Icon Menü
Icon Schließen schliessen
Startseite
Icon Pfeil nach unten
Würzburg
Icon Pfeil nach unten
Stadt Würzburg
Icon Pfeil nach unten

WÜRZBURG: Nach der Trennung: Wenn Papa „Hü“ sagt und Mama „Hott“

WÜRZBURG

Nach der Trennung: Wenn Papa „Hü“ sagt und Mama „Hott“

    • |
    • |

    Verwandelt sich Liebe zwischen zwei Elternteilen in Hass, trifft das nicht nur das Kind. Auch Kita, Schule und Ärzte geht es etwas an, wenn eine Familie zerbricht. Das erläuterte Gretel Diehl, Vorsitzende Richterin beim Oberlandesgericht Frankfurt, vor rund hundert Teilnehmern von Würzburger Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen beim „Forum Jugendhilfe“ des Kreisjugendamts Würzburg.

    Eines von Diehls Beispielen: Plötzlich steht Onkel Peter vor der Kita-Tür. Er möchte den kleinen Leon abholen. Seine Mama sei verhindert. Aber Leons Eltern hassen sich. Leons Papa lehnt inzwischen die ganze Familie seiner Ex-Frau ab. Inklusive Onkel Peter. Was soll nun die Erzieherin tun? Darf sie Leon mitgeben? Die Antwort lautet ganz klar: „Nein!“, erklärte Gretel Diehl. Richtig handeln können Erzieherinnen aber in einem solchen Fall nur, wenn sie erstens die Familie und zweitens alle Sorgerechtsaspekte kennen.

    Diehl zufolge haben in aller Regel beide Eltern das Sorgerecht. Was bedeutet: Trotz aller gegenseitigen Abneigung müssen sich Papa und Mama ständig einigen. In welche Kita geht das Kind? Wer holt es nachmittags ab? Wo soll es eingeschult werden? Soll es geimpft werden? Wird eine empfohlene Operation befürwortet?

    Haben beide Eltern das Sorgerecht, müssen beide ohne Unterschied behandelt werden. Was sich in der Praxis für Einrichtungen oft als schwierig gestaltet. Denn nur zu gern wird versucht, Erzieherinnen, Lehrer und Ärzte vor den eigenen Karren zu spannen. „Die Gefahr, instrumentalisiert zu werden, ist riesig groß“, betonte Diehl. Da ist zum Beispiel die geschiedene Mutter, die der Erzieherin im Elterngespräch anvertraut, wie schwierig ihre aktuelle Familiensituation ist: Die Kinder, die ihr neuer Freund in die Partnerschaft brachte, sind höchst problematisch. Einer nässt immer noch ein. Ein anderer hat massive Schulprobleme: „Aber sagen sie davon bloß nichts meinem Ex-Mann!“

    Viele Erzieherinnen zögern hier. Ist der Wunsch der Mutter nicht verständlich? Muss der Vater des Kindes wirklich wissen, wie es in der neuen Familie seines Kindes zugeht? „Ja, er hat das Recht!“, betonte Diehl. Deshalb sollte sich die Erzieherin weigern, Verschwiegenheit zuzusichern: „Natürlich machen Sie sich damit nicht beliebt bei den Eltern.“ Doch darum gehe es nicht. Es gehe allein um das Wohl des Kindes. Und unter dem Blickwinkel „Kindeswohl“ betrachtet, sei es für einen Vater sehr wohl relevant, zu wissen, welchen Belastungen das Kind in seiner neuen Familien ausgesetzt ist.

    Immer wieder können grundlegende Entscheidungen nicht getroffen werden, weil hochstrittige Eltern nicht imstande sind, sich zu einigen: „Wenn der eine Hü sagt, sagt der andere prinzipiell Hott.“ In diesen Fällen können das Jugendamt oder das Familiengericht eingeschaltet werden.

    Hermann Gabel als Leiter des Amtes für Jugendliche und Familie im Landratsamt Würzburg informierte darüber, dass das Jugendamt bei Trennung oder Scheidung von Eltern zu den Themen Ausgestaltung der elterlichen Sorge, Regelung des Umgangs und Kindeswohl psychosoziale Beratung anbietet. „Dabei können Eltern auch zum Wohle ihrer Kinder lernen, die Ex-Partnerebene strikt von der Elternebene zu trennen!“, betonte Gabel. Eltern trügen die Hauptverantwortung für die gedeihliche Entwicklung ihrer Kinder. „Deshalb brauchen wir auch beide im Boot.“ Dass dies leider nicht immer gelingt, zeigt Gabel zufolge das Ansteigen von hochstrittigen Fällen. Immer öfter muss Gabel zufolge die Familiengerichtsbarkeit informiert werden.

    Diehl: „Das Familiengericht kann einem Elternteil die Alleinentscheidungsbefugnis übertragen und notfalls sogar die Entscheidung beider Eltern ersetzen, und zwar sehr schnell.“ Kommen Mama und Papa nicht auf einen Nenner, könne das Gericht jede Art von Entscheidung treffen - vom Schulbesucht bis etwa zur Frage, ob das Kind der Empfehlung einer Einrichtung zufolge einem Psychiater vorgestellt wird.

    Oft lassen sich Erzieherinnen oder Lehrkräfte von der Souveränität blenden, mit der ein Elternteil, in den meisten Fällen die Mutter, auftritt. Der Vater ist nie präsent, man hört nichts von ihm. Was ist in solchen Situationen zu tun? Einrichtungen müssen die Mutter des Kindes auf jeden Fall nach dem Kindsvater fragen, betonte Diehl: „Und es muss dokumentiert werden, dass man diese Frage gestellt hat und was die Antwort war.“

    Gibt die Mutter die Adresse heraus, muss der Vater angeschrieben werden. Reagiert er nicht, wird ihm in einem zweiten Schreiben mitgeteilt, dass man aufgrund seines Stillschweigens davon ausgeht, dass er einverstanden ist, dass die Mutter, die von Seiten der Einrichtung informiert wird, ihm die Informationen weitergibt. Gibt es keine Adresse, müssten Erzieherinnen allerdings auch nicht „Detektiv spielen“.

    Natürlich können getrennt lebende Eltern mit gemeinsamen Sorgerecht nicht jede banale Entscheidung zusammen fällen, weshalb die Person, bei der das Kind lebt, nach dem Gesetz die Alltagssorge hat, also allein entscheidet, was es zum Frühstück isst oder mit wem es heute spielt. Diese Alltagssorge allerdings greift nicht, wenn das Kind mal bei Mama, mal bei Papa lebt: „Im sogenannten Wechselmodell müssen sich die Eltern permanent über alles einigen.“

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden