Icon Menü
Icon Schließen schliessen
Startseite
Icon Pfeil nach unten
Würzburg
Icon Pfeil nach unten
Ochsenfurt
Icon Pfeil nach unten

Mitbringsel von der Wallfahrt zur Wies

Ochsenfurt

Mitbringsel von der Wallfahrt zur Wies

    • |
    • |

    Oben an der Westseite sieht man das Gelchsheimer Wappen mit dem Kreuz des Deutschherrnordens, zu deren Besitz der Ort gehörte. Ansonsten verkündet die schlichte Front Leid in Bild und Wort: In der Nische im Mittelpunkt steht die Schmerzhafte Mutter Gottes mit dem Schwert in der Brust, dem bildhaften Ausdruck ihrer Qualen. Über dem Portal erfahren wir in einer Inschrift den Grund ihrer Schmerzen: die Geißelung ihres Sohnes Jesus.

    Da ist nämlich zu lesen: aD honoreM chrIstI pro nobIs fLageLLatI

    (Zur Ehre Christi, der für uns gegeißelt wurde).

    Diese Inschrift hat der „Kappel“ ihren volkstümlichen Namen „zum Gegeißelten Heiland“ gegeben.

    Das Leid des Herren ist auch als Statue im Inneren der Kapelle zu sehen: oben in der Mitte des Altarbilds. Diese Figur ist aus Stein, während die übrige Ausstattung aus Holz ist.

    Der Gegeißelte Heiland, dessen Verehrung seine Wurzel in Evangelienberichten hat (Markus 14, 65; bes. Matth. 27, 26), ist im 18. Jahrhundert weit verbreitet. Am berühmtesten dürfte das von zwei Prämonstratenser-Mönchen im Jahre 1730 gefertigte wundertätige Gnadenbild sein, das zum Bau der Wieskirche bei Steingaden führte.

    Tatsächlich gab den Anstoß für den Bau der Gelchsheimer Kapelle eine Wallfahrt, die der hiesige Kreuzwirt Michael Oechsner 1749 „nach Wies“ unternommen hatte. Aus dem Chronogramm MDCLLLIIII werden wir auf das Baujahr 1754 gewiesen. Der Architekt der Kapelle war Franz Joseph Roth, dessen Epitaph in der Pfarrkirche St. Ägidius in die Wand rechts neben dem Eingang eingemauert ist.

    Einen gegeißelten Kreuzschlepper sehen wir auch an der Stadtpfarrkirche St. Kilian in Röttingen, von dessen Renovierung die Main-Post erst kürzlich (21. August 2008) berichtet hat. Die Portalinschrift kündet allerdings von einem mächtigen irdischen Schutzherrn.

    Die moderne Umschrift lautet:

    „Anno MDCLXIII sub eminentissimo domino nostro Iohanne Philippo, sanctae sedis Moguntinae archiepiscopo, sancti Romani imperii per Germaniam archicancelario, principe electore, episcopo Herbipolensi et Franciae orientalis duce, renovatum hoc templum sumptibus reverendi domini magistri Iohannis Kleim, huius loci parochi. Amplificatum et renovatum 1922. »

    Wenn wir den ersten lateinischen Satz übersetzen, müssen wir angesichts der vielen Titel des Landesherrn tief Luft holen, bis wir zum Verb gelangen: „Im Jahre 1663 wurde unter der Exzellenz unserem Herrn Johann Philipp, dem Erzbischof des Heiligen Sitzes in Mainz, dem Erzkanzler des Heiligen Römischen Reichs für Deutschland, dem Kurfürsten und Bischof von Würzburg und Herzog von Ostfranken, diese Kirche erneuert auf Kosten des hochwürdigen Herrn Magister Johann Kleim, des Pfarrers dieses Ortes. Erweitert und renoviert 1922.“

    Johann Philipp von Schönborn (1605 – 1673) war der Onkel von Lothar Franz (1655-1729), des Erbauers des Schlosses Weißenstein bei Pommersfelden. Aus seiner Verwandtschaft stammen auch die Würzburger Bischöfe Johann Philipp Franz (1719-1724) und Friedrich Carl (1729-1746), denen wir zum guten Teil die Residenz Würzburg verdanken.

    Johann Philipp war einer der Mächtigen im Reich. Als Erzbischof von Mainz (seit 1647) war er automatisch einer der sieben (seit 1648 acht) Kurfürsten, die den Kaiser wählten. Sein Kurfürstenamt war das des Erzkanzlers für das deutsche Reichsgebiet. Als Bischof von Würzburg, eine Würde, die er 1642 verliehen bekam, war er gleichzeitig (weltlicher) Herr von Ostfranken, das etwa dem heutigen Unterfranken bis zum Spessart entspricht.

    Johann Philipp betrachtete seine Kurwürde nicht nur als schmuckvollen Titel, sondern gestaltete die Reichspolitik maßgeblich mit. Vor allem suchte er die 1648 im Westfälischen Frieden ausgehandelten Kompromisse durchzusetzen, indem er zwischen den Interessen Frankreichs und des Kaisers in Wien lavierte. Er zeichnete sich durch eine für seine Zeit ungewöhnliche Toleranz aus: Er ließ die Hexenprozesse auf seinem Territorium verbieten und duldete evangelische Gottesdienste auf seinem Gebiet.

    Magister Johann Kleim, der sein Pfarramt an der Kilianskirche nur zwei Jahre ausübte (1660-1662), starb noch während der Renovierung. Seine finanzielle Zuwendung reichte offensichtlich nicht. Die Bürgerschaft musste nämlich 1662 in Würzburg 200 Gulden Kredit für die Erneuerungsmaßnamen aufnehmen. Damals wurde die Empore eingezogen und die meisten Altäre errichtet.

    Von einer weiteren Renovierung 1922 ( bis 1923) kündet eine schlichte lateinische Zeile am Ende. Nun wurde der Seitenbau und der hintere Teil des Hauptschiffes hinzugefügt.

    In dieser Zusatz-Inschrift lesen wir das U in der uns vertrauten Form, nicht als V, wie dies in anderen Inschriften häufig der Fall ist.

    Bleibt noch zur letzten Folge unserer Reihe nachzutragen, dass das Chronogramm des zweiten Verspaars in Gaukönigshofen ebenfalls das Jahr 1725 ergibt – was sonst!

    Literaturtipps

    F. Helmerich: Gelchsheim im Ochsenfurter Gau, Münsterschwarzach 1985, 298ff.

    Johann Philipp von Schönborn, Wikipedia 2008. M. Wieland: Röttingen, Würzburg 1904. Freundliche Hinweise gaben Herr Reichert aus Gelchsheim und Herr Köster aus Geißlingen.

    Kontakt: Dr. Hans-Ludwig Oertel, Email: hloertel@yahoo.com.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden