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Persönliche Gespräche bleiben auf der Strecke

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Persönliche Gespräche bleiben auf der Strecke

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    Immer im Stress. Dr. Dirk Weismann in seinem Ärztezimmer in der
Universitätsklinik.
    Immer im Stress. Dr. Dirk Weismann in seinem Ärztezimmer in der Universitätsklinik. Foto: FOTO THOMAS OBERMEIER

    Gestern blieben zahlreiche OP-Säle der Unikliniken leer. Die Anästhesisten machten sich auf den Weg nach Stuttgart, um gegen Lohnkürzungen und schlechte Arbeitsbedingungen zu protestieren. "Das war die Fortsetzung der aktiven Mittagspause, die im Mai stattgefunden hat", erklärt Assistenzarzt und Assistentensprecher der Medizinischen Universitätsklinik, Dr. Dirk Weismann. Wir haben mit ihm gesprochen.

    Herr Weismann, gegen was protestieren Sie?

    Dr. Dirk Weismann: Es geht hier speziell um Tarifgeschichten. Letztes Jahr fielen Urlaubs- und Weihnachtsgeld weg. Jetzt soll weiter gekürzt werden. Und das, wo weiterhin unbezahlte Überstunden zur Regel gehören. Es ging aber auch darum, dass die drei Aufgaben der Universitätskliniken, Patientenversorgung, Forschung und Lehre, unter diesen Bedingungen nicht zu bewältigen sind.

    Es gibt Vergleiche, dass Assistenzärzte ungefähr genausoviel verdienen wie ein Grundschullehrer.

    Dr. Weismann: Der Vergleich ist gar nicht mal so schlecht. Es ist verständlich, wenn erfahrene Lehrer mehr verdienen als junge Ärzte - was das Grundgehalt betrifft. Überstunden und Dienste müssen aber zusätzlich und vollständig entlohnt werden. Vor allem die zermürbenden Nachtdienste sollten großzügig vergütet werden. Die Vorschläge zur Streichung der Nachtdienstzulage von Seiten der Union können hier nur als Hohn wahrgenommen werden.

    Wieviele Stunden arbeiten Sie denn pro Woche?

    Dr. Weismann: Wir haben oft eine 60- bis 70-Stunden-Woche. Morgens geht's meist um 730 Uhr los und es wird so lange gearbeitet, bis wir fertig sind.

    Haben Sie sich Ihre Arbeit während Ihrer Ausbildung so vorgestellt?

    dr. Weismann: Nein. Ich habe mit schlaflosen Nächten gerechnet, dass man auf dem Zahnfleisch geht. Aber ich habe nicht gedacht, dass es die Bürokratie ist, die alles so stressig macht.

    Inwiefern?

    Dr. Weismann: Absolut alles muss dokumentiert werden. Für jede Untersuchung pro Patient fallen etwa folgende Aufgaben an: Es muss natürlich mit dem Patienten gesprochen werden, dann muss für den Untersucher die Fragestellung eindeutig und klar erkennbar gemacht werden. Die Untersuchung muss für die Verwaltung verschlüsselt werden, damit die die Abrechnung schreiben können. Zudem muss die Untersuchung und das Ergebnis in der Kurve und der Akte dokumentiert werden, und zwar so ausführlich, dass sie juristischen Nachfragen standhält. Und mittlerweile verlangen immer häufiger die Krankenkassen ausführliche Begründungen, warum eine Untersuchung bei einem Patienten gemacht wurde. Und als letzter Schritt muss das Ergebnis mit dem Patienten besprochen werden. Juristen empfehlen obendrein, jedes Gespräch mit Angehörigen oder Patienten zu dokumentieren. Völlig weltfremd.

    Wieviele Patienten haben Sie auf Station?

    Dr. Weismann: 25. Alle haben im Durchschnitt zwei Untersuchungen pro Tag.

    Wie sieht Ihr Tagesablauf aus?

    Dr. Weismann: Auf der Station geht's um 730 Uhr mit der Visite los. Dazwischen, um 8.15, findet die Frühbesprechung mit der gesamten Klinik statt. Dann zurück auf die Station. Gegen 10 Uhr ist man meist mit Visite fertig und dann beginnt die Patientenentlassung. Zwischendurch hat man eine Frühstückspause, wenn man Zeit hat. Danach geht's an die Neuaufnahmen. Gegen 14 Uhr ist man damit fertig und dann kommt der Oberarzt - wenn er Zeit hat.

    Und Mittagessen?

    Dr. Weismann: Das fällt meist aus. Wenn ich abends dann nach Hause komme, bin ich völlig ausgehungert.

    Wann kommen Sie denn nach Hause?

    Dr. Weismann: Meist so zwischen 19 und 20 Uhr. Zwischen Oberarzt und Feierabend muss ich noch die Kurvenvisite machen, das heißt, das Krankenblatt von allen Patienten auf Station zu aktualisieren und hinterher mit den Schwestern besprechen. Dann warten die Angehörigen, es müssen die Aufklärungsgespräche für Untersuchungen des Folgetages geführt und die Dinge abgearbeitet werden, die bei der Kurvenvisite angefallen sind. Und da war noch kein Notfall dabei.

    Haben Sie überhaupt Zeit für persönliche Gespräche mit den Patienten?

    Dr. Weismann: Die bleiben leider auf der Strecke. Zwei bis drei Minuten während der Visite bleiben dafür, und die sind selten persönlich.

    Und trotzdem sind Sie gerne Arzt?

    Dr. Weismann: Die ärztliche Tätigkeit an sich ist eine großartige Aufgabe. Wenn aber dann danach der Telefonterror beginnt, Angehörige, Kollegen, Patienten anrufen, ich Befunden hinterher telefonieren muss, ist das nicht wirklich befriedigend. Man hat keine Minute Ruhe und kann keinen Gedanken ohne Unterbrechung zu Ende denken.

    Wenn Sie noch einmal wählen könnten, würden Sie wieder Arzt werden?

    Dr. Weismann: Wenn man Kollegen befragt, die schon lange dabei sind, behaupten mindestens 50 Prozent, dass sie nie wieder Arzt werden würden. Ich kann das nachvollziehen.

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