Die Dunkelheit kündet von der Herrlichkeit des Lichts. Mit diesen Worten leitete der britische Komponist Michael Tippett sein Friedensoratorium "A Child of Our Time" ein, das 1944 in London uraufgeführt wurde. Die Dommusik Würzburg erinnert mit diesem Werk an die Zerstörung der Stadt im Zweiten Weltkrieg. Das Konzert fand genau 80 Jahre nach der Bombardierung, am Sonntag, 16. März, im Kiliansdom statt.
Tippett knüpft musikalisch an die Barocktradition von Händel und Bach an, integriert aber auch moderne Spirituals anstelle lutherischer Choräle. Somit klingt das Werk moderner, als man es von einem Oratorium erwarten würde. Im Zentrum steht Herschel Grynszpan, der 1938 in Paris den deutschen Diplomaten Ernst vom Rath erschoss – ein propagandistischer Vorwand für die Novemberpogrome. Grynszpan floh aus Hannover, während seine Familie nach Polen deportiert wurde.
Der Klang einer Kirche
Die musikalische Leitung übernahm Alexander Rüth, Domkapellmeister an der Kathedralkirche St. Kilian in Würzburg. Der traditionsreiche Würzburger Domchor, dessen Wurzeln bis ins Jahr 1821 reichen, und die noch frische Junge Domkantorei Würzburg, die Rüth 2022 neu formierte, bildeten gemeinsam einen beeindruckenden Chor – das Herzstück des Werks. Es spielte außerdem das Kammerorchester Camerata Würzburg.
Ein hochkarätiges Solistenquartett prägte die Aufführung: Die Sopranistin Elizabeth Llewellyn übernahm die Rolle der "Mutter", Julia Rutigliano interpretierte die Alt-Partie, unter anderem als "Tante". Der Tenor Jonathan Stoughton trat in der Rolle des "Knaben" auf, während Uwe Schenker-Primus als Bass den Erzähler interpretierte.
Der Klang des Doms ist einfach umwerfend. Vor allem Llewellyn verstand sich darauf, mit dem gewaltigen Hall zu spielen und in ihren Gesang zu integrieren. In der letzten Passage teilte sich auch noch der Chor auf und sang von den Seiten des Kirchgestühls, um einen raumfüllenden Effekt zu erzeugen.
Nach dem Konzert, das aus atmosphärischen Gründen ohne Applaus endete, versammelte sich das Publikum auf dem Domplatz. Doch nicht nur die Konzertbesucher fanden sich ein: Hunderte Würzburgerinnen und Würzburger füllten die Straßen und bildeten ein eindrucksvolles Meer aus Menschen und Kerzen. Das Mahnläuten des Doms hallte in tausendfachem Echo durch die Domstraße.
Anschließend ergriffen zwei Sprecher das Wort: Bischof Franz Jung und Bürgermeister Christian Schuchardt erinnerten an die Verbrechen der Nationalsozialisten, die Zerstörung Würzburgs und die Opfer des Zweiten Weltkriegs. Sie mahnten zugleich vor den Gefahren des Nationalismus, dessen Wiedererstarken uns auch heute vor Herausforderungen stellt.