Seit 13 Jahren besucht Schmetterlingszähler Rudolf Winterbauer regelmäßig die Nummer 83 der 100 schönsten Geotopen Bayerns und neuerdings sogar Nationaler Geotop. Und er ist sehr unglücklich über verschiedene Entwicklungen, die dem Naturschutzgebiet schaden. Der Kriminalbeamte i.R. ermittelt für das Tagfalter-Monitoring Deutschland (TMD) die Entwicklung der Schmetterlingspopulation in diesem alten Steinbruchgelände. Was er beobachtet, besorgt ihn sehr: immer mehr Freizeitspaß, immer weniger Falter.
Anfangs habe er noch 50 Falterarten pro Saison festgestellt, zuletzt nur noch etwa ein Drittel davon, berichtet er. Maßgeblich dafür sei sicher, dass die Insektenpopulationen insgesamt in dramatischem Maße abgenommen haben. Die vielen Ausflügler, die seit Corona nochmals dramatisch verstärkt den Steinbruch und die Umgebung bevölkern, hält er für ein großes zusätzliches Problem. Und er glaubt, dass das Auswirkungen auf die Natur haben wird.
Feuerstellen und Abfälle
„Jedes Jahr ist etwas anders“, sagt Winterbauer, „aber ein Rückgang ist es in jedem Fall. Unbedingt!“ Diesmal findet er nur neun Arten. Den Kleinen Schillerfalter beispielsweise hat er schon jahrelang nicht mehr gesehen. Die Untere Naturschutzbehörde (UNB) am Landratsamt Würzburg teilt seine Einschätzung. Die Naturschutzgebiete, gleichwohl sie generell gute Lebensräume bieten und wichtige Vernetzungen schaffen, können die allgemeine Entwicklung nicht abpuffern, wurde auf Anfrage mitgeteilt.

In der Tat findet auch Rudolf Winterbauer immer neue Feuerstellen, Abfälle jeglicher Art, Mountainbiker, Motorrollerfahrer, Picknick- und Party-Gesellschaften vor. Selbst spielende Kinder sorgen insgesamt für so viel Trubel, Störung und Zerstörung, dass er persönlich die Wochenenden nur noch meidet, um das nicht mit ansehen zu müssen. Dass die abenteuerliche Steinlandschaft seit 1985 Naturschutzgebiet ist, interessiere kaum jemanden.
Mit der Fetthenne stirbt der Bläuling
Geplant sei, so die UNB auf Anfrage, die Präsenz der Naturschutzwacht zu verstärken und gegebenenfalls auch durch Hinweisschilder gezielt auf richtiges Verhalten im Naturschutzgebiet hinzuweisen. Bislang geben nur an zwei Stellen des weitläufigen Gebiets, am Fuße des Panoramawegs und am Waldrand aus Richtung Modellflugplatz, etwas unzeitgemäße Schilder einen Hinweis und listen Verbote. Der Weißkopfseeadler auf den alten NSG-Schildern verspricht wohl eher Abenteuer.
Der Schmetterlingszähler Rudolf Winterbauer dagegen ist sensibilisiert für die fragilen Zusammenhänge der speziellen Flora und Fauna auf den Kalkmagerrasen. Auf Zusammenhänge zwischen eher unscheinbaren Fetthennen, die mitten aus den Steinhaufen wachsen und dem seltenen Fetthennen-Bläuling beispielsweise, der genau auf diese eine Pflanze angewiesen ist. Eine Ameise muss ebenfalls noch mitspielen, bei der die Raupe überwintern kann. Die enge Symbiose ist noch komplizierter als ein herausforderndes Geocaching-Spiel, das hier rund ums Jahr Publikum lockt.
Zuviel Aufwuchs bedroht das Biotop
Selbst vermeintlich unschuldiges Spiel ist mitunter problematisch. Es werden Mandalas und Labyrinthe gelegt, Steinburgen gebaut – und nebenbei die Großen Fetthennen zermalmt, auf denen ein winziger weißer Punkt zu sehen war: das Ei eines Fetthennen-Bläulings, der als Raupe von der Sukkulente lebt. Es konterkariert auch das Bemühen der UNB, die durch Pflegemaßnahmen versucht, die Große Fetthenne vor Beschattung und Überwuchs zu schützen und damit das Vorkommen des Falters gezielt zu fördern.

Es gibt allerdings inzwischen auch schon wieder jede Menge Buschwerk und Bäume, die tatsächlich entfernt werden müssten. Winterbauer zeigt beim Rundgang auf eine Kolonie Kirschensämlinge, gut entwickelte Schlehen, Weißdorn, Buchen, Rosen, Brombeeren und Ginster. Die Nordwand des Steinbruchs ist fast wieder grün eingewachsen. Der Aufwuchs überwuchert das seltene, schützenswerte Magerrasen-Biotop. Nach Winterbauers Beobachtung sind seit Jahren keine Ziegen oder Schafe mehr für die Landschaftspflege eingesetzt worden. In nicht allzu langer Zeit werden die früheren Anstrengungen, die Fläche offen zu halten, umsonst gewesen sein, befürchtet er.
Demnächst blüht der Wilde Majoran
Die Sorge sollte sich bald erledigen, denn die UNB teilt mit, dass ganz aktuell Geländebegehungen stattgefunden hätten. Geplant sei eine Entfernung größerer Sträucher und Bäume und anschließend wiederum die regelmäßige Mahd oder Beweidung, um die trocken-warmen Standortbedingungen zu erhalten. Die 2016 zuletzt praktizierte Form einer zu intensiven Beweidung mit Rindern sei nicht zielführend gewesen, heißt es aus dem Landratsamt.
Erst einmal steht jedoch die Blüte des Wilden Majoran an. „Das ist ein Traum“, freut sich Winterbauer, „was dann auffliegt: Kaisermantel, Großer Perlmuttfalter, Tagpfauenaugen, Zitronenfalter, Großes Ochsenauge, Bläulinge und Schachbrettfalter“.
Tagfalter-Monitoring Deutschland (TMD)TMD ist ein klassisches Laien-Forschungsprojekt (Citizen Science), bei dem jeder mitmachen und Daten sammeln kann. Das TMD ging vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) aus, das in enger Kooperation mit der Gesellschaft für Schmetterlingsschutz e.V. (GfS) die bundesweite Koordination übernommen hat. Angesiedelt ist es bei der UFZ-Biozönoseforschung in Halle/Saale, wohin alle Ehrenamtlichen im Herbst ihre Daten melden. Ziel ist es, mehr über die Situation der Tagfalter in Deutschland zu erfahren. Welche Arten werden seltener, welche breiten sich aus und welche Aussagen lassen diese Trends für die Biodiversität insgesamt zu? Info: https://www.ufz.de/tagfalter-monitoring/Die Vielzahl und Vielfalt von Schmetterlingen in Kärnten hat den Würzburger Rudolf Winterbauer so fasziniert, dass er sich ein Bestimmungsbuch kaufte und dabei auf das Monitoring-Projekt stieß. Es wurde seine Passion für den Ruhestand. Workshops, Interesse und Erfahrung haben ihn zu einem Schmetterlingsexperten für das von ihm gewählte Feldforschungsgebiet werden lassen. Dort läuft er nach standardisierten Regeln etwa wöchentlich die fünf gleichen Flächen zu je 50 Metern ab, notiert alle Tagfalterarten, die ihm begegnen, dazu einige Wetterdaten. Quelle: co