Ein tierisches Drama spielte sich in den letzten Tagen in Estenfeld ab. In den Hauptrollen: eine Familie von Waldohreulen und ein Paar, dessen Garten sich die Eulen ausgesucht hatten, um ihren Nachwuchs auszubrüten und aufzuziehen. Die damit verbundenen nächtlichen Geräusche hatten die Menschen so sehr erzürnt, dass sie zu Steinen und dem Wasserschlauch griffen. Das Ergebnis: Die Eltern flüchteten in Panik und ließen ihren hilflosen Nachwuchs zurück. Als eines der Jungtiere tot gefunden wird, ist die Geschichte öffentlich.
„Ganz Estenfeld macht sich Sorgen um die abgemagerten Vögel“, berichtet Harald Dellert von der Staatlichen Auffangstation von Jürgen Färber für verletzte Greifvögel und Eulen in Oberdürrbach. Seit am Montag die tote junge Waldohreule gefunden wurde, die Polizei und Feuerwehr vor Ort waren und vier bis fünf Jungvögel eingefangen wurden, ist das Drama in der St.- Mauritius-Straße der Aufreger in Estenfeld.
Auslöser für die Aufregung im Dorf und den Einsatz der verschiedenen Organisationen sind das Paar, in dessen Garten das Eulen-Elternpaar im verlassenen Nest einer Elster ihren Nachwuchs ausgebrütet hatte. Die Gartenbesitzer haben das nächtliche laute und durchdringende Fipsen der jungen Eulen nicht ertragen. „Ich wollte die Vögel in meinem Garten vertreiben, um nachts wieder schlafen zu können“, verteidigt der Mann seine „Maßnahmen gegen die Ruhestörung“.
„Ganz Estenfeld macht sich Sorgen . . .“
Harald Dellert Eulen-Auffangstation
Dabei hätte er nur ein wenig Geduld haben müssen. Eulenexperte Färber erklärt: Bis die Jungvögel nach drei bis vier Wochen flügge werden, durchlaufen sie verschiedene Stadien. Wenn sie das Stadium der „Ästlinge“ erreicht haben, wagen sich die Jungen vom Nest weg in benachbarte Bäume. Damit das nachtaktive Elternpaar den Nachwuchs in der Nacht findet und Futter bringen kann, müssen die jungen Vögel laut rufen. Das kann laut Färber „in der Tat auf die Nerven gehen“. Allerdings dauere die Phase nur zwei Wochen.
„Eulen fliegen nur nach Gehör, da müssen die Jungtiere schon laut fiepsen. Es sind grelle, durchdringende Schreie und bei fünf bis sechs jungen Eulen muss das Elternpaar in einer Nacht 20 bis 25 Mäuse bringen, wenn die Brut ordentlich ernährt werden soll“, weiß Experte Färber.
Sicher scheint: Nachdem lautes Klatschen in der Nacht nichts genützt habe, ergriff der genervte Hausherr am Freitag und Samstag vergangener Woche drastischere Maßnahmen. Mit Lichtstrahlern, Steinwürfen und Stockschlägen ins Gebüsch und gezielten Wasserstrahlen aus einem Gartenschlauch soll er in den Abendstunden gegen die Eulen angerückt sein. Es sieht nach Meinung der Experten so aus, als ob er damit zwar die Elterntiere verjagen konnte, die „Ästlinge“ in den Bäumen ringsum können jedoch noch nicht weit fliegen.
Und weil sie ohne ihre Eltern hilflos und hungrig sind, schreien sie in der Nacht noch lauter nach Futter. Als er das hörte, hat ein Nachbar am Montag die Behörden um Hilfe gerufen. Der Gartenbesitzer habe keinerlei Einsicht gezeigt, „nachdem ich ihn zur Rede gestellt hatte“, erklärt der Nachbar. Waldohreulen stehen unter Naturschutz und auf der roten Liste. Er selbst habe Freude an den Eulen gehabt, seitdem er sie am 10. Mai zum ersten Mal im Garten nebenan entdeckt hatte.
Am Montag, als auf seine Initiative die Polizei anrückte und die Feuerwehr zum Nest hochstieg, um die jungen Vögel zu bergen, war die Aufregung groß. Leider war das Nest schon leer. Die Jungvögel sitzen in benachbarten Bäumen. Eine kleine Eule lag tot auf der Erde. Sie ist nach Färbers Ansicht verhungert oder aufgrund der Aktionen des genervten Hausbesitzers etwa durch die Wasserstrahlen gestorben.
Zwei junge Eulen sind mittlerweile gerettet worden und werden derzeit in der Auffangstation aufgepäppelt. „Die Jungvögel hatten riesigen Hunger, ein Tier hat ruck-zuck drei Mäuse gefressen“, berichtet Färber. Er hofft, dass die anderen zwei bis drei Jungeulen noch eingefangen und gerettet werden können. In seiner Auffangstation sei das Füttern und Auswildern „kein Problem“ und es dauere ja nur ein paar Wochen, bis die Waldohreulen flügge sein werden.
Der von den Naturschützern angegriffene Hausbesitzer betont, er sei aufgrund einer Krankheit angeschlagen und auf Ruhe angewiesen. Dass er ein Herz für Tiere habe, bewiesen Vogeltränken und Vogelhäuschen in seinem Garten. Er habe sich über die Drohungen seines Nachbarn mit einer Anzeige sehr geärgert, denn auf seinem eigenen Grundstück könne er „in die Hände klatschen oder in die Büsche schlagen“ und außerdem gelte für ihn: „Menschschutz steht doch wohl vor Vogelschutz“.
„Ich hoffe, dass die noch lebenden seltenen Tiere eingefangen werden oder in den nächsten zwei Wochen ungestört ihre Nahrung bekommen können, bis sie von den Eltern unabhängig sind und ihr eigenständiges Vogelleben leben dürfen“, so setzt sich der Nachbar für die kleinen Waldohreulen ein. Er hat bei der Polizeiinspektion Würzburg-Land aufgrund des Tierschutzgesetzes und Naturschutzgesetzes Anzeige erstattet und die Auskunft bekommen, dass seine Anzeige der Staatsanwaltschaft zur Prüfung vorgelegt wird.