Es begann zufällig und über mehrere Ecken. Eine Bekannte von Richard Huths Frau Petra hatte gehört, dass der Stachel im November schließen soll. DER Stachel. Die älteste Weinstube Würzburgs, erwähnt in jedem Stadtführer. Ein guter, bekannter Name für Gastlichkeit weit über die Region hinaus. Für Huth ist das Traditionshaus noch aus einem zweiten Grund geschichtsträchtig: Dort hat er seine Frau das erste Mal gesehen.
"Wer ein bisschen Liebe zum Beruf hat, bereut es ewig, wenn er bei so einer Chance nicht zugreift." Die Augen des frisch gebackenen Pächters leuchten, wenn er erzählt, wie er zum Stachel kam.
Nicht mal ein halbes Jahr ist es her, da war der Neuhüttener noch Koch in der Reha-Klinik in Weibersbrunn. Wenn um zwei Uhr mittags die Teller leer gegessen, die Kochtöpfe und Pfannen gespült waren, hatte er sich gerade warm gelaufen. Seiner Leidenschaft für landestypisch-pfiffiges Kochen frönte er einmal im Monat, wenn er für die Stammtischrunde "Lust und Laune" im ehemaligen Gasthaus seiner Eltern in Neuhütten nordwestlich von Lohr auftafelte. Die frische regionale Küche und die herzliche Gastfreundschaft der Huths lockten regelmäßig etwa 30 Gäste - unter anderem aus Main-Spessart und dem Rhein-Main-Gebiet.
Richard Huths Dilemma: Er liebt seine Heimat, doch ist Neuhütten so versteckt im Spessart, dass anspruchsvolle Gastronomie ihren Wirt kaum ernährt. Heute vermisst der Neu-Würzburger den Spessart: "Das ist meine Heimat, da bin ich aufgewachsen." Doch gefällt es dem unkomplizierten Mann auch in Würzburg und es bleiben viele Bindungen. So trifft sich der Stammtisch weiterhin - jetzt eben im Stachel. Sein Cousin Gerhard beliefert das Weinlokal aus seiner Biometzgerei in Neuhütten.
Für eigene Besuche in der Heimat ist die Zeit knapp. Zwar stehen Huth im Stachel 20 Mitarbeiter zur Seite, darunter fünf Köche sowie Mit-Pächter Ewald Seith. Doch Huth verwirklicht neue Ideen im alten Stachel, besonders in der Vorratskammer. Die Produkte sollen nicht nur wie bisher gut und fränkisch sein. Die Ware soll auch auf kurzem Weg so frisch und natürlich wie möglich in den Kochtopf wandern.
Mit dem Fahrrad einzukaufen, wie es Huth am liebsten täte, ist kaum drin. Aber zumindest aus der Region sollen seine Zutaten stammen. Also knüpft er nach und nach ein Netz von Lieferanten, die sich der biologischen Produktion verschrieben haben. Lieber als in den Großmarkt zieht es ihn zu hiesigen kleinen Erzeugern, wie dem Betreiber einer Ölmühle in Martinsheim bei Marktbreit. Mainfischer zum Beispiel sucht er noch.
Die Gäste im Stachel wissen, dass Frische und Qualität ihren Preis haben - und bezahlen ihn auch. Ein Glück für Huth. "Wir sind eine kleine Insel in der globalisierten Welt", sagt er und lacht wie so oft herzlich. Und meint es doch ernst: Als Gastronom und Großabnehmer von Nahrungsmitteln sieht er sich in der Verantwortung, "gerade weil ich in der Natur aufgewachsen bin". Mit all seiner Leidenschaft für seinen Beruf ist er überzeugt: "Wir können etwas verändern."
Der Stammtisch "Lust und Laune" trifft sich wieder am Dienstag, 25. Januar, um 19 Uhr im Wein- haus Stachel, Gressengasse 1. Aus- kunft und Anmeldung unter Tel. (09 31) 5 27 70.