Sieben barocke Kopien der heiligen Lanze sind bekannt, sagt Pfarrer Klaus Oehrlein. Zwei davon befinden sich in Ochsenfurt. Oehrlein hat umfangreich recherchiert und allerlei Kurioses in einer Sonderausstellung zum „Jahr des Glaubens“ zusammengetragen.
Eine Waffe, die Allmacht verleiht, von der magische Kräfte ausgehen – die heilige Lanze, versehen mit einem Nagel von der Kreuzigung Jesu, ist solch eine Waffe. Der römische Soldat Longinus soll Jesus am Kreuz damit die Seite durchstoßen haben, um dessen Tod festzustellen. Ihr Besitzer galt als vom Allmächtigen zum Herrscher berufen. Sie avancierte zu den Reichskleinodien der deutschen Kaiser.
Historisch ist die Geschichte nicht haltbar. Im Jahr 922 tauchte das vermeintliche Original erstmals auf. Wie die übrigen Reichskleinodien befindet es sich in der Schatzkammer der Wiener Hofburg. Die hölzernen Kopien stammen aus der Barockzeit. Die Kraft, die ihnen zugesprochen wurde, haben sie aus der Berührung mit dem Original bezogen.
Weisungen
Als Passionsreliquien haben sie vor allem im Mittelalter Furore gemacht. Auf Bitte Kaiser Karl IV. war 1354 gar das „Fest der heiligen Lanze und der Nägel vom Kreuz des Herrn“ eingeführt worden – für den zweiten Freitag nach Ostern. Sogenannte feierliche „Weisungen“ fanden zunächst auf dem Karlsplatz in Prag für große Pilgerscharen statt, ab 1424 auf dem Hauptmarkt in Nürnberg, wohin die Reichskleinodien wegen der Hussitenkriege gebracht wurden.
Während das gewöhnliche Volk die besonderen Kräfte der heiligen Lanze mit Spiegeln auf sich zu lenken versuchte, durften ausgewählte Persönlichkeiten die Lanze gegen Entgelt berühren, berichtet Oehrlein. Vielerlei Belege und Objekte wie Pilgerzeichen und Andachtsbildchen hat er zusammengetragen, die die Geschichte dieser Verehrung belegen – bis in die jüngste Zeit, zu Hitler mit seiner Idee der Weltbeherrschung oder dem Hollywood-Film „Indiana Jones and the Spear of Destiny“.
In der byzantinischen Liturgie spielt die Lanze auch heute noch am Altar bei jeder Eucharistiefeier eine Rolle, welche mit der Durchstechung der Hostie gefeiert wird. Und auch die Symbolik der Herz-Jesu-Verehrung hängt eng mit der Verehrung der heiligen Lanze zusammen, wie Oehrlein aufzeigt.
Dass das Wiener Original im Kern nicht die Tatwaffe bei der Kreuzigung, sondern eine karolingische Flügellanze ist, um 780 gefertigt, wurde 1925 belegt. Mit vielerlei Veränderungen erhielt sie schließlich die aktuelle Form mit Silber- und Goldmanschette. Drei Lanzenspitzen – hölzerne Kopien – der heiligen Lanze zeigt Oehrlein in der Tückelhäuser Ausstellung: Es sind die Exemplare aus der Kreuzbergkirche Hallerndorf (Forchheim), aus der Stadtpfarrei St. Andreas in Ochsenfurt und sein eigenes, vor zwei Jahren bei einer Kunstauktion aus einer süddeutschen Sammlung erworbenes Exemplar.
Die Datierung lässt, abgeleitet von anderen Belegen, auf eine Fertigung zwischen 1700 und 1750 schließen. Oehrlein geht davon aus, dass es sich möglicherweise sogar um so etwas wie Massenware handelte. Zum Ochsenfurter Exemplar, das 1799 in die Kreuzkirche gekommen sein soll, gibt es jedenfalls ein Futteral mit folgender Inschrift: „Wahre Abbildung des Speers mit welchem unserem Heiland Jesu seine heilige Seite geöffnet wurde.“
Die Sonderausstellung zum Abschluss des „Jahr des Glaubens“ im Kapitelsaal des ehemaligen Kartäuserklosters in Tückelhausen ist noch bis zum Sonntag, 27. Oktober, jeweils zu den Öffnungszeiten des Kartäusermuseums, Samstag und Sonntag von 14 bis 17 Uhr, zu sehen.