Seit Anfang des Jahres 2022 wird das Berufsförderungswerk Würzburg gGmbH (BFW) in Veitshöchheim mit seinen 110 Mitarbeitern und 170 Teilnehmern von einer Frau geführt, die seit Geburt blind ist. Judith Faltl wurde von der Versammlung der zwölf Gesellschafter des BFW im Bewerbungsverfahren für die Position der Geschäftsführung ausgewählt. Diese hatte zuletzt Karsten Hohler vier Jahre inne, bis er Ende 2021 in den Ruhestand ging.
Ihre schulische und berufliche Grundbildung erwarb die 52-jährige an verschiedenen Spezialeinrichtungen für blinde und sehbehinderte Menschen. Über ein internationales Programm besuchte sie die Overbrook School in Philadelphia USA und qualifizierte sich anschließend weiter zur IT-Kauffrau. Ins Arbeitsleben startete sie 1992 als Programmiererin.
Zuletzt IT-Beraterin in Automobilbranche
Zugunsten ihrer neuen Aufgabe als Geschäftsführerin gab sie ihre bisherige hauptberufliche Tätigkeit im IT-Sektor auf. Zuletzt hatte sie als Senior IT Consultant bei der internationalen Unternehmensgruppe "msg group It" mit Sitz in Ismaning die Kunden aus der Automobilbranche über den Einsatz intelligenter IT- und Branchenlösungen beraten.
In der Digitalisierung sieht sie eine große Chance für inklusive Arbeitswelten. "Alles, was am PC stattfindet, können Blinde und Sehbehinderte für sich nutzen, sofern Barrierefreiheit gewährleistet ist", sagt Faltl, die selbst ein Paradebeispiel für diese Inklusion ist.
IT alleine füllte sie aber nicht aus. Sie wollte auch ehrenamtlich etwas tun, was blinden und sehbehinderten Menschen und ihren Angehörigen zugutekommt. So kam sie zur Blinden- und Sehbehindertenselbsthilfe in Bayern (BBSB), deren Vorsitzende sie seit 2003 und auch weiterhin ist. Bereits seit 2015 setzt sie sich als Nachfolgerin von Otto Umscheid auch als Aufsichtsratsvorsitzende des BFW für die nahtlose Wiedereingliederung blinder und sehbehinderter Erwachsener in das berufliche und gesellschaftliche Leben ein. Für ihren langjährigen Einsatz verlieh ihr der Bundespräsident am 2019 das Bundesverdienstkreuz.
20 Jahre politische Netzwerkarbeit
Ihren Wissens- und Erfahrungsschatz aus 30 Jahren IT-Tätigkeit und 20 Jahren politischer Netzwerkarbeit in der Blinden- und Sehbehindertenselbsthilfe will sie nun in das BFW einbringen. Denn die Corona-Pandemie bestärkte auch im BFW die Digitalisierungswelle.
Der Geschäftsführerin ist bewusst, dass sie als blinder Mensch nie alle Tätigkeiten innerhalb ihres Berufsbildes ausüben kann. Sie verfügt zwar als langjährige Aufsichtsratsvorsitzende über hervorragende Insiderkenntnisse, um ein solches Unternehmen wie das BFW als blinder Mensch führen zu können, müsse sie sich auf viel Kompetenz im Haus verlassen. Sie sieht ihre Aufgabe als Geschäftsführerin darin, die Fäden zusammenzuführen und zu steuern, die Struktur immer wieder neu auszurichten, Prioritäten festzulegen, und Lösungen zu entwickeln, wenn es irgendwo klemmt.
Gelernte Softwareentwicklerin
Die Technik ist ihr zwar eine große Hilfe, so dass sie als gelernte Softwareentwicklerin sehr viel am PC machen kann. Das BFW sei aber bis auf Rechnungs- und Personalwesen noch viel papiergeprägt, so dass sie die Unterstützung ihrer Büroleiterin Barbara Spanheimer braucht, in dem diese ihr Unterlagen vorliest oder einscannt, damit sie sie elektronisch verarbeiten kann.
In ihrem ersten Monat als Geschäftsführerin im BFW war ihr noch Manfred Gerlinger als Leiter operative Geschäftsfelder eine wertvolle Hilfe. Nach 40-jähriger Tätigkeit für das BFW trat er nun Ende Januar in den wohlverdienten Ruhestand.
