Bei seinem Prozess im Dezember hatte er sich aufgeführt wie die sprichwörtliche offene Hose, jetzt bekommt er die Quittung dafür: Das Amtsgericht verurteilt einen Studenten wegen Beleidigung.
Anlässlich der Verhandlung gegen den 23-Jährigen am 9. Dezember 2015 war ein ganz großes Fass aufgemacht worden. Wie damals berichtet, hatte die „Antifa“ behauptet, der Prozess gehöre zu einer „Welle von Repressionsverfahren gegen die linke Szene in Würzburg“, in vom Sozialistisch-Demokratischen-Studierendenverband (SDS) verteilten Flugblättern hieß es, die Würzburger Justiz wolle das Engagement politisch links Stehender „mit ihren Repressalien lahmlegen“ – und der Angeklagte hatte sich im Gericht als Opfer „staatlicher Repression“ bezeichnet. Das alles, weil der Student einen Strafbefehl über 120 Tagessätze zu je zehn Euro (insgesamt 1200 Euro) bekommen hatte. Er habe, so hieß es darin, einen Polizisten „Rassist“ geheißen.
Weil er gegen die Entscheidung Einspruch einlegte, kam es damals zu einer öffentlichen Verhandlung. Und die mündete in einen Tumult: Der Angeklagte nannte den Richter „Faschist“, die Zuhörer johlten und der Sitzungssaal musste geräumt werden, bevor der Prozess beendet war. Jetzt, zehn Monate später wird die Sache neu aufgerollt. Und es kommt auch noch die Beleidigung des Richters dazu.
Der Angeklagte, dessen Verteidiger das Mandat niedergelegt hat, ist diesmal deutlich zurückhaltender, die 17 Zuhörer im streng bewachten Sitzungssaal sind ganz ruhig und Flugblätter gibt es auch nicht. „Ich stehe vor Gericht, weil ich eingeschritten bin, als die Polizei Menschen diskriminiert hat“, sagt der 23-Jährige, „die Repressionsbehörden kriminalisieren solidarisches Handeln“.
Es geht um eine Polizeikontrolle am Busbahnhof im Dezember 2014. Polizeibeamte ließen sich damals von drei Somaliern die Ausweise zeigen, weil die Afrikaner sich als Besitzer eines zuvor „herrenlosen“ Koffers zu erkennen gegeben hatten. Als der Student und seine Begleiter dazu kamen, wussten sie noch nicht, worum es ging. Sie sahen nur, dass die Polizei die Afrikaner kontrollierte.
„Hilflos“, „ohnmächtig“ und „eingeschüchtert“ seien die Somalier gewesen, erzählt der 23-Jährige jetzt vor Gericht. die Polizisten seien „aggressiv“ und „autoritär“ aufgetreten. Als eine Frau zu weinen begonnen habe, habe er die Maßnahme der Beamten „rassistisch“ und „nicht rechtmäßig“ genannt und die Polizisten aufgefordert, „die Menschen in Ruhe zu lassen“, sagt der 23-Jährige. Dafür habe er einen Platzverweis kassiert und man habe ihm „Gewahrsam“ angedroht. Er habe aber keinen Polizisten als Rassisten beschimpft.
Das sehen die Polizeibeamten anders und bezeugen es auch. Die drei Freunde des 23-Jährigen bezeugen, dass ihr Kumpel die Wahrheit sagt.
Nun geht es um die Beleidigung des Richters. Er stehe dazu, dass er den Juristen einen „Faschisten“ geheißen und ihm gesagt habe, er könne ihn „mal kreuzweise“, sagt der Angeklagte. Nach dem Eklat im Sitzungssaal im Dezember 2015 hatte er dem Richter einen Täter-Opfer-Ausgleich angeboten, zu dem es aber nicht kam. Allerdings hat der Jurist den Studenten nicht angezeigt. Das hat der Landgerichtspräsident getan.
Der Staatsanwalt sieht sowohl die Beleidigung der Polizisten als auch die des Richters als erwiesen an und fordert für den 23-Jährigen, der schon mehrmals verurteilt wurde, eine Freiheitsstrafe von zehn Monaten mit Bewährung. Der Angeklagte stellt keinen Antrag.
Das Gericht spricht den Studenten vom Vorwurf der Beleidigung des Polizisten frei. Es seien zu viele Zweifel an seiner Schuld geblieben, sagt der Vorsitzende. Für die Beleidigung des Richters gibt es eine Geldstrafe von 270 Tagessätzen zu je zehn Euro, insgesamt 2700 Euro. Der Student, der derzeit nach eigenen Worten weder BAföG noch Kindergeld bekommt, kann sie in Raten zahlen oder abarbeiten. Wird das Urteil rechtskräftig, erscheint die Strafe im Führungszeugnis des 23-Jährigen.