Nur das Publikum wird gebeten, auf dem Teppich zu bleiben. Die Tanzcompagnie darf abheben und tut es auch: Mit einem Abend der Duette hat die Truppe des Mainfranken Theaters die Probebühne tief im Untergrund des neuen Hauses eröffnet. Das Publikum gelangt über den eingangs erwähnten, den Tanzboden schonenden Teppich zu den aufsteigenden Rängen für deutlich über 100 Besucherinnen und Besucher, Platz für raumgreifenden Tanz bleibt dennoch genügend.

Zumindest für die Paare, die sich für diesen Abend der Zweierkonstellationen mehrerer Choreografinnen und Choreografen formieren - etwa die Ausschnitte aus abendfüllenden Stücken wie "Chansons" (Dominique Dumais) und "The Players" (Edan Gorlicki) oder Einzelarbeiten von Ensemblemitgliedern wie "A Study in Rhythm" (Tyrel Larson) oder "Ask my Shadows" (Mirko Ingrao), das hier seine Uraufführung erlebt.
Gerade die letzten beiden Beispiele eignen sich gut, die Vielfalt dieses Programms unter dem Titel "Hautnah" zu beschreiben: "A Study in Rhythm", getanzt von Matisse Maitland und Alba Valenciano López, ist höchst gekonnte Körperperkussion voll witziger Momente liebevoller gegenseitiger Herausforderung.
Wie vier Fasanenfedern zu Kultobjekten werden
"Ask my Shadows" wäre dazu der dunkle Gegenentwurf: Matisse Maitland und Hanna Becker tanzen zu überirdischer Chormusik und einer rätselhaften Stimme, die geheimnisvolle Daten rezitiert. In schwarze Spitze gekleidet, machen sie vier lange Fasanenfedern zu unendlich vielfältig einsetzbaren Kultobjekten. "This is what remains of your wings", sagt die Stimme - das ist, was von deinen Flügeln blieb.

Es ist ein steter Wechsel zwischen athletischen, teils akrobatischen Passagen und Momenten der Intimität. Es geht und Anziehung und Zurückweisung, Unterdrückung und Erhebung, Macht und Ohnmacht, Kampf und Versöhnung, Komik und Tragik. Aber auch um Einsamkeit und Hoffnung, Zärtlichkeit und Nähe.
Was in dieser Aufzählung möglichweise wie ein beliebiges Inventar gängiger künstlerischer Themengebiete klingt, wird in den einzelnen Nummern immer wieder zu Momenten echter, gegenwärtiger Emotion.
Man hört die Tanzenden atmen, mitunter stöhnen, man kann ihnen in die Augen schauen
Nicht unerheblich dabei die Auswahl der Musik. Das Chanson "Voir un ami pleurer" (einen Freund weinen sehen) von Jacques Brel etwa zeigt Marcel Casablanca und Yester Mulens García in anrührendem, anfangs zögerlichem, dann immer mutigerem Bemühen umeinander.

"Duet with Gun" von Edan Gorlicki hingegen ist ein bannendes Ringen zweier Menschen um die Rollen von Subjekt und Objekt. Zu einer teilnahmslosen Gebrauchsanweisung aus dem Lautsprecher formen Matisse Maitland und Mirko Ingrao einander quasi zur Waffe, bevor eine tatsächliche Pistole das Machtspiel auf eine möglicherweise tödliche Ebene hebt.
"Hautnah" gilt für Tänzerinnen und Tänzer aber auch fürs Publikum. Der Saal schafft nicht nur räumliche Nähe - man hört die Tanzenden atmen, mitunter stöhnen, man kann ihnen in die Augen schauen. Sehr gut möglich, dass dieser Ort, die Probebühne 1, sehr schnell zu einem Lieblingsort des Publikums wird. Begeisterter Applaus des ausverkauften Hauses.
Weitere Vorstellungen: 7. (19.30 Uhr) und 10. Dezember (18 Uhr). Restkarten: Tel. (0931) 3908-124, karten@mainfrankentheater.de