Würzburg ist ein bisschen dunkler geworden. Zumindest am vergangenen Samstag. Denn dort standen sie bei strahlendem Sonnenschein und 31 Grad: Die Fans der dunklen Musik, die sehnsüchtig auf ihre Lieblingsband warten. In ihren Röcken aus schwarzer Spitze und eng geschnürten Korsetts, hohen Stiefeln und Oberteilen aus Leder. Fast schon ein skurriles Bild an diesem warmen Sommertag.
Fans aus Russland angereist
Um 17 Uhr öffnen sich die Pforten der Posthalle für etwa 20 Fans, die 100 Euro berappten, um die Musikgruppe „OOMPH!“ vor dem Konzert treffen zu dürfen. Unter ihnen ist auch Stephanie Schneider. Seit 14 Jahren gehört die Band zu ihren Lieblingen. „Ich bin schon ganz aufgeregt“, sagt sie, während sie nervös auf und ab läuft. Um ihre Band zu sehen und mit ihr zu reden, ist sie aus dem osthessischen Fulda angereist, das etwa 110 Kilometer entfernt von Würzburg liegt.
Andere Fans hatten es da schon etwas weiter. Denn neben Deutsch hört man zwischen den Reihen auch immer wieder Russisch. Unter den Fans sind auch drei Mädchen aus Russland. Für die Band ist das wenig überraschend, wie Sänger Dero im Gespräch verrät. „Bei jedem Konzert sind Leute dabei, die viele Kilometer Reise auf sich nehmen. Und das, obwohl es ja sehr viel Geld kostet“, sagt er. Doch warum ausgerechnet aus Russland?
Von der Nische ins Rampenlicht
„OOMPH!“ ist schon fast ein kleines musikalisches Phänomen. Die drei Musiker machen bereits seit mehr als einem Vierteljahrhundert zusammen Musik. 1990 gründeten Dero (Gesang, Schlagzeug), Crap (Gitarre, Keyboard) und Flux (Gitarre, Samples) die Band in Wolfsburg. Der Band-Name entstammt einem alten englischen Wörterbuch und vereint laut Sänger die Elemente Energie, Enthusiasmus und Sex-Appeal.
Zu allgemeinem Ruhm kamen die drei Musiker im Jahr 2004. Mit der Single „Augen auf“ trafen sie plötzlich den Geschmack der Massen, nicht nur den von Kennern der – eher dunkel angehauchten – Szene. „OOMPH!“ wurde kurzzeitig Mainstream und stürmte die deutschen und europäischen Hitlisten. Durch die Single rutschte die Band von der Nische ins große Rampenlicht. Fortan liefen sie neben amerikanischen Popkünstlern auf allen Radiosendern rauf und runter und gaben Auftritte im Privatfernsehen. Nach dem großen Erfolg wurde es dann aber etwas ruhiger um die Band – jedoch nur in den eher poppig angehauchten Charts.
Erfolgreich in Osteuropa
Die Fans der Musikrichtungen Metal, Industrial, EBM und Gothic begleiteten die Band weiterhin und sorgen bis heute für volle Terminkalender, vor allem in Russland und Osteuropa. 2017 spielte die Band fast ausschließlich große Auftritte im russischen Raum.
Am vergangenen Samstag tauschten sie die sibirische Kälte jedoch gegen die unterfränkische Hitze. Cool blieben sie beim Treffen mit den etwa 20 Fans aber trotzdem. Fußball, Freizeit, Tourleben – auf die Fragen der (teils sehr schüchternen) Fans lieferten die drei Mitglieder der Band immer Antworten. Mal etwas ernster, öfter jedoch mit viel Witz. „Vor dem Konzert spielen wir nackt immer ein Gesellschaftsspiel. Das bringt uns näher“, scherzte Sänger Dero. Bei den mehrheitlich weiblichen Fans kommt das gut an. Es folgen Fotos, Autogramme und Umarmungen. 100 Euro für etwa 40 Minuten Band-Kontakt. Den Fans gefällt es.
Religionskritik und Selbsthass
Um kurz vor halb neun zeigt sich die Band dann auch dem restlichen Publikum. Laut Posthalle sind ungefähr 600 Menschen zum Konzert gekommen. In Lederwesten, schwarzen Jeans und mit knallharten Gesichtszügen, die schon nach einigen Minuten vor Schweiß triefen. „OOMPH!“ ist keine Band, die man beim Picknicken auf einer Margeritenwiese hört. Es geht in der knapp zweistündigen Show um Religionskritik, Suizid und auch um Selbsthass.
Die Themen in den Liedtexten sind dunkel und radikal. Doch sie sind nicht primitiv. Für Aufsehen sorgen die Texte aber durchaus. Der Titel „Gott ist ein Popstar“ führte beispielsweise zu einem Aufschrei der Kirchen und Radiostationen, die der Band und ihrem Werk unter anderem Gotteslästerung vorgeworfen haben. „Wir halten der Gesellschaft gerne den Spiegel vor“, sagte der Sänger damals in einem Interview. Unumstritten ist die Band also nicht.
Zwischen verrückt und übertrieben
22 Lieder, mal mehr und mal weniger gesellschaftskritisch, bekommen die Fans zu hören. Die drei Mitglieder der Band liefern mit ihren vier zusätzlichen Musikern gekonnt ab und sorgen in der heißen Posthalle für noch höhere Temperaturen. Da kam es gelegen, dass der fürs Konzert abgesperrte Bereich der Posthalle an diesem Abend nicht komplett ausgefüllt war.
Auch wenn Dero, Flux und Crap auf der Bühne hart, teils verrückt und (gewollt) übertrieben in ihrer Leidenschaft aufgehen, wirken sie dennoch während des Auftritts nahbar und beziehen ihr Publikum mit ein. So mag Würzburg an diesem Samstag vielleicht etwas dunkler geworden sein, aber auch um viele begeisterte Fans reicher.