Biker die sich ihren Traum von einer dreiwöchigen Tour auf einer echten Harley Davidson durch Amerika erfüllen sind nichts Außergewöhnliches. Zu einer Besonderheit machen dies jedoch die Harley-Friends Würzburg aus Anlass ihres zehnjährigen Bestehens. Mit acht mehr oder weniger körperlich eingeschränkten Beifahrern starten sie am 30. Mai zu einem Trip, der sie im Sattel einer Harley in 18 Tagen über 3000 Kilometer durch die USA führen soll.
„Leute, lasst Euch Bärte stehen!“ forderte Peter Fuchs, Sprecher der Harley-Friends Würzburg, von den Teilnehmern der „Western-Dream-Tour 2016“ bei der Abschlussbesprechung im Gasthaus „Postkutscherl“. Hintergrund ist ein Date, das Fuchs bei Angel Delgadillo gebucht hat. Auf der legendären Route 66 betreibt er im kleinen Ort Seligman einen urigen Friseursalon mit Kultstatus in der Biker-Szene.
Eine Rasur in Angels Barber-Shop wird nach Fuchs´ Überzeugung aber nur eines von unzähligen Erlebnissen für die Tour-Teilnehmer. Allerdings wohl weniger für Janina Schaffeld und Dagmar Aimer, zwei von drei Betreuern der Lebenshilfe Würzburg für die Teilnehmer mit körperlichem Handicap.
Neben fünf Mitgliedern der Würzburger Harley-Friends nehmen an der Tour acht Behinderte im Alter zwischen 25 und 45 Jahren mit ganz unterschiedlicher körperlicher Beeinträchtigung teil.
Drei der Beifahrer hatten zuvor schon Kontakt zu den Harley-Friends, die sich im Jahr 2006 gegründet haben. Aktuell haben sie 23 Mitglieder aus der Region Würzburg. Körperlich gehandicapte Beifahrer nehmen die Biker in Zusammenarbeit mit der Lebenshilfe Würzburg schon seit 2011 zu gemeinsamen Ausfahrten mit. Daraus haben sich auch einige Freundschaften entwickelt.
Schon vor drei Jahren waren Mitglieder der Harley-Friends auf der gleichen Route unterwegs. „Das wäre etwas für unser Jubiläum – dann aber gemeinsam mit unseren behinderten Freunden“, hatte Peter Fuchs damals überlegt. Feuer und Flamme für die Idee war Holger Klüpfel. Der Harley-Fahrer ist bei der Lebenshilfe Würzburg unter anderem für den Bereich Urlaub und Freizeit zuständig.
Der Amerika-Trip war im nu ausgebucht – trotz beachtlicher Kosten von 5200 Euro pro Nase, plus Taschengeld. Dabei wird die Western-Dream-Tour nach Überzeugung von Peter Fuchs und Holger Klüpfel für alle Beteiligten eine Herausforderung.
Drei der Teilnehmer leiden an eingeschränktem Sehvermögen. Michael Bamford kann nur minimal hell und dunkel unterscheiden. „Nah geht nix. Auf die Entfernung kann ich aber zumindest Umrisse erkennen“, erzählt „Mich“. „Aber Englisch kann ich als Halbamerikaner! Da sollten sich alle mal bei der Tour schön an mich halten“, scherzt er.
„Ich möchte einfach nur geile Maschinen mit geilem Sound erleben!“
Björn Toennies Tour-Teilnehmer
Um mobil zu sein, ist Franz-Josef Pfister auf einen elektrischen Rollstuhl angewiesen. Für den Amerika-Trip musste ein spezielles, klappbares Gefährt her. Denn Platz ist knapp im Van, der als Begleitfahrzeug dient. Viel Gepäck ist da nicht drin. Den Van werden Janina und Dagmar abwechselnd steuern. So wie auch die Soziusplätze auf den Maschinen im Wechsel belegt werden.
Denn 3000 Kilometer sind auch im kommoden Sattel einer Harley nicht ohne. Je Motorrad und Biker sind zwei feste Mitfahrer vorgesehen. Je nach Tagesverfassung und körperlicher Fitness sollen sie sich bei bis zu 35 Grad auf dem Soziussitz abwechseln.
Anselm Weierich, der am Down-Syndrom leidet, hat mit den Harley-Friends schon Motorraderfahrung gesammelt. Er ist stolz, sich durch seinen Job in der Küche des Ehehalten-Haus in Würzburg den Amerika-Traum erfüllen zu können. Etwas ängstlich ist Anselms Mutter: „Was ist, wenn einer hinten drauf mal einschläft?“, fragt sie. Chef-Organisator Peter Fuchs ist entspannt: „No Problem! Die Harley hat einen komfortablen Sessel für den Sozius. Und wenn der Hintermann mal einnickt, dotzt sein Helm höchstens an den des Fahrers.“
Björn Toennies sieht's locker. „Ich möchte einfach nur geile Maschinen mit geilem Sound erleben“, ist sein Wunsch. Für Brigitte Michelbach wird es die erste USA-Reise. Erfahrungen auf dem Motorrad hat sie trotz ihrer Sehbehinderung schon mit ihrem Nachbarn gemacht.
Für Oliver Koch und seine Begleiter wird die Tour eine besondere Herausforderung, da er auf Medikamente angewiesen ist. Die müssen immer im Handgepäck sein, samt Dosierungsvorschrift.
Mit seiner Erfahrung aus vielen USA-Touren hat Peter Fuchs auch die aktuelle Reise mit Heinz Krauser über dessen Schweinfurter Reisebüro generalstabsmäßig geplant. Auch Jochen Heinrichs und Holger Spitzkowsky kennen die Route schon von der Tour 2013.
Mit Wolfgang Imhof ist ein erfahrener Amerika-Kenner der Road-Captain. Er führt den Tross auf 3000 Kilometern durch sieben Nationalparks, darunter Zion im Südwesten Utahs, das Monument Valley und der Grand Canyon.
Die Tour-Teilnehmer verabschieden sich am 29. April im Theater Augenblick im Industriegebiet Ost bei einem Sponsorentreffen. Per Flugzeug geht es am 30. Mai um 11.45 Uhr von Frankfurt über Atlanta nach Las Vegas. Dort endet die Bike-Tour auch am 16. Juni.
Dazwischen liegen Tagesetappen zwischen 150 und 450 Kilometern und jede Menge Geschichten, die sie bei ihrer Rückkehr am 17. Juni erzählen können.