Schwere Vorwürfe hat das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ in seiner Samstagsausgabe gegen einen hochrangigen Geistlichen der Diözese Würzburg erhoben. Der Geistliche, der zunächst Personalreferent und in späteren Jahren Missbrauchsbeauftragter des Bistums Würzburg war, soll im Jahr 1988 eine damals 17-jährige zum Oralverkehr gezwungen haben – und zwar in Räumen des Diözesanexerzitienheim Himmelspforten.
Im dreiseitigen „Spiegel“-Bericht mit dem Titel „So ein bisserl liebevoll“ werden nicht nur Vorwürfe gegen den Geistlichen erhoben, sondern auch gegen das Bistum Würzburg und das Kirchengericht in München. „Das mutmaßliche Opfer muss auf die Aufklärung der Vorwürfe verzichten. Ebenso auf den Beistand der Kirche“, heißt es im „Spiegel“. Bis heute habe dem Opfer niemand aus der Bistumsspitze beigestanden. Dabei ist laut Spiegel der Vorfall dem Bistum seit 2012 bekannt.Zu den im „Spiegel“ erhobenen Vorwürfen hat in der Nacht zum Ostersonntag das Bistum nun eine lange Stellungnahme abgegeben.
Strafrechtsprofessor Klaus Laubenthal, der heutige Missbrauchsbeauftragte der Diözese, war seit November 2012 mit dem Fall beschäftigt. Damals hatte erstmals Kontakt zu den Eltern der Frau. Laubenthal bestätigt am Karsamstag gegenüber dieser Redaktion: Alle Angaben, die im Zusammenhang mit seiner Person im „Spiegel“-Bericht stehen, stimmen. Demnach ist er aus allen Wolken gefallen, als er die schriftlich verfassten Vorwürfe der Frau im Januar 2014 gelesen habe.
Er habe ihre Angaben überprüft und sei zu den Schluss gekommen, „dass tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht eines sexuellen Missbrauchs an einer minderjährigen Person“ vorliegen. Der Beschuldigte habe die Tat in einer ersten schriftlichen Stellungnahme sogar „beinahe“ zugegeben mit dem Satz: „Als Ort eines missbräuchlichen Übergriffs käme wohl nur Himmelspforten infrage“. Ebenso, dass er am 17. September 1988 tatsächlich eine Weile allein mit dem Mädchen in einem Raum gewesen sei. Er habe sich sogar – über zwei Jahrzehnte später – daran erinnern können – was die damals 17-Jährige anhatte. Jeden sexuellen Übergriff habe er jedoch bestritten.
„Die Diözese Würzburg und Bischof Hofmann weisen die im ,Spiegel‘-Bericht geäußerten Vorwürfe zurück“, heißt es auf Nachfrage dieser Redaktion. „Der Diözese Würzburg und Bischof Hofmann ging es von Anfang an um eine saubere und minutiöse Aufarbeitung“, teilte Pressesprecher Bernhard Schweßinger am Samstag mit.
Nach Gesprächen mit der Frau und dem Beschuldigten habe Professor Laubenthal die Einleitung einer kirchenrechtlichen Voruntersuchung empfohlen. Diese sei, so die Diözese, sofort in die Wege geleitet und – wegen der Gefahr der Befangenheit der Würzburger Richter – in München durchgeführt worden. „Der Beschuldigte war in seinen Aussagen klar und konstant, dass der Vorwurf in keiner Weise zutrifft“, schreibt Schweßinger. Daran habe sich nichts geändert. „Dem beschuldigten Priester vertraut der Bischof voll, ohne dass dies Einfluss auf das Verfahren gehabt hätte.“
Auf ihrem Internetblog schreibt Claudia Adams, die sich in dem Recherchenetzwerk „MissBiT“ gegen Missbrauch engagiert, an den Beauftragten der Deutschen Bischofskonferenz für Fragen sexuellen Missbrauchs, Bischof Stephan Ackermann. Sie sagt, die Frau aus dem Bistum Würzburg habe sich Ende Januar 2016 an sie gewandt und kritisiert die von Ackermann versprochene „Aufklärung“ der Missbrauchsfälle heftig.
In einer früheren Fassung dieses Artikels hatten wir in der Überschrift geschrieben: "Ein Missbrauchsbeauftragter als Täter". Diese Überschrift kam einer Vorverurteilung des Beschuldigten gleich, für den aber nach wie vor die Unschuldsvermutung gilt. Wir bitten den Fehler zu entschuldigen.