Das Neubaugebiet Vorderer Höchberg II sorgt in Reichenberg für Zündstoff. Zum einen ist die Nachfrage nach Bauplätzen groß. Zum anderen möchte eine Bürgerinitiative dieses Baugebiet verhindern.
Zu den Fakten: Schon 20 Jahre reichen die Planungen für das Neubaugebiet am Vorderen Höchberg, eingeteilt in Abschnitt I und II zurück, erklärte Bürgermeister Stefan Hemmerich bei einem Gespräch mit der Readaktion.
Dabei sei die Dimension in der Vergangenheit mit rund 100 Bauplätzen deutlich größer gewesen. Inzwischen habe man den Vorderen Höchberg II auf rund 50 Bauplätze abgespeckt. Die genaue Anzahl sei aber noch nicht festgelegt, da sowohl kleine wie auch große Grundstücke für die Bebauung benötigt würden, so der Bürgermeister.
BI sammelte 125 Unterschriften
Massiven Gegenwind bekommt der Rathauschef von der Bürgerinitiative (BI) Reichenberg, die inzwischen 125 Unterschriften von Reichenberger Bürgern gesammelt hat. Die BI fordert einen Planungsstopp und „zeitgemäße Lösungen für die Weiterentwicklung von Reichenberg“, heißt es in einem Schreiben. Dabei geht es den Kritikern vor allem um eine „maximale Bürgerbeteiligung, mehr Transparenz und keine weitere Ausdehnung Reichenbergs vom Ortskern weg“.
Außerdem wird von Seiten der BI ein fehlendes Verkehrskonzept für das „groß dimensionierte Baugebiet“ bemängelt. Ein erhöhtes Verkehrsaufkommen und eine weiter verstärkte Schadstoffbelastung bedeute, dass ein sicherer Weg zu Kindergarten und Schule sowie ein gefahrloses Spielen der Kinder in diesem Wohngebiet nicht mehr möglich seien.
Zudem bringe eine „Flächenversiegelung am höchsten Punkt der Gemeinde nicht abschätzbare Gefahren für Hochwasserschäden bei Starkregen im Altort“ mit sich, befürchten die Gegner. Weiter geht es um die Frage, warum bestehende Baulücken im gesamten Ort nicht zuerst geschlossen werden, wie Jörg Bergmann von der BI auf Nachfrage deutlich machte.
Denn laut einer Studie der Allianz Fränkischer Süden vom 22. Oktober 2015 gibt es in Reichenberg immerhin 38 Baulücken, 20 Leerstände, drei Brachen und zwei Hofstellen ohne Nachfolger. „Wir wollen schon versuchen, diese Lücken zu schließen und sind mit den Eigentümern im Gespräch“, sagte Hemmerich dazu.
Fünf dieser Bauplätze seien inzwischen auch verkauft. Alle anderen sind in Privatbesitz und würden noch zurückgehalten. Einen Bauzwang gibt es nicht. Auch die leerstehenden Häuser (Leerstände) seien im Privatbesitz. Sobald jemand verkaufen will, sei das überhaupt kein Problem. „Wohnraum in Reichenberg ist sehr beliebt und geht reißend weg, sogar unmögliche Objekte“, so Hemmerich.
Die Gemeinde sei aufgrund ihrer günstigen Anbindung an die Stadt Würzburg vor allem für junge Familien sehr interessant. Immerhin ist man mit der Bahn in zehn Minuten am Hauptbahnhof Würzburg. Schon jetzt liegen deshalb über 50 Anfragen nach Bauplätzen vor.
„Es ist unsere Pflicht als Gemeinde, diesem starken Interesse Rechnung zu tragen“, erläuterte Hemmerich. Darüber hatte der Gemeinderat im vergangenen Jahr in einer Klausurtagung intensiv beraten und sei mehrheitlich zu dem Entschluss gekommen, auch unter Berücksichtigung der Einwände der BI, das Baugebiet Vorderer Höchberg zu vollenden.
Verkehrsbelastung befürchtet
Und was ist mit einer Bebauung am Geisberg, fragt sich Bergmann. Im Erläuterungsbericht des Flächennutzungsplans von 2006 heißt es nämlich: „Eine weitere Ausdehnung entlang des Guttenberger Grundes als mit der 4. Änderung des Flächennutzungsplans dargestellt, ist nicht sinnvoll, da das Ortszentrum schon jetzt erheblich von bloßem Durchgangsverkehr belastet wird und die Wohnbebauung immer weiter vom Ortskern abrückt.“
Deshalb sollten mit der „Änderung R10 südöstlich des Geisbergs neue Wohnflächen entstehen“, hatte das Ingenieurbüro Auktor damals vorgeschlagen. Von dort könne der hohe Anteil an Pendlern unmittelbar auf die B 19 geleitet werden. Eine Bebauung am Geisberg komme erst zum Tragen, wenn die Bebauung am Vorderen Höchberg I und II beendet seien, das sei dem Flächennutzungsplan zu entnehmen, erklärte Bürgermeister Hemmerich dazu. Außerdem habe der Geisberg den großen Nachteil, dass es keine Anbindung an den Altort gebe, weder zu Fuß noch mit dem Auto.
Nicht alle Reichenberger stehen hinter dem Ansinnen der BI, einen Planungsstopp zu erwirken. Von starkem Eigeninteresse ist da die Rede, weil so mancher wohl nur verhindern wolle, dass seine schöne Aussicht in die Natur verbaut werde. Jörg Bergmann nimmt auch zu diesen Vorwürfen Stellung: „Der Vorwurf, man würde als Anwohner lediglich die Verbauung des Blicks befürchten, wäre gleichbedeutend damit, einem Bürger, der sich über die negativen Folgen des Verkehrs Gedanken macht, den Besitz eines Autos anzulasten.“
„Wenn das Baugebiet Vorderer Höchberg in dieser Ausdehnung die vernünftigste Lösung wäre, hätte die BI sicher keine Einwände“, heißt es in einer Stellungnahme. Fakt sei allerdings, dass dies nicht so sei, so die BI. Stattdessen folge man den „Partikularinteressen von einzelnen Gemeinderäten, die ihre Äcker versilbern wollen“. Das sei „Vetternwirtschaft und Amigo-Verhalten“, gegen das sich die BI verwahren wolle.
Gas geben will die Gemeinde nun mit der Bebauung am Schlossblick. Denn die Nachfrage nach Bauplätzen ist groß. Aber auch dort könne nur ein Teil des aktuellen Bedarfs gedeckt werden, so Hemmerich. Das Verfahren zu diesem Baugebiet mit rund 20 frei verfügbaren Bauplätzen befindet sich derzeit in der zweiten öffentlichen Anhörung. Mit einem rechtsgültigen Bebauungsplan rechnet der Bürgermeister Mitte 2016.
Am Schlossblick: BN übt Kritik
Die Stellungnahmen aus dem ersten Anhörungsverfahren wurden in der letzten Gemeinderatssitzung behandelt. Hier hat vor allem der Bund Naturschutz (BN) die artenschutzrechtliche Prüfung aufs Schärfste kritisiert. Von den Planern dargestellte Ausweichmöglichkeiten für bedrohte Arten wie beispielsweise die Fledermaus, seien „abenteuerlich“.
Ferner forderte der BN, dass alle sieben Obstbäume erhalten werden, denn sie seien biotopkartiert und als Landschaftsbestandteil geschützt.
Der Gemeinderat beschloss dazu folgendes: „Um den Versiegelungsgrad auf das Mindestmaß zu begrenzen wurde die Anbindung des Baugebiets nicht auf der bestehenden Straße weitergeführt, wodurch ein Wendeplatz von 22 Quadratmetern im nördlichen Planungsbereich erforderlich gewesen wäre. Deshalb sind drei der sieben Obstbäume nicht zu erhalten.“
„Wir verlieren jetzt zwar drei Bäume, aber wir gewinnen dafür andere Grünflächen“, sagte Bürgermeister Stefan Hemmerich. Und die sollen mit regionaltypischen Gräsern und Kräutern angesät werden mit der Auflage, ganzjährig auf Pflanzenschutzmittel zu verzichten und nur maximal zweimal jährlich zu mähen. Damit erreiche man eine Aufwertung im Vergleich mit der Ausgangs-Ackerfläche, so dass dort mit einer höheren Populationsdichte zu rechnen sei.
Zahlen und Fakten
Vorderer Höchberg I:
Größe: keine Angaben der Gemeinde
Anzahl Bauplätze: keine Angaben der Gemeinde
Stand des Verfahrens: Planung abgeschlossen
Vorderer Höchberg II:
Größe: 6,5 ha
Anzahl Bauplätze: wird noch ermittelt
Stand des Verfahrens: Aufstellungsbeschluss in Vorbereitung
Schlossblick:
Größe: 1,98 ha
Anzahl der Bauplätze: 24
Stand des Verfahrens:
Beteiligung der Öffentlichkeit Text: WW