Ein Boykott der olympischen Spiele in China bringt nichts. Das ergab eine Umfrage unter ehemaligen Olympiateilnehmern. Der Ruderer Hermann Greß, der selbst 1980 vom Boykott in Moskau betroffen war, bezeichnet diese Idee sogar als „absoluten Blödsinn“.
„Der Sport darf und kann nicht als Druckmittel für Menschenrechtsverletzungen verwendet werden“, sagt Greß. Die Boykottmaßnahmen der Olympiaden von 1980 und 1984 hätten gezeigt, dass sie an den politischen Verhältnissen nichts änderten. Manche Verantwortliche beschritten den einfachen Weg, „und schieben den Sport vor“, weil es viel schwieriger sei, wirtschaftliche und politische Sanktionen zu verhängen, erklärte Greß, der bei der Olympiade in Los Angeles 1984 im Zweier mit Steuermann den sechsten Platz belegte.
Erst vier Wochen vor den Spielen in Moskau „erfuhren wir vom Boykott“. Es sei eine riesige Enttäuschung gewesen, weil sich aufgrund dieser Entscheidung der Medaillentraum auf einen Schlag in nichts auflöste.
Auch sein Vereinskamerad von der Würzburger Rudergesellschaft Bayern, Michael Gentsch, durfte 1980 nicht an der Olympiade teilnehmen. „Wenn Leute, die mit dem Sport nichts am Hut haben, mit einem Federstrich die Chancen der Athleten vernichten, dann ist das eine Frechheit“, betont er. „Ein Boykott macht überhaupt keinen Sinn.“ Er lehnte die Einmischung von Politikern in den Sport kategorisch ab. Bei der Olympiade 1976 in Montreal verpasste Gentsch im Doppelvierer als Vierter nur knapp das Edelmetall.
„Nicht zu beeindrucken“
Der Wasserballer des SV 05 Würzburg, Günther Kilian, nahm zwei Mal an Olympischen Spielen teil: 1968 (12. Platz) und 1976 (6. Platz). „Ich bin gegen einen Boykott, weil die Olympiade für die Athleten da ist, und der Sport verbinden soll.“ Seiner Ansicht nach könnte man nur auf wirtschaftlicher oder politischer Ebene etwas erreichen. „Totalitäre Staaten lassen sich durch solche Proteste nicht beeindrucken.“
Tarek Ayad vom TSV Lengfeld war als Judoka der Klasse bis 66 Kilogramm im Jahr 2000 in Sydney mit von der Partie. „In der olympischen Charta steht, dass die Spiele nicht als Instrument der Politik missbraucht werden sollen“, darauf macht er aufmerksam. Im Fall eines Boykotts wären die Athleten „die einzig Leidtragenden“. Er unterstützt den Präsidenten des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), Jacques Rogge, der gefordert hat, dass die Sportler während der Spiele überall frei ihre Meinung äußern dürfen sollten.
Fredi Albrecht nahm 1972 für den SC Motor Zella-Mehlis an den Olympischen Spielen teil und belegte dabei im griechisch-römischen Stil in der Klasse bis 100 Kilogramm den 5. Platz, vier Jahre später schied er in der Vorrunde aus. „Ich halte von einem Boykott gar nichts“, sagte Albrecht, der heute in Würzburg lebt und 1996 für den TV Unterdürrbach als Kampfrichter bei der olympischen Ringer-Wettbewerben in Atlanta war. Die Chinesen ließen sich seiner Meinung nach dadurch nicht beeinflussen. Albrecht wundert es, dass das Tibet-Problem seit Jahrzehnten bekannt sei, jedoch erst jetzt in den Mittelpunkt der Weltöffentlichkeit gerate. „Die Staaten müssen die Konflikte lösen, aber weder die Sportler noch das IOC.“ Im Falle eines Boykotts wären ausschließlich die Athleten die Opfer.
„Irgendwie ein Zeichen setzen“
Die ehemalige Brustschwimmerin des SV 05 Würzburg, Ursula Siewert, geborene Kraus, war 1972 in München im Organisationsteam für die Sportstätten. „Während der Spiele müssen die Waffen ruhen, die Chinesen brechen diesen Ehrenkodex.“ Einen Boykott lehnt sie deswegen zwar ab, aber sie empfiehlt, dass beispielsweise die gesamte deutsche Mannschaft nicht an der Eröffnungsfeier teilnehmen sollte. „Irgendwie muss man ja Zeichen setzen.“