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WÜRZBURG: Neue Studie: 4000 statt 5000 Tote am 16. März 1945?

WÜRZBURG

Neue Studie: 4000 statt 5000 Tote am 16. März 1945?

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    Wenn der Kulturausschuss zustimmt, soll die Anlage um das Denkmal von Fried Heuler am Hauptfriedhof nach einem Entwurf von Matthias Braun zu einem „Park des Gedenkens“ umgestaltet werden.
    Wenn der Kulturausschuss zustimmt, soll die Anlage um das Denkmal von Fried Heuler am Hauptfriedhof nach einem Entwurf von Matthias Braun zu einem „Park des Gedenkens“ umgestaltet werden. Foto: Visualisierung: Matthias Braun

    „Opferzahl des 16. März dürfte bei 4000 liegen. Mehr wird durch die Quellen nicht gestützt.“

    Historiker Hans-Peter Baum in seiner neuen Studie

    Der Tag des Bombenangriffs auf Würzburg am 16. März 1945 ist der Gedenktag schlechthin im kollektiven Gedächtnis der Stadt. Ein Gutachten stellt jetzt die Opferzahl von 5000 Toten in Frage.

    Die Formen des Gedenkens haben sich seit den schrecklichen Ereignissen von damals im Lauf der Jahrzehnte verändert. Dazu gehört auch die Gestaltung von Denkmälern und ihres Umfeldes. Deshalb wurde im Rahmen des „Dialogs Erinnerungskultur“ angeregt, die Denkmalanlage am Hauptfriedhof zu einem „Park des Gedenkens“ umzugestalten. Das soll der Schul- und Kulturausschuss an diesem Mittwoch, 20. Juli, beschließen.

    Zentraler Bestandteil dabei ist die Aufstellung von Glasplatten, in die – so weit bekannt – die Namen der im dortigen Massengrab beigesetzten Opfer des Bombenangriffs eingraviert werden sollen. Die Glasscheiben sollen rund um das 1954 errichtete Denkmal von Fried Heuler platziert werden.

    Doch zunächst einmal musste eine wissenschaftliche Untersuchung durchgeführt werden, um die Zahl der im Massengrab beigesetzten Toten und deren Namen zu ermitteln. Damit wurde der Würzburger Historiker Hans-Peter Baum beauftragt, der sowohl zu dieser Fragestellung als auch zur Gesamtzahl der Toten des 16. März 1945 umfassende Untersuchungen angestellt hat – mit zum Teil überraschenden Ergebnissen.

    In einer umfangreichen Studie hat Baum, der von 1987 bis 2008 am Stadtarchiv das Dokumentationszentrums für jüdische Geschichte und Kultur in Unterfranken leitete, die Gesamtzahl der Opfer des 16. März 1945 untersucht.

    Darin schreibt er, dass „schon relativ früh in den Nachkriegsjahren die Zahl von 5000 Todesopfern dieser einen Nacht gewissermaßen kanonischen Rang erreicht hat; eine Zahl, die seitdem in sehr vielen Gedenkreden und -veröffentlichungen wiederholt, auch in wissenschaftlichen Publikationen unreflektiert verwendet wurde“, aber in der öffentlichen Wahrnehmung „Geltung als fraglos anerkannte Tatsache gefunden hat“.

    In Hans Oppelts Buch „Chronik vom denkwürdigen Jahr 1945“, das eine Liste von 2824 Kriegsopfern enthält, werde zwar die Zahl von 5000 Opfern einmal genannt, jedoch nicht allein als Zahl der Opfer der Bombennacht. Vielmehr beziehe Oppelt diese Zahl auf alle Kriegshandlungen in und um Würzburg, nämlich vom Beginn der Luftangriffe am 4. Februar 1945 bis zur abschließenden Einnahme der Stadt am 6. April 1945.

    Was es nicht einfacher macht, ist, dass Oppelt auch zweimal von 4500 Opfern des Angriffs am 16. März schreibt. Er nennt auch noch andere Zahlen, wobei er stets offen lasse, wie sie zustande gekommen seien, so Baum. Noch anfechtbarer würden seine Berechnungen dadurch, dass seine Opferliste auch 828 Soldaten und Zivilisten enthalte, die bei Kriegshandlungen oder in Lazaretten gestorben seien.

    Überprüfungen von 437 dieser Fälle hätten ergeben, dass rund 300 von ihnen, also gut zwei Drittel, „mit Kriegsereignissen in und um Würzburg überhaupt nichts zu tun hatten“, so Baum. Er hält es daher für gerechtfertigt, dass man rund 500 Opfer von Oppelts Totentafel streichen könne, sich diese also auf 2300 Tote reduziere.

    Auf dieser Grundlage und aus anderen Quellen errechnet Baum schließlich 3150 Opfer des 16. März. Diesen fügt er eine „Sicherheitsmarge“ von 300 bis 350 Opfern hinzu, was dann zu einer Gesamtzahl von 3450 bis 3600 Toten in der Bombennacht führt. „Eine wesentlich höhere Zahl wird durch die vorliegenden Quellen nicht gestützt“, schreibt der Historiker. Sein Fazit: „Eine genaue Zahl der der Opfer des 16. März 1945 ist nicht bekannt, jedoch dürfte die Zahl sich bei 4000 bewegen“.

    Bei solch riesigen Opferzahlen und angesichts der nahezu vollständigen Zerstörung der Stadt, aber auch drohender Seuchengefahren war an Einzelbeisetzungen nur in absoluten Ausnahmefällen zu denken. Deshalb wurde vom 17. bis 21. März 1945 durch ein Kommando der Wehrmacht und des Reichsarbeitsdienstes das Massengrab gegenüber des Hauptfriedhofs ausgehoben.

    In seinem Buch hat Oppelt die Zahl von 3009 Toten genannt, die im Massengrab am Friedhof bestattet worden sein sollen, ohne dafür jedoch Belege zu nennen, so Hans-Peter Baum in einer zweiten Untersuchung, in der es um die Namen der dort Bestatteten geht. Um zu konkreten Zahlen zu kommen, musste Historiker Baum zahlreiche Quellen ausfindig machen und diese miteinander abgleichen.

    Diese zu finden, war nicht ganz einfach, außerdem gab es in den Dokumenten zahlreiche Fehlerquellen. Beispielsweise die Schreibweise von Namen, Bestattungen unter falschen Namen oder nachträgliche Streichungen und auch die Tatsache, dass es noch zwei weitere Massengräber innerhalb des Friedhof gab.

    Fündig wurde Baum schließlich im städtischen Friedhofsamt. Hier entdeckte er eine Liste mit 1545 namentlich bekannten Toten des Massengrabs. Weiter geht aus dieser Liste hervor, dass 1444 Unbekannte dort bestattet worden seien. In der Addition ergibt dies 2989 Personen, 20 weniger als Oppelt verzeichnete. Diese Zahl ist aber, so Baum, nicht haltbar.

    Bei der Erfassung wurden mehrere Fehler gemacht, fand Baum heraus, so dass die Zahl der namentlich bekannten Opfer auf 1492 zu reduzieren sei. Rechnet man einige Nachträge hinzu, ergibt sich, dass im Massengrab 1566 namentlich bekannte Personen beigesetzt sind. Hinzu kommen etwa 1400 unbekannte Tote.

    Die Gesamtzahl der im Massengrab Bestatteten beträgt daher nach Baums neuesten Berechnungen zwischen 2970 und 2980 Tote. Aus der Namensliste geht hervor, dass die meisten der hier Bestatteten am 16. März 1945 gestorben sind. Die Mehrzahl von ihnen waren Würzburger Bürger.

    Die namentlich bekannten 1566 Toten sollen künftig auf 30 Glasscheiben eingraviert für die Nachwelt dokumentiert werden. Der von Architekt Matthias Braun konzipierte „Park des Gedenkens“ soll, wenn der Ausschuss zustimmt, bis zum 16. März 2017 realisiert werden. Die Kosten für die neue Gedenkstätte sind mit 165 000 Euro veranschlagt.

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