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Würzburg: Punk-Sänger aus Würzburg lebt in den USA: Stimmung alles andere als gut

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Punk-Sänger aus Würzburg lebt in den USA: Stimmung alles andere als gut

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    Der gebürtige Würzburger Matthias Warmuth ist Sänger und Songwriter von „Halfway Atlantic“. Er lebt seit Jahren in den USA als Dozent, arbeitet derzeit aber von Unterfranken aus.
    Der gebürtige Würzburger Matthias Warmuth ist Sänger und Songwriter von „Halfway Atlantic“. Er lebt seit Jahren in den USA als Dozent, arbeitet derzeit aber von Unterfranken aus. Foto: Matt Bender

    Wenn Matthias Warmuth nicht gerade für die Punk-Emo-Band „Halfway Atlantic“ ins Mikro schreit, doziert er an der Uni in Austin. Seit fünf Jahren lebt der Sänger in den USA und harrt derzeit in Würzburg aus. Denn durch Corona hat sich ein Besuch des 32-Jährigen, den die meisten nur Matt nennen, in seiner alten Heimat extrem verlängert. Über das „politische Päuschen“ von den USA sei er nicht traurig, denn „die Dinge waren schon nicht wirklich ohne, auch in Austin“, sagt der gebürtige Würzburger. Welche Einblicke er in die am Dienstag anstehende Wahl gewinnt und wie chaotisch der Alltag von Matt gerade aussieht, lest ihr in einem – am Ende doch recht politischen – Interview.

    Wie gestaltet sich dein Alltag, vor allem hinsichtlich deiner Lehrtätigkeit?

    Matt Warmuth: Puh, das ist alles ein wenig chaotisch seit März. Ich unterrichte Deutsch an der UT Austin. Man kann sich das etwa so vorstellen wie Englischunterricht in der Oberstufe am Gymnasium, also nicht nur Sprache, sondern auch viel Kultur. Es gibt Hausaufgaben, Schreibaufgaben, mündliche Prüfungen und vieles mehr. Konstantes testen also. Die Umstellung auf Zoom und Co. hat zwar gut geklappt, aber es ist schon mit einem enormen Mehraufwand verbunden. Allerdings ist das natürlich meckern auf hohem Niveau. Es gibt nämlich Menschen, auch in meinem privaten Umfeld, die es da mit Corona wesentlich härter trifft. Menschen, die ihre Jobs verloren haben oder mit Kurzarbeit zurechtkommen müssen. Menschen, die jeden Tag nicht nur einer enormen Mehrbelastung, sondern auch einem enormen Risiko bei der Arbeit ausgesetzt sind. Ich denke, das sollte man bei der ganzen Sache nicht vergessen.

    Eigentlich wollten wir heute über deine Musik sprechen, doch die Wahl in den USA beschäftigt die ganze Welt. Da haben wir die Chance, durch dich einen Einblick zu bekommen. Trump ist in unseren Medien omnipräsent. Was hältst du als von deinem Präsidenten?

    Matt Warmuth: Mein Präsident ist er so gesehen nicht, da ich nicht wahlberechtigt bin. Ich denke, dass die politische Lage in den USA seit mehreren Jahren kompliziert ist. Die Stimmung im Land ist nun besonders seit der Corona-Pandemie und den immer wiederkehrenden Berichten von exzessiver Polizeigewalt alles andere als gut. Das kulminierte dann dieses Jahr im Endeffekt in den Black-Lives-Matter-Protesten (BLM) auf der einen Seite.

    „Halfway Atlantic“ mit Sänger Matt aus Würzburg.
    „Halfway Atlantic“ mit Sänger Matt aus Würzburg. Foto: Halfway Atlantic Pressefoto

    Demgegenüber hat man in Deutschland vielleicht auch mitbekommen, wie Bewaffnete beispielsweise das Capitol in Michigan stürmten, um so gegen den Lockdown der Demokraten zu ‚protestieren‘. Wie sich die Regierung und einzelne Gouverneure hinsichtlich Corona und BLM verhalten haben, ist in meinen Augen als äußert problematisch zu bewerten. Die Sterberate in den USA liegt nahezu sechs Mal über der Sterberate Deutschlands. Das lässt sich nicht nur anhand der Eigenheiten des US-Gesundheitssystems erklären. Zum Thema BLM fehlen mir insgesamt die Worte. Ich habe sehr gute Freunde, die in Austin protestiert haben und mit Tränengas beschossen wurden. Ich habe zwei Bekannte in Portland und Videoaufnahmen aus erster Hand gesehen. Der in Austin getötete Demonstrant war der Freund einer entfernten Bekannten. Das Land befindet sich insgesamt in einer tiefen Spaltung und es tut mir vor allem um die Amerikaner leid, die eben nicht für das stehen, was Trumps Amerika repräsentiert.

    Und das betrifft wahrscheinlich auch das Leben an der Uni in Austin?

    Matt Warmuth: Auch an der Uni bekommt man das mit. Zwischenzeitlich wollte die US-Regierung auch alle ausländischen Studierenden ausweisen, falls deren Universitäten komplett auf Onlinekurse umstellen würden. Das Gesetz wurde dann zum Glück gekippt, nachdem einige Unis dagegen klagten, aber es hinterließ schon einen etwas bitteren Nachgeschmack.

    Im Oktober veröffentlichte Matt Warmuth und seine Band „Halfway Atlantic“ den Track „Phantom Pain“:

    Du kritisierst ja auch die politische Lage in Deutschland. Schließlich bist du hier wahlberechtigt.

    Matt Warmuth: Ja, Merkels Entscheidung nicht zur Wahl anzutreten hat ein enormes Machtvakuum hinterlassen. Die Sozialdemokratie muss sich neu erfinden. Die Grünen wiederum profitieren momentan davon. Problematisch sind sicherlich die AFD sowie weitere rechte Gruppierungen, die innerhalb der letzten Jahre verstärkt durch Gewalttaten auf sich aufmerksam machten. Wie auch in den USA gibt es hier in Deutschland institutionellen Rassismus und ähnliche sozialpolitische Probleme, die allerdings in Europa bei weiten noch nicht so krass hervortreten wie in den USA.

    Wie ist vor der Wahl die Stimmung an deiner Uni, bei deinen Studenten? Also speziell im Blick auf die neue Präsidentschaft?

    Matt Warmuth: Ich glaube, dass viele meiner Studenten wie auch Freunde angespannt auf die Wahl blicken. Die Umfragewerte sind eins, die Wahlnacht selbst das andere. Darüber hinaus kommt es in den USA immer noch vielerorts zur sogenannten Voter Suppression (Anm. d. Red: Registrierungshürden, die besonders Minderheiten in den Weg gelegt werden). Auch haben viele den Skandal um eine mögliche russische Wahlmanipulation, die es ja offiziell nicht gegeben hat, nicht vergessen. Diese Tatsachen und die Aussagen Trumps, eine mögliche Wahlniederlage nicht anerkennen zu wollen, tragen sicherlich zu dieser etwas angespannten Situation bei.

    Was bekommst du von Corona in den USA mit, wie ist die Lage dort? Vergleiche es gerne mit Deutschland.

    Matt Warmuth: Ich glaube, das ist schwer zu beschreiben. In Texas haben wir lange Zeit nur sehr wenig davon mitbekommen. Einen richtigen Lockdown wie in Deutschland oder New York gab es nie. Die Fälle waren dann allerdings im Juni sehr hoch, mitunter war Austin zwischenzeitlich Nummer eins, was die Infektionszahlen pro Kopf angeht.

    Du bist auch Musiker der Punk-Emo-Band „Halfway Atlantic“ und hast auch während dieser Zeit etwas veröffentlicht. Wie klappt das während Corona?

    Matt Warmuth: Am 4. März, also eine Woche bevor in Austin zumindest Restaurants und die Uni dicht gemacht haben, spielten wir noch ein Konzert. Auch unsere Tour mit The Ataris wurde leider abgesagt. Danach haben wir uns darauf konzentriert, eine neue EP aufzunehmen. Die ganzen Aufnahmen sind dann parallel zu Corona entstanden – das lässt sich vor allem in „Better Days“ hören.

    Matt, momentan unterrichtest du von Würzburg aus. Wann willst du wieder in den USA sein?

    Matt Warmuth: Ich denke, dass ich zum kommenden Semester, also im Januar, wieder in Austin sein werde. Wir werden zwar wieder online unterrichten, aber ich sehne mich doch etwas nach meinem Büro. Auch das Wetter in Texas ist doch etwas netter. Hatte ich außerdem schon die Tacos erwähnt? (lacht)

    Wenn du die Lage hier siehst: Was wünschst du dir, auch hinsichtlich deiner überfälligen Ausreise?

    Matt Warmuth: Ich hoffe einfach, dass die Menschen aufeinander Acht geben können und Empathie und Mitmenschlichkeit wieder zur Tugend werden. Ich würde mir auch eine Maskenpflicht in der Öffentlichkeit von der Politik wünschen. Es gibt viele Menschen, die stark unter dieser Situation leiden, aber wir müssen das Beste daraus machen.

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