Hintergrund ist ein Vorfall, der der betroffenen Anna K. (Name geändert) Tränen in die Augen treibt. Die 62-jährige Mutter von vier erwachsenen Kindern hatte es nicht leicht in ihrem Leben. Der Mann stirbt früh, eine ihrer Töchter wird als Kind von einem Auto überfahren. Mühsam lernt das schwer verletzte Mädchen wieder lesen, schreiben und laufen. Doch eine 80-prozentige Behinderung bleibt. Die gesetzliche Betreuung der heute 34-Jährigen teilen sich ihre Schwester und Mutter Anna K.
Als die Beziehung zwischen ihrer behinderten Tochter und deren Freund in die Brüche geht, macht sich Anna K. als Betreuerin auf die Suche nach einer neuen Wohnung. Kein leichtes Unterfangen. Obwohl die behinderte Frau über ein gesichertes Einkommen durch Erwerbsunfähigkeits- und Halbwaisenrente verfügt, sollte die Zwei-Zimmer-Wohnung nicht zu teuer und behindertentauglich sein.
Als Anna K. im Büro der Heimathilfe um ein Formular für die Wohnungssuche bittet, erteilt man ihr nach eigener Schilderung eine regelrechte Abfuhr. An Leute, die unter Betreuung stehen, vermiete man keine Wohnungen mehr. Man habe damit schlechte Erfahrungen gemacht, so die Auskunft. Anna K. ist traurig und entrüstet zugleich: "Es können doch nicht ganze Personengruppen ausgeschlossen werden", macht sie sich bei der MAIN-POST Luft. Erst als die 62-Jährige protestiert und auf einem Formular besteht, wird ihr eines ausgehändigt. Gedemütigt fühlt sie sich trotzdem.
Heimathilfe-Prokuristin Marianne Meininger bestätigt auf MAIN-POST-Anfrage die Aussagen: "Wir können uns doch nicht jeden Sozialfall aufhalsen." Die Erfahrung habe gezeigt, dass betreute Menschen oft nicht - anders als vorgesehen - allein leben können und in ein Heim wechseln. Dann würden teils Mieten nicht gezahlt und Wohnungen nicht renoviert. Außerdem gebe es häufig Probleme mit dem Winterdienst oder der Hausordnung. Dies habe Konflikte mit anderen Mietern geschaffen.
Meininger versteht nicht, warum ausgerechnet von der Heimathilfe eine soziale Wohnungsvergabe erwartet werde: "Wir müssen wirtschaftlich denken. Die Gemeinnützigkeit haben wir abgelegt." Nur noch rund zehn Prozent des Bestandes seien Sozialwohnungen. Betreute Menschen, so Meininger, seien im Umgang oft schwierig. Generell ausgrenzen wolle man diese Gruppe bei der Wohnungsvergabe nicht. Aber eine "optimale Betreuung" müsse sichergestellt sein. Trotz des Namens Heimathilfe "bekommen wir keine müde Mark für soziales Verhalten."
Das war einmal anders, wie sich Würzburgs Sozialreferent Dr. Peter Motsch erinnert. In der Aufbauphase habe die Heimathilfe viel Geld vom Staat erhalten. Es gebe eine Verantwortung, auch wenn Wohnungen aus der Sozialbindung fallen. "Das ist kein Verhalten für eine renommierte Einrichtung. Solche Äußerungen sind völlig daneben", sagt Motsch auf Anfrage. Die Behinderung von Mietern dürfe bei der Wohnungsvergabe niemals ein generelles Ausschluss-Argument sein. Laut Motsch leben in Würzburg rund 2300 Personen mit gesetzlichen Betreuern.
Die Kritik des Sozialreferenten nutzt Anna K. erstmal wenig. Sie ist weiter auf der Suche nach einer Wohnung für ihre Tochter. Bei der Heimathilfe - ihrem Aufsichtsrat gehörte in den vergangenen Jahren auch stets der Würzburger Oberbürgermeister an - hat sie trotz des widerwillig ausgehändigten Formulars wenig Hoffnung.