Die Übergriffe von Grusel-Clowns bereiten den Profi-Clowns aus der Zirkusbranche, dem Theater oder der Klinik, die mittels Humor ihren kranken Patienten neuen Lebensmut schenken wollen, Sorgen. Viele echte Clowns haben die Nase voll. Wir sprachen mit zwei Würzburger Profis, Peter Baumann alias Clown Batschu, dem Träger der Kulturmedaille der Stadt Würzburg 2015, und Jürgen Keidel alias Clown Heini, die beide seit Jahrzehnten als Clown europaweit unterwegs sind.
Frage: Als Clowns bringen Sie Kinder und Erwachsene zum Lachen. Was geht Ihnen durch den Kopf, wenn Sie in den Nachrichten von Horror-Clowns hören?
Jürgen Keidel: Ich ärgere mich darüber und finde – auch die Berichterstattung über sie – unnötig wie einen Kropf. Sie lockt nur Nachahmer an, die den Trend aufgreifen.
Peter Baumann: Das sehe ich auch so. Genauso ärgert es mich aber, wenn Fußballreporter bei Ausschreitungen Sätze sagen wie „Schauen Sie sich diese Clowns in der Nordkurve an.“ Solche Redewendungen legen das Schreckempfinden in den Begriff mit hinein. Ich möchte damit ebenso wenig in Verbindung gebracht werden.
Sind Grusel-Clowns echte Clowns?
Baumann: Nein. Den Clown gab es schon immer. Er hat nichts mit Horror und Schrecken zu tun.
Keidel: Der Clown ist eine sehr positive Figur, gerade für Kinder. Er wird manchmal missbraucht, zum Beispiel wenn ich sage: „Ey du Pappnase, was bist du denn für ein Clown?“
Wie hat sich die Clownfigur in den vergangenen Jahrzehnten verändert?
Keidel: In meiner Kindheit hat der klassische Zirkusclown eins mit dem Hammer auf den Kopf bekommen, so dass ihm die Tränen als Wasserfontäne aus den Augen geschossen sind. Der Clown in den 50er- und 60er-Jahren hat die Schadenfreude der Menschen bedient. In den 80ern hat sich die Figur gewandelt. Der Clown wurde wieder mehr zum Schauspieler. Heute hat die Figur – gerade wenn ich an die Klinikclowns denke – bei den meisten Menschen eine positive Bedeutung.
Baumann: Mittlerweile gibt es im Zirkus wieder sehr gute Clowns. Das geht in die Comedy-Richtung und beschränkt sich nicht nur auf das „Bumm, Krach, Zack“. Auch Charlie Chaplin war für mich übrigens ein Clown. Grusel-Clowns dagegen sind für mich keine Clowns.
Warum sind Sie Clown geworden?
Baumann: Ich habe früher Straßentheater gespielt. Als sich die Gruppe auflöste, bin ich an der Schauspielerei hängen geblieben. Ich habe gemerkt, dass mir das Clowneske liegt. Über das Clown spielen erfährt man viel über sich selbst.
Keidel: Der Clown entspricht meinem Naturell. Er beobachtet gerne Menschen. Er spielt die Menschen: musikalisch, artistisch und schauspielerisch. Wenn man von allem etwas hat, dann wird man einfach Clown.
Weißclown oder Dummer August – was macht für Sie das Wesen eines guten Clowns aus?
Baumann: Mir liegt der Dumme August. Er ist das Kind. Er geht mit Naivität und Freude an alle Dinge heran. Er scheitert. Er lässt sich überraschen und findet immer wieder das spielerische Element.
Keidel: Der Weißclown ist der Erzieher, der Schlaue, der aber immer wieder vom Dummen August entlarvt wird. Er ist eigentlich nicht lustig, sondern nur dazu da, um den Dummen August darzustellen.
Worin liegt die Stärke des Dummen August?
Baumann: Wir leben heute in einer Gesellschaft, in der Naivität und Offenheit eher ausgenutzt und als Schwäche ausgelegt werden. Der Dumme August ist der Herzliche. Der Weißclown legt ihn immer wieder herein, spuckt ihn beispielsweise mit Wasser voll. Das ist genau der Grund, warum viele Menschen heutzutage scheitern, die sehr viel Herz und Mitgefühl haben. Weil das Werte sind, die in unserer Gesellschaft oft nicht mehr zählen.
Ist der Clown gesellschaftskritisch?
Keidel: Man kann den Clown zeichnen, wie man möchte: als reinen Unterhalter, als Gesellschaftskritiker, als Poeten – doch keinesfalls als Horrorclown, was hätte er dann für eine Funktion? Wenn sich die Menschen zehn Minuten ihres Lebens einer Illusion hingeben, hat der Clown seinen Zweck erfüllt – egal, ob dies durch ein befreiendes Lachen oder einen Moment tiefer Melancholie geschieht.
Was ist der Unterschied zwischen Clown und Comedian?
Keidel: Der Clown spielt die Gefühle der Menschen und der Comedian erzählt Witze. (Er lacht.)
Schminken Sie sich noch für Auftritte?
Keidel: Nicht viel: Rote Nase, eine Brille, rote Lippen, rote Bäckchen. Das Verkleiden und Schminken hilft, in eine andere Rolle zu schlüpfen.
Was war Ihr schönstes Clown-Erlebnis?
Baumann: Es gab einmal ein Mädchen, das mich nach einer Vorstellung im Kindergarten angesprochen hat. Danach erzählte mir die Erzieherin, dass die Kleine das erste Mal, seit sie dort war, überhaupt ein Wort geredet hat. Dass man Augenblicke solcher Magie auslösen kann, bekommt man während der Vorstellung oft gar nicht mit. Ein anderes Mal habe ich vor hundert krebskranken Kindern gespielt. Wenn du weißt, dass kaum eines von ihnen das nächste Jahr überleben wird und du vielleicht der letzte bist, der sie noch einmal zum Lächeln bringt . . . solche Momente als Clown vergisst man nicht.
Sie sind beide positive Menschen?
Keidel: Es gibt die Geschichte vom einsamen Clown. Doch wenn du kein Optimist bist, stehst du das Clown-Dasein keine 20 Jahre lang durch. Es ist ja nicht immer schön. Ich stand auch schon auf der Bühne und dachte: Hoffentlich tut sich ein Loch auf und ich versinke. Es gibt Tage, da kann ich mir eine Clownsnase aufsetzen, bin aber trotzdem kein Clown, sondern Jürgen Keidel.
Gab es Momente, in denen Sie an Ihrem Beruf gezweifelt haben?
Baumann: An dem Beruf und an mir selbst. Aber das gehört dazu. Es ist ein Beruf wie jeder andere.
Was macht Sie als Clowns aus?
Keidel: . . . dass ich in die Fantasie der Kinder eintauche und dass die Kinder das, was ich auf der Bühne mache, verstehen. Dabei ist es egal, ob ich vor syrischen Flüchtlingskindern oder deutschen Walldorfkindern spiele: Der Funke muss bei allen überspringen.
Baumann (deutet auf Jürgen Keidel): Er gibt immer sein Bestes.
Keidel (deutet auf Baumann): Er schläft immer auf der Bühne ein. (Sie lachen.)
Haben manche Kinder Angst vor Ihnen?
Baumann und Keidel: Ja.
Wie entschärfen Sie die Situation?
Keidel: Das, was man im Theater traditionell unter Bühnendisziplin versteht – dass man vor dem Stück nicht im Foyer spazieren geht –, gilt für Kindervorstellungen nicht.
Baumann: Meist spiele ich schon vor meinem Auftritt im Kindergarten ganz unauffällig in der Lego-Ecke oder sitze auf dem Schaukelpferd, so dass sie mich alle sehen. Dann finde ich wie zufällig meine rote Nase und spiele mit ihr. Normalerweise würde ich das nicht tun. Die rote Nase ist das Heiligtum eines jeden Clowns: Es ist die kleinste Maske, die einen Menschen aber völlig verändert.
Würden Sie auf die rote Nase verzichten?
Keidel: Ein Clown ohne rote Nase ist wie ein Kindergarten ohne Kinder. Baumann: Es gibt drei Gründe, für die ich die rote Nase abnehme: wenn kleine Kinder Angst haben, ein heftiger Schnupfen oder für die Rolle an sich.
Vor 30 Jahren hat Stephen King den lieben Spaßmacher ins Gegenteil verkehrt. Haben Sie den Roman „Es“ gelesen?
Keidel: Nein, aber Stephen King hat das sicher nicht gemacht, um Clowns in Verruf zu bringen.
Bringen Horror-Clowns Ihre ganze Branche in Verruf?
Baumann: So weit würde ich nicht gehen. Und wenn, dann würden wir uns vereinigen und die Horror-Clowns werden mal richtige Clowns kennen lernen! (Beide lachen.)
Profi-Clowns aus Würzburg Peter Baumann arbeitet seit 1983 freiberuflich als Clown Batschu für Kinder- und Familienprogramme. Außerdem ist der Würzburger Zirkuspädagoge, Schauspieler und leitet Seminare für Erwachsene mit dem Titel „Entdecke die rote Nase in dir“. Jürgen Keidel tourt seit über 30 Jahren als Kinderclown Heini durch Deutschland. Nebenbei ist der Würzburger Schauspieler und Musiker. AKL