Hinter ihrem Haus stoppte der Zug, durch Melanie Göttles Garten in Heidingsfeld flüchteten die Insassen, durch ihre Straße ging der Attentäter: Die Bilder dieses einen Abends vor vier Wochen haben sich eingebrannt.
„Schlecht“, sagt die 44-Jährige auf die Frage, wie es ihr einen Monat später geht. Sie wird nicht fertig mit dem, was sie am Abend des 18. Juli gesehen hat. Die Schwerverletzten, das Blut, die Reisenden unter Schock. Melanie Göttle und ihr Partner Günter Karban hatten den Weg durch ihren Garten in Würzburg-Heidingsfeld frei gemacht für die Rettungskräfte, hatten geholfen, wo sie konnten. Seitdem hat die 44-Jährige massive Schlafstörungen, leidet an Ängsten, kann nicht im Garten bleiben, wenn ein Zug das Grundstück passiert. „Ich sage mir ja immer wieder, dass so was bei uns kein zweites Mal passiert. Aber es nützt nichts.“
Das Attentat hat das Leben der 44-Jährigen verändert. „Nichts ist mehr so, wie es war.“ Ihren Nebenjob bei einer Taxizentrale hat Göttle aufgegeben. „Ich kam da immer erst um 3.30 Uhr nach Hause, jetzt würde ich mich um diese Zeit nicht mehr aus dem Auto trauen“. Ein Weinfest hat sie seit dem 18. Juli nicht mehr besucht, weil sie Menschenansammlungen meidet. Ihren elfjährigen Sohn hat sie nicht zum Wandertag und nicht zum Schwimmfest gehen lassen. „Und als wir neulich im Kino waren, hab ich ganz genau geschaut, wer noch in den Saal geht.“
Die Bilder in Melanie Göttles Kopf „lassen sich nicht ausradieren“. Um wenigstens einen Schleier darüber zu legen, wollte sie die verletzte chinesische Familie in der Klinik besuchen. „Ich wollte sehen, dass es den Leuten besser geht.“ Aber man habe sie nicht zu den Patienten gelassen.
In Heidingsfeld, sagt die 44-Jährige, spreche kaum noch jemand über das Attentat. Auch in ihrer Nachbarschaft sei „das alles nur noch selten ein Thema“. In ihrer Familie aber ist die Bluttat allgegenwärtig. Ihr Partner komme ganz gut mit dem zurecht, was er am 18. Juli erlebt hat. „Aber er weiß, wie sehr ich belastet bin und deshalb reden wir viel darüber.“
Melanie Göttle ist klar, dass sie therapeutische Hilfe braucht, um ihr Trauma zu verarbeiten. „Ich habe aber erst im November einen Termin bekommen.“