Die Wahl von Thomas Kemmerich zum Ministerpräsidenten von Thüringen mithilfe der Rechtsaußen-Partei AfD sorgt auch nach dem Rücktritt des FDP-Politikers weiter für Wirbel. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) vermisst eine klare Distanzierung der Liberalen in Unterfranken von den Vorgängen in Erfurt und droht, die Zusammenarbeit mit den regionalen Vertretern der Partei einzustellen. Und Staatsministerin Dorothee Bär ist mit ihrem Kemmerich-Glückwunsch bei Twitter trotz der schnellen Löschung zum Feinbild einiger FC-Bayern-Fans avanciert.
FDP-Bezirkschef Karsten Klein (Aschaffenburg) hatte im Gespräch mit dieser Redaktion gesagt, er sehe die Wahl von Kemmerich positiv. Ein Ministerpräsident der FDP sei "allemal besser als einer der SED-Nachfolgepartei", also der Linkspartei. Dass der Bundestagsabgeordnete in seinem Statement die Wahl "von Björn Höckes Gnaden" mit keinem Wort problematisierte, findet DGB-Regionalgeschäftsführer Frank Firsching "irritierend". Der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften in Unterfranken seien sich einig, "dass es keine Zusammenarbeit mit einer Partei geben kann, die auf eine mittelbare oder unmittelbare Kooperation mit der AfD setzt", schreibt Firsching in einem offenen Brief an Klein. Darin fordert er den FDP-Bundestagsabgeordneten auf, Stellung zu beziehen. Von dieser Rückmeldung mache es der DGB abhängig, ob er die Zusammenarbeit mit der FDP aufkündige, so Firsching, der selbst für die Linkspartei im Schweinfurter Stadtrat sitzt.

"Selbstverständlich werden wir dem DGB eine Stellungnahme zukommen lassen und das persönliche Gespräch suchen", so Klein auf Nachfrage. Die Haltung der FDP in Unterfranken sei eindeutig. "Es gab und wird für die FDP Unterfranken niemals eine Zusammenarbeit mit der AfD geben." Die Äußerungen von vergangener Woche halte er nicht aufrecht. Kemmerich hätte sich nicht mit Stimmen der AfD wählen lassen dürfen. Der Entschuldigung seines Parteichefs Christian Lindner für das Verhalten seiner Parteifreunde in Thüringen schließe er sich an, so Klein.

Derweil muss die 650 Mitglieder starke Unterfranken-FDP aufgrund der Ereignisse in Thüringen den "einen oder anderen Austritt" hinnehmen, bestätigt der Bundestagsabgeordnete. Angriffe auf FDP-Parteibüros wie in anderen Bundesländern gab es in der Region jedoch nicht. Am Abend der Kemmerich-Wahl hatten in Würzburg lediglich rund 100 Menschen spontan gegen das Wahlverhalten der Liberalen demonstriert. "Durchweg friedlich", wie die Polizei betont.
Grüne und Bayern-Fans kritisieren Bär
Für Unverständnis hatte nach der Thüringen-Wahl auch ein Glückwunsch-Tweet an Kemmerich seitens der stellvertretenden CSU-Vorsitzenden Dorothee Bär (Ebelsbach) gesorgt. Nachdem heftige Kritik aufkam, löschte die Staatsministerin im Kanzleramt den Kommentar schnell. Der Tweet sei ein "Fehler" gewesen, bekannte Bär im Gespräch mit dieser Redaktion und unterstrich dabei ihren politischen Kampf gegen Rechtsextremismus und rechtspopulistische Parteien.

Eine Distanzierung, die offensichtlich nicht jedem reicht. So fordern die Grünen im Landkreis Haßberge den "sofortigen Rücktritt" der CSU-Politikerin "aus einem von Steuergeldern hoch bezahltem Amt". Von der Staatsministerin für Digitalisierung sei außer "Flugtaxis und unzähligen Tweets und Posts" nichts zu hören. Nun komme auch noch der Glückwunsch an Kemmerich hinzu, "auch wenn dieser Tweet relativ schnell gelöscht wurde".
Heftige Kritik erntet die Unterfränkin auch von sogenannten Ultra-Fans des FC Bayern München. Beim deutschen Fußballrekordmeister ist Bär seit knapp einem Jahr Mitglied des Verwaltungsbeirats. "Schleich di aus unserm Verein!" heißt es unter anderem auf einem Banner, das während des Bundesliga-Spiels gegen Leipzig in der Allianz Arena in der ersten Halbzeit zu sehen war. Münchner Zeitungen werteten dies ebenfalls als Kritik am Kemmerich-Tweet der Staatsministerin. Bär selbst wollte auf Nachfrage weder die Grünen-Forderung noch das Fan-Banner kommentieren.