Im deutschen Möbelhandel klingeln die Alarmglocken. Denn der Online-Handel schickt sich an, jetzt auch die Welt von Ikea, XXXL-Lutz, Roller und Co. dramatisch zu verändern. Der fränkische Möbelhandel reagiert darauf unterschiedlich.
Nach einer Studie des Kölner Handelsforschungsinstituts ECC droht im schlimmsten Falle jedem dritten der rund 30.000 deutschen Möbel- und Einrichtungsgeschäfte bis 2020 das Aus. Zwar entfallen bislang nach Angaben des Bundesverbandes des Deutschen Möbelhandels (BVDM) nur gut 6 Prozent des Gesamtumsatzes der Branche auf den Online-Handel. Doch die Signale, dass der Online-Handel im Begriff ist, nach dem Buchhandel und der Textilbranche auch die Möbelbranche durcheinanderzuwirbeln, sind unübersehbar.
Bei der XXXL-Gruppe mit Häusern unter anderem in Würzburg, Schweinfurt und Hirschaid bei Bamberg (alle Neubert) sowie Haßfurt (Lutz) sieht man eine „gegenseitige Befruchtung“ von eigenem Online-Angebot und den Filialen, wie es Pressesprecher Julian Viering ausdrückte. Es gebe „oft Kunden, die hochinformiert ins Geschäft kommen“, um dort dann ihre konkreten Wünsche zu äußern. Ihre Infos haben sich diese Kunden zuvor online bei XXXL oder anderen Möbel-Webseiten geholt, so Viering.
XXXL bietet seit Oktober 2013 einen klassischen Online-Shop an, der dem Sprecher zufolge „eine wachsende Bedeutung“ hat. Konkrete Zahlen wollte er nicht nennen.
Wer bei dem Möbelhändler mit den vier Buchstaben online bestellt, hat Viering zufolge bei der Auslieferung zwei Möglichkeiten: Entweder er lässt sich Möbelstücke – auch große – liefern oder er holt sie selbst in den Filialen ab. Die Kaufvorgänge laufen auf der XXXL-Website über eine gängige Warenkorb-Funktion.
In dieser Hinsicht sind andere Möbelanbieter in der Region unterschiedlich aufgestellt. Während auch die Firma Spitzhüttl in Neubrunn (Lkr. Würzburg) einen herkömmlichen Online-Shop hat, kann man bei Möbelum (Rottendorf bei Würzburg) und Möbel Berta in Gemünden (Lkr. Main-Spessart) per Internet nicht einkaufen. Beide Händler haben zwar Webseiten, allerdings nur mit reiner Lesefunktion.
Bei Möbelum nimmt man den Trend zu Online gelassen. Sie sehe da auf das auf Naturholzmöbel spezialisierte Unternehmen „gar keine Änderungen“ zukommen, sagte Sprecherin Angelika Ziller auf Anfrage der Redaktion. Dass Möbelum keinen Onlinehandel anbiete, „ist die Philosophie des Hauses“. Man wolle die Kunden bewusst ins Geschäft holen.
Möbel Berta in Gemünden/Main hat sich bewusst gegen einen Online-Shop entschieden. Grund: Geschäftsführer Karl-Heinrich Wirth sieht vor allem den Umtausch von Möbeln, die online gekauft wurden, als Problem an. Das sei vor allem bei Käufern, die weit weg wohnen, zu sperrig.
Doch zementiert ist laut Wirth die Entscheidung gegen das Online-Geschäft nicht: „Wir haben einen Internet-Shop in der Schublade“, mit dem Möbel Berta jederzeit loslegen könne. Bis dahin bietet das Unternehmen eine klassische Website an unter anderem mit einer Übersicht über die Produkte.
Das Geschäft in Gemünden gehört dem Bielefelder Händlerring VME an, der bundesweit etwa 350 Einrichtungshäuser betreut. Von VME will Wirth gehört haben, dass man am Online-Handel mit Möbeln „nicht mehr vorbeischauen kann“.
Spitzhüttl in Neubrunn bei Würzburg hat einen Internet-Shop seit 2009. Wie Geschäftsführer Sebastian Spitzhüttl weiter sagte, wachsen die Umsätze dort im Jahresvergleich zum Teil zweistellig.
Abgesehen davon sei die Website eine ausgezeichnete Möglichkeit für Werbung und Öffentlichkeitsarbeit. Aus diesem Grund bietet Spitzhüttl dort sogar einen Blog mit Themen rund um Wohnen, Essen und Lifestyle an. Auch hat Spitzhüttl Mitarbeiter speziell für den Online-Auftritt geschult, um zum Beispiel die Auffindbarkeit bei der Suchmaschine Google zu verbessern.
Wie sehr der Onlinehandel in der Branche an Fahrt aufgenommen hat, zeigt etwa der zur Start-up-Schmiede Rocket Internet gehörende Möbelhändler Home24: Er steigerte seine Umsätze in den ersten neun Monaten 2015 um über 63 Prozent auf über 171 Millionen Euro. Der Versandhändler Otto – nach eigenen Angaben die Nummer eins im Online-Einrichtungssegment – kam 2015 sogar schon auf rund 700 Millionen Umsatz und rechnet in diesem Jahr mit einem weiteren Plus in dreistelliger Millionenhöhe.
„Im Moment werden hauptsächlich kleinere Einrichtungsgegenstände im Internet bestellt, aber die Verbraucher werden es in Zukunft auch immer öfter wagen, größere Stücke wie Sofas oder sogar ganze Küchen im Internet zu ordern“, erwartet der ECC-Branchenexperte Jens Rothenstein. „Viele Händler scheinen die Bedrohung noch nicht erkannt zu haben.“
Ikea, der Marktführer im deutschen Möbelhandel, ist längst dabei, sein Internetstandbein zu stärken. Dafür errichtet er inzwischen neben den klassischen Einrichtungshäusern auch noch zusätzliche Abholstationen, sogenannte Pick-up-Points, wo online bestellte Artikel in Empfang genommen werden können. „Ziel ist es, dass möglichst viele Menschen in Deutschland innerhalb einer Fahrtzeit von 20 bis 45 Minuten bei Ikea einkaufen oder ihre online bestellten Ware abholen können“, erklärt Ikea-Manger Klaus Cholewa.
(Mit Infos von dpa.)