Wer schon immer einmal wissen wollte, wo und wie Maler, Grafiker, Bildhauer, Musiker, Autoren oder Fotografen ihre Arbeiten herstellen, hatte am Sonntag bei der Aktion „Kulturpunkte“ eine riesige Auswahl. Denn der Dachverband Freier Würzburger Kulturträger (DFWK) hatte anlässlich seines 25-jährigen Bestehens zu einem Kunst- und Kulturmarathon eingeladen. 130 Kulturschaffende in Stadt und Landkreis folgten dem Aufruf und öffneten für fünf Stunden ihre Ateliers, Proberäume und Studios.
Vor dem Besuch der Künstler stand die Qual der Wahl. Denn wer sich auf den Kunstparcours begab, musste sich in Anbetracht des Zeitlimits schon genau darüber im Klaren sein, wohin er gehen wollte. Als Hilfe diente die Broschüre des Dachverbands, in der alle Teilnehmer mit ihren Aktivitäten aufgelistet waren.
Zu entdecken gab es viel. In der Würzburger Galerie von Bernhard Schwanitz präsentierte der Hausherr neue, selbst geschaffene Skulpturen. Ergänzt wird Schwanitz' Schau, die noch bis Ostern zu sehen ist, durch nicht alltägliche Bergsteiger-Bilder von Jürgen Stäudtner und großformatige „Wimmelbilder“ von Fabian Gatermann. Jeweils Hunderte von Briefmarken fügte Gatermann dafür zusammen. Die Kulturpunkte-Aktion begrüßt Schwanitz. Damit werde aufgezeigt, wie reichhaltig und vielfältig das Kulturangebot in Würzburg und der Region ist.
Selbst Hand anlegen konnten die Besucher in der Druckwerkstatt im Künstlerhaus im Kulturspeicher. Werkstattleiterin Kristin Finsterbusch zeigte dort, wie eine Radierung oder ein Holzschnitt entstehen. Und die Besucher konnten sich selbst an einer Druckgrafik versuchen. „Eigentlich recht gut“ findet die Künstlerin die „Kulturpunkte“-Idee, doch aus ihrer Sicht gebe es doch eine recht große Ähnlichkeit zu den Tagen des offenen Ateliers: „Man investiert viel Zeit, um im Grunde zweimal das Gleiche zu machen“, so die vorsichtige Kritik von Finsterbusch.
Richtig Betrieb herrschte auf dem Bürgerbräu-Gelände. Das deutsch-finnische Atelier FIN-GER von Matthias Braun und Juhani Karanka war mit blauen und weißen Luftballons in den finnischen Landesfarben dekoriert. Bei einer Überraschungsaktion gab es witzige Preise wie das alkoholische Getränk „Panzerkette“ zu gewinnen. Die Malerin Silivia Muhr hatte ihr Atelier geöffnet, im hinteren Geländebereich konnte man in der Werkstatt von Johannes Hepp seine originellen Skulpturen bestaunen. Im Theater Ensemble gab es einen Vorlese-Workshop.
Zum Entspannen lud die 87BAR ein, wo Bürgerbräu-Eigentümer Roland Breunig ob des Andrangs schon mal selbst die Kaffeemaschine bedienen musste. Auch der Architekt war von den „Kulturpunkten“ angetan: „Wir brauchen in Würzburg solche Veranstaltungen, mit denen auf das Kulturangebot hingewiesen wird.“
Einer der jüngsten Würzburger Kulturpunkte ist die Villa Jungnikl, nur einen Steinwurf vom Bürgerbräu entfernt. Hier präsentierte sich der Stellwerck Verlag für junge Literatur. Christine Ott und Michael Pfeuffer erklärten wie man ein Buch verlegt. Im Falle des Stellwerck Verlags ist dabei zunächst die Voraussetzung zu erfüllen, dass ein eingereichtes Manuskript vor allem innovativ sein muss: „Wir wollen nichts verlegen, was es schon einmal gegeben hat“, sagt Christine Ott.
In der renovierten Villa Jungnikl fühlen sich die Jung-Verleger wohl, sie haben schon jetzt viele Pläne. Auch die „Kulturpunkte“-Aktion findet ihre volle Zustimmung. Besonders gut sei, dass man dabei „Kultur im Vorbeigehen“ erleben kann.
Viel los war auch im Fotoatelier von Katrin Heyer in Zell. Hier konnte man aus der ersten Reihe dabei zusehen wie ein professionelles Porträtfoto entsteht. Dazu gehören nicht nur eine professionelle Kamera und Licht, sondern vor allem auch die Motivation des Porträtierten, damit das von der Fotografin gewünschte Bild entstehen kann. Das konnten die Besucher in einer „Live-Übertragung“ am Laptop mitverfolgen.
Etwa 30 Besucher fanden den Weg ins Fotostudio im Zeller Altort. Viele seien eigens aus Würzburg gekommen. An der „Kulturpunkte“-Aktion gefiel Heyer besonders, dass damit sichtbar wird, was sonst hinter verschlossenen Türen passiert.
Rundum zufrieden war in einer ersten Reaktion am Montag auch der DFWK-Vorsitzende Ralf Duggen. Er habe im großen und Ganzen zufriedene Rückmeldungen erhalten, sagte der Dachverbandschef. Das Spektrum dabei reichte „von positiv bis teilweise auch euphorisch“.
Einer, der nicht ganz so glücklich war, ist der Galerist Gerd Michel aus der Semmelstraße. Die massive Polizeipräsenz rund um die Semmelstraße und die eingeschränkten Zugangsmöglichkeiten wegen der Neonazi-Demonstration am Sonntagnachmittag hätten sicher Interessenten vom Besuch der Veranstaltung mit dem Autorenkreis abgehalten.