Das wäre vor 200 Jahren in diesen ehrwürdigen Räumen ganz bestimmt nicht passiert: Im Kauzenpokal ist tatsächlich noch ein wenig Wein übrig, nachdem er bei der traditionellen Kauzensitzung die Runde durch den Ratssaal gemacht hat. Dabei heißt es doch in einem amtlichen Bericht aus dem Jahre 1820, dass es keinen Ort gebe, dessen Bewohner dem Trunke so ergeben seien wie die aus Ochsenfurt. Die Information stammt aus dem Buch "Eine Brücke erzählt" von Alfred Richter, aus dem der frühere Radiomoderator Elmar Marquardt einige Passagen vorliest.
Alle tragen sich ins Kauzenbuch ein
Dass heitere Geschichten erzählt oder Gedichte vorgetragen werden statt nüchterner Beschlussvorschläge, ist eine Eigenheit der ersten Ochsenfurter Stadtratssitzung im Jahr. Da wird gefeiert mit Wein und mit von Günter Sieber spendierten Neujahrsbrezen, mit Stadträten und Bürgern, alle zusammen. So ist es auch in diesem Jahr bei der Kauzensitzung, die diesmal Rosa Behon (CSU) als amtierende Bürgermeisterin leitet. Sie hat den Ablauf leicht modifiziert: Damit sich auch ja alle Gäste ins Kauzenbuch eintragen, werden sie gleich oben an der Treppe abgefangen.

Ansonsten verläuft die Veranstaltung wie gewohnt. Die vielen Gäste, darunter Stadträte, Kreisräte, Ortssprecher und Ehrenringträger, werden begrüßt, dann folgt Rosa Behons Ansprache. Sie stellt sie unter das Motto "Zukunft kann man bauen". Denn den Baumaßnahmen in der Kommune als Teil der Stadtentwicklung möchte die zweite Bürgermeisterin besondere Aufmerksamkeit schenken. Die Bürger sollen in diese Entwicklung eingebunden werden und an Leitlinien mitarbeiten können. "Die Bürger sind kreativ, sie wollen mitreden", sagt Behon.
Drei Brückeneinweihungen in zehn Jahren
Joachim Eck (SPD), seines Zeichens dritter Bürgermeister, widmet in seiner Ansprache viel Zeit dem 2020 anstehenden 500-jährigen Bestehen der Alten Mainbrücke. Überhaupt, sinniert Eck, spielen die Brücken in Ochsenfurt eine große Rolle. Seit er 2008 in den Stadtrat einzog, habe er nicht weniger als drei Brückeneinweihungen miterlebt: 2009 die der zuvor noch gar nicht existenten dritten Brücke bei Goßmannsdorf, 2012 nach der Sanierung die der "neuen Alten Mainbrücke" und im Mai 2019 die der "neuen Neuen Mainbrücke". In den nächsten zehn Jahren, prophezeit Eck, werde solches wohl nicht mehr möglich sein.

Eck zeichnet die Entstehungsgeschichte der Alten Mainbrücke kurz nach und erwähnt nicht ohne leise Genugtuung, dass der Bau der Brücke in Stein zwischen 1512 und 1520 nur acht Jahre dauerte, während sich ein ähnliches Vorhaben in Würzburg wegen Geldmangels mehrere Jahrzehnte hinzog. Da liegt der Verdacht nahe, dass die Ochsenfurter die Würzburger auch schon beim Brückenschoppen ausgestochen haben könnten, den es in Ochsenfurt ja offiziell erst seit 2019 gibt.
Der erste Promi auf der Alten Mainbrücke
Stadtarchivar und Altbürgermeister Peter Wesselowsky bestätigt diese Annahme. Wer in früheren Zeiten zu spät an der Brücke anlangte, musste in der Mühle übernachten, sagt er, und dort wurde Wein ausgeschenkt - dem Vernehmen nach in nicht geringem Umfang. Weil Wesselowsky so viel über die Alte Mainbrücke weiß, darf er aus Gründen der Chancengleichheit an Elmar Marquardts Brückenquiz nicht teilnehmen, das aus folgender Frage besteht: Wer war der erste Promi, der 1520 über die Brücke schritt? Die Antwort: Es war der Maler Albrecht Dürer, der auf dem Weg zur Krönung Kaiser Karls V. in Aachen von Frickenhausen kommend in Ochsenfurt den Main überquerte.

Am nächsten Tag haben die Verwaltungsmitarbeiterinnen bereits die Flaschen gezählt, die bei der Kauzensitzung geleert wurden. Knapp 50 waren es, zu je einem Liter, und verteilt auf rund 150 Gäste - von einem Übermaß kann da nicht gesprochen werden, gerechnet auf den Einzelnen. Der Verfasser jenes amtlichen Berichts aus dem Jahr 1820 über die erstaunlichen Nehmerqualitäten der Ochsenfurter Weinkonsumenten hätte das ganz sicher nicht geglaubt.


