- Was ist das für ein Stück? Die 1926 uraufgeführte Oper "Die Sache Makropulos" ist ein Spätwerk von Leoš Janácek (1854-1928). Sie entstand nach einem Libretto des futuristisch interessierten Autors Karel Capek. Capek prägte auch den Begriff "Roboter".
- Worum geht es? Während eines langwierigen Erbstreits stellt sich heraus, das die Operndiva Emilia Marty seit über 300 Jahren auf der Welt und damit die ursprüngliche Erblasserin ist.
- Wie hört sich das an, wie sieht das aus? Janáceks Musik ist rastlos, vital und sperrig. Es gibt keine Arien, das Stück ist eine einzige fortlaufende Debatte. Das Regieteam lässt es in zwei Wellblech-Containern spielen, die Figuren sind grell geschminkt und gekleidet. Nur die Heldin nicht.
Gut, dass im Programmheft eine Art Stammbaum abgebildet ist. Unter diesen Namen hat ein und dieselbe Frau seit 1585 allerhand Liebschaften, Karrieren, Abenteuer erlebt: Elina Makropulos, Ekaterina Myschkina, Elian MacGregor, Eugenia Montez, Elsa Müller und nun, im Jahr 1922, Emilia Marty. In dieser Zeit hat sie ein Vermögen angehäuft, um das sich diverse Nachfahren mithilfe diverser Winkeladvokaten streiten.

Emilia selbst aber ist nur an einer Sache interessiert: an der "Sache Makropulos", dem Rezept für das lebensverlängernde Elixier, das ihr Vater einst als Alchimist und Leibarzt für Kaiser Rudolf II. gebraut hatte. Da Emilia, damals Elina und 16 Jahre alt, als Versuchskaninchen beziehungsweise Vorkosterin missbraucht wurde, ist sie unsterblich. Bis jetzt jedenfalls – sie braucht dringend eine Auffrischungsdosis.

Das ist die überhitzte Ausgangssituation in Leoš Janáceks vorletzter Oper "Die Sache Makropulos", die nun als Wiederaufnahme des Mainfranken Theaters in der Theaterfabrik Blaue Halle in Würzburg läuft. Die erste und bislang einzige Vorstellung hatte im Januar 2022 stattgefunden - damals mit Klavierbegleitung, während der Proben waren schlicht zu viele Musikerinnen und Musiker des Orchesters positiv auf das Coronavirus getestet worden.
Eine einzigartig sprechende Partitur für eine wahrhaft unerhörte Geschichte
Die Musik, die nun mit großer Besetzung aus dem Graben kommt, ist unglaublich vielschichtig – wuselig, schillernd, schrill, auftrumpfend, lyrisch. Das alles immer nur in winzigen Abschnitten und meistens gleichzeitig. Dirigent Enrico Calesso und das Philharmonische Orchester liefern mit großem Engagement und viel Sinn für diese einzigartig sprechende Partitur den Soundtrack für eine wahrhaft unerhörte Geschichte.

Nina Russi (Regie) und Julia Katharina Berndt (Bühne und Kostüme) lassen sie in zwei verschiebbaren Wellblechcontainern spielen. Um das Zentralgestirn Emilia Marty wuseln, intrigieren oder schmachten Verliebte, Profiteure und Fans. Eine grelle Gesellschaft Getriebener, jede und jeder mit eigener Agenda.
Brad Cooper, Mathew Habib, Akiho Tsujii, Kosma Ranuer, Joshua Whitener, Michael Tews, Yong Bae Shin, Barbara Schöller und Taiyu Uchiyama, allesamt hochengagiert, stehen in skurrilen Klamotten und Frisuren für ein wenig verlockendes Hier und Jetzt.
Und doch neidet ihnen die Unsterbliche ihren rohen Kontakt zum Leben. Ilia Papandreou macht aus der Rolle der Emilia, die ja als Partie des schweren Fachs gilt, ein anrührend intimes Ereignis. Stimmlich wie schauspielerisch hochdifferenziert und präzise wandelt sich ihre Emilia von der zynisch berechnenden Diva zur demütig Verletzlichen, die erst im Tod ihren Frieden findet.
Die Botschaft? Die Marty hinterlässt sie als eigentliches Erbe: "Glaubt an die Menschheit, an Größe und Tugend. Und liebt!"
Weitere Vorstellungen: 9., 18., 28. Juli. Karten: Tel. (0931) 3908-124, karten@mainfrankentheater.de