„20 Prozent auf alles“, das war ein beliebter Werbespruch der Praktiker-Baumärkte in der gnadenlosen Preisschlacht mit den Mitbewerbern. Gabriele Kolb kann darüber nur noch bitter lachen. Die Frau aus Waldbrunn hatte mit ihrem Mann am 8. Juli abends im Praktiker in Lengfeld eine Treppe für 750 Euro bestellt und dafür 300 Euro angezahlt. Ein echtes Schnäppchen, dachte sie, denn in einem anderen Baumarkt sollte ein vergleichbares Produkt 1100 Euro kosten. Doch nun ist das Geld erst einmal futsch.
Vier Tage nach der Bestellung hat die Gesellschaft, zu der der Praktiker-Baumarkt in Würzburg gehört, wie andere Gesellschaften auch Insolvenz beantragt. Natürlich wollte das Ehepaar wissen, was nun aus der Treppe wird. Nach mehreren Versuchen haben sie den Marktleiter erreicht. Von dem erfuhren sie, dass wegen des Insolvenzantrages der Hersteller derzeit nicht liefere. Gabriele Kolb forderte darauf ihre Anzahlung zurück, bekam aber vom Marktleiter die Antwort, dass er das nicht dürfe.
„Eine unverschämte Abzocke. Die haben doch sicher gewusst, was bevorsteht“, ist die Geschädigte verärgert. Ihre Wut ist verständlich, doch dass der Marktleiter die Anzahlung nicht zurückbezahlt hat, ist nicht zu beanstanden. Altforderungen vor dem Insolvenzantrag dürfen bis zum Abschluss des Insolvenzverfahrens wegen der gebotenen Gleichbehandlung nicht ausbezahlt werden, weder vom Marktleiter noch vom Insolvenzverwalter, teilte dessen Presseagentur auf Anfrage mit.
Vorläufiger Insolvenzverwalter ist Rechtsanwalt Christopher Seagon von der Heidelberger Kanzlei Wellensiek. Der hatte vor wenigen Tagen den Mitarbeitern der Praktiker-Märkte mitgeteilt, dass das Insolvenzverfahren vermutlich Anfang Oktober eröffnet wird. Ab dann können Forderungen offiziell geltend gemacht werden. Kulanterweise durfte die Waldbrunnerin aber schon jetzt in der Kanzlei ihre Forderung anmelden.
Weit schlimmer betroffen als diese Kundin sind die rund 50 Mitarbeiter des Würzburger Baumarktes. Viele von ihnen sind schon seit Jahrzehnten dort beschäftigt und müssen nun um ihren Arbeitsplatz bangen. Das Gute ist dabei eher noch, dass sie für drei Monate ihr Gehalt in Höhe des letztes Nettolohnes weiterbezahlt bekommen – als Insolvenzgeld der Bundesagentur für Arbeit, sagt Peter König, der für Handel im Bereich Aschaffenburg-Würzburg zuständige Sekretär der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di .
König weist darauf hin, dass die Gewerkschaft einen Sanierungstarifvertrag mit der Betreibergesellschaft ausgehandelt habe und die Mitarbeiter so über Verzicht auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld ihren Betrag zur Rettung des Unternehmens geleistet hätten. Die Ursache für den Niedergang bei Praktiker sieht König in einer sinnlosen Preisschlacht gegen die stark gewachsene Konkurrenz, bei der die Kunden am Ende nur noch zu stark reduzierter Ware gegriffen, sonst aber den Markt gemieden hätten.
Das Wichtigste ist für König zunächst, dass die Märkte so schnell wie möglich wieder mit Ware beliefert werden, um ihr Sterben zu verhindern. Dazu laufen derzeit die Verhandlungen mit den Warenkreditversicherern. Inzwischen haben mehrere Baumarktketten wie Obi, Hornbach und Hagebau ihr Interesse an Praktiker öffentlich signalisiert, allerdings nur für einzelne lukrative Filialen und nicht für das Gesamtpaket. Allzu optimistisch sieht König die Überlebenschancen des Praktiker-Baumarktes in Würzburg nicht. Sicher ist für ihn, dass eine ganze Reihe von Märkten geschlossen wird, und er befürchtet, dass Würzburg wegen der starken Konkurrenzsituation zu den Opfern gehören könnte.