 90er Jahre zusammen mit meinen südafrikanischen Partnern die Initiative aufgebaut.

Und warum ausgerechnet Südafrika?
IP: Vor allem, weil das Land sehr reizvoll ist. Ich möchte den Menschen Südafrika näher bringen, so wie es wirklich ist. Man sagt auch: Wenn man einmal in Südafrika war, kommt man immer wieder. Bei mir trifft das zu. Bei vielen Schülern erlebe ich das auch. Wenn man 'Afrika' hört, denkt man an ein exotisches Land. Aber wenn man in der Gastfamilie lebt, findet man schnell Ähnlichkeiten. Die Verständigung miteinander ist einfach, weil alle Südafrikaner sehr gutes Englisch sprechen.
Trotzdem ist Südafrika nicht Frankreich oder Italien. Wie steht es um das Verständnis für das Land?
IP: Es ist sehr unterschiedlich. Die einen haben ein Faible für das Land, weil sie schon privat oder auf Geschäftsreise dort waren. Und dann gibt es Menschen, die mit Südafrika oder Afrika im Allgemeinen nicht viel am Hut haben. Die zwar sagen, dass es sie reizen würde, aber eine Hemmschwelle haben. Da versuchen wir durch unsere Austauschprogramme aufzuklären.
Welche Aufgaben haben Sie noch?
IP: Ich kümmere mich um die Gastfamilien und bereite sie auf ihre jungen Gäste vor. Unter anderem ist die Erziehung in Südafrika autoritärer als bei uns. Jugendliche sind es nicht gewohnt, dass sie von den Eltern in Entscheidungen eingebunden werden. Wenn die Gastfamilie den Austauschschüler fragt, wie lange er ausgehen möchte, bekommt sie in der Regel keine Antwort. Ich gebe unseren Gastfamilien Tipps, wie sie damit gut umgehen. Es gibt auch Ähnlichkeiten wie Hobbys oder Musikgeschmack. Ich betreue die Schüler am Flughafen und bin Ansprechpartnerin während sie hier sind. Dasselbe mache ich für die deutschen Schüler, wenn sie nach Südafrika reisen.
Gibt es ein Erlebnis, an das Sie sich ganz besonders gern erinnern?
IP: Vor vielen Jahren kam eine deutsche Schülerin mit pinken Dreadlocks und Armeeoverall in eine konservative südafrikanische Familie. Die Gastfamilie war sehr skeptisch. Nach vier Wochen hat das Mädchen auch auf Wunsch der Familie ihren Aufenthalt verlängert. Am Ende sagte die Gastfamilie über sich, dass sie viel über sich selbst gelernt habe, was Toleranz und Aufgeschlossenheit angehe. Das erleben auch deutsche Gastschüler, wenn ein weißer Südafrikaner zu ihnen kommt und gefragt wird: 'Dein südafrikanischer Gast sieht gar nicht wie ein Afrikaner aus.' Sie lernen dadurch, wie man mit vorhandenen Klischees umgeht.
Wie genau läuft der Austausch ab?
IP: Bevor die Gastschüler kommen, nehmen sie mit den Familien Kontakt auf und bauen schon eine Beziehung zueinander auf. Mittlerweile läuft das über WhatsApp und Facebook. Wenn die Schüler in Frankfurt ankommen, fahren sie weiter zum Wohnort der Gastfamilie. Während des Aufenthalts lebt der Austauschschüler wie ein Familienmitglied. Es geht nicht darum, dass das Gastkind möglichst viele touristische Sehenswürdigkeiten sieht. Bei uns handelt es sich um einen Kulturaustausch und nicht um ein Touristenprogramm. Die Gastfamilie lebt ihr Leben im Prinzip ganz normal weiter.
Und wie sieht eine solche Gastfamilie aus?
IP: Die potenzielle Gastfamilie sollte ein 14- bis 18-jähriges Kind haben, aufgeschlossen sein und sich für fremde Kulturen interessieren. Auch die Kinder sollten Interesse am Austauschschüler haben und sich auf ihn freuen. Ansonsten rate ich den Eltern noch ein, zwei Jahre zu warten, bis ihr Kind vielleicht ein Interesse dafür entwickelt hat.

Ist es schwerer geworden, Gastfamilien zu finden?
IP: Ja. Aus Gesprächen mit Eltern höre ich oft zwei Gründe heraus. Bei vielen ist der Alltag relativ eng getaktet. Sie glauben, es sei schwierig, eine zusätzliche Person darin unterzubringen. Der andere Grund ist, dass die Eltern meinen, sie müssten viel leisten. Die Sorgen sind meistens unbegründet. In der Regel passen sich die Südafrikaner sehr gut an. Und beide Seiten profitieren voneinander.
Könnte die aktuelle Flüchtlingssituation auch ein Grund sein?
IP: Im vergangenen Jahr haben sich einige Familien stark in der Flüchtlingsarbeit engagiert und sind als Gastfamilien abgesprungen. Aber dass vermehrt Ängste vor Fremden entstanden sind, das erlebe ich in unserer Arbeit nicht.
Bis Ende Oktober werden Gastfamilien für Dezember gesucht. Interessierte können sich an Nicole Ip wenden unter: Tel. (09 31) 3 59 07 70; E-Mail: nicole@fsayouthexchange.de; Weitere Informationen unter: www.fsa-schüleraustausch.de