Aus den geöffneten Schulfenstern der Goethe-Kepler-Grundschule dringen Lieder mit Texten wie „Alles Gute zum Ruhestand...“. Kinder singen, und von einer Gitarre kommen die Akkorde. Es ist nicht schwer zu erraten, worum es geht: Es wird viel vorbereitet für die Abschiedsfeier von Schulleiterin Marianne Kemper am Donnerstag. Mit 64 macht sie den Weg frei für ihre Nachfolgerin Stefanie Schiffer.
Etwas verschmitzt sagt sie, sie dürfe ihr Büro inzwischen „nur noch nach vorheriger Anmeldung verlassen“, und wenn sie an den Kopierer will, würden manche Kopien schnell weggesteckt. Unterdessen proben Kinder im Flur ihren Auftritt.
Marianne Kemper kam als junge Lehrerin an die Schule. Sie hatte in Bamberg studiert und ihr Referendariat in Ebermannstadt absolviert. Letztlich kämpften sie und ihr Mann ums Zusammensein und konnten in Würzburg Beruf und Privates zusammenbringen. Ursprünglich aus der Oberpfalz, kam sie über Oberfranken in die Mainfranken-Metropole.
„Das Schulhaus war in sehr schlechtem Zustand,“ erinnert sie sich. 1938 fertiggebaut, war es für kurze Zeit Lazarett und dann wieder Schule, „in den Wänden waren Löcher, und die Leitungen waren nicht gestrichen.“ Zur 50-Jahr-Feier seien die Fenster saniert worden, „und allmählich wich das Behördengrau.“ Allerdings hätten es die Fenster inzwischen schon wieder nötig. Und was es nie gab an der Schule war Platz, so Rektorin Kemper. Dennoch arrangierte sie sich, ja verliebte sich in Kinder und Schule. Es war „Liebe auf den zweiten Blick“, erzählt sie. Schulleiterin war Lieselotte Trump, als Kemper 1984 an die Goetheschule kam. Ihr folgten Heide Firnkes, Marlies Umhau und Alfons Miethaner als Rektoren, bevor sie 2009 selbst Schulleiterin wurde (Konrektorin wurde sie mit dem Schuljahr 1998/99). Inzwischen wurde sie noch Zweitprüferin an der Uni und an ihrer Schule Praktikumslehrerin: „Meine Nachfolgerin war auch bei mir,“ schmunzelt sie. Sie freut sich über die „vielen Nationen mit vielen Farben“ der Praktikanten, „wir empfinden das wirklich als Bereicherung.“
Und noch eine Feststellung rückblickend: „Damals gab es sehr große Hauptschulen – die heutigen Mittelschulen – und kleine Grundschulen. Heute ist das umgekehrt.“ Die Goethe-Kepler-Grundschule hat einen zweiten Bau in der Cronthalstraße, ebenfalls im Frauenland, auf einem Gelände mit der Sternwarte. Insgesamt hat die Schule 352 Kinder in zwei Häusern und bräuchte noch dringend Räume für die Mittagsbetreuung, so Kemper.
Mit den Eltern habe sie von Anfang an sehr gut zusammengearbeitet, resümiert sie. Das Vertrauen wuchs mit den Jahren mehr und mehr. Marianne Kemper bildete sich immer wieder fort, insbesondere im Bereich Hochbegabtenförderung. Und es gelang ihr immer wieder, solche Kinder zu finden. „Es gibt Kriterien,“ sagt sie: „Die Hochbegabten sind in der Regel sehr neugierig, haben einen großen Gerechtigkeitssinn und viele haben verblüffende Lösungsansätze.“ Ihr sonderbarster Fall war vor vielen Jahren ein Junge, der zwar nicht gut lesen konnte, im Computer aber ein Schachprogramm fand und sich als leidenschaftlicher Schachspieler entpuppte.
Solche Entdeckungen sind oft die Türen zu den Kindern, durch die man ihre Begabungen finden und sie auch in weiteren Bereichen fördern kann. Umgekehrt hatte sie einen schwierigen Schüler, der aufgrund seiner Aggressivität ohne Schulbegleiter, vermittelt übers Jugendamt, hier nicht hätte gehalten werden können. So war zwischendurch auch Einzelbetreuung durch den Begleiter möglich.
Die Aufmerksamkeit für die bunte Palette von Schülern und das liebevolle Verständnis der Eltern erlaubten es ebenfalls schon vor Jahren, ein behindertes Kind im Rollstuhl mit den anderen zusammenzubringen und gemeinsam lernen zu lassen.
Was immer auch allen zuteil wurde, war der Schwimmunterricht in den dritten und vierten Klassen. Ein Teil der Schüler geht ins Adami-Bad, der andere ins Bad der Oberthür-Schule.
Marianne Kemper wollte ursprünglich Gymnasiallehrerin werden, hatte sich aber rasch für den jetzigen Beruf als Grundschullehrerin entschieden. Die Geduld, die die Schüler einfordern, machen sie x-mal gut, „sie geben einen Vertrauensvorschuss, sind so erfrischend offen und fragen gleich ,was machst'n du da?' oder drücken sich kurz an mich.
“ Die Rektorin hat diese Wahl nie bereut.
Die Schule hat auch ehrenamtliche Seniorenhelfer, die Nachhilfe gratis anbieten. Bis sie selbst das mache, dauere es aber noch einige Zeit. Zuerst kommen die Freunde, sagt sie, und ein E-Bike werde sie sich auch kaufen.
Abschiedsfeier ist diesen Donnerstag, „da heul' ich bestimmt Rotz und Wasser!“