"Wir waren echt und ihr werdet unecht sein!" Ein Kernsatz aus dem Stück "Ich war ein Mensch", mit dem das Torturmtheater Sommerhausen (Lkr. Würzburg) seine Saison eröffnete. Die 1977 in Neubrandenburg geborene, mit zahlreichen Stipendien und Preisen geehrte Autorin Katharina Schlender hat ein Stück geschrieben, das das rasende Tempo unserer Zeit zum Thema hat, mit all seinen Herausforderungen und Veränderungen. Es ist ein Ein-Personen-Stück, ein Requiem, ein Liebeslied an das Leben.

Es geht um den Geruch von warmem Apfelkuchen, von abgeernteten Feldern und frischer Erde, um Müllsammelaktionen, den Verzicht auf Fernsehen und die ewige Sehnsucht nach Unsterblichkeit. Und um eine Gegenwart, in der angesichts der sich immer schneller entwickelnden Technisierung so viel verlorengeht, was Menschlichkeit ausmacht. Die nur noch eine Ansammlung von Belanglosigkeiten zu sein scheint.
Als Spritzkuchen, Topflappen und gebügelte Hemden noch wichtig waren
Unter der sorgsamen Regie von Eos Schopohl kommt eine ganz in Grau gekleidete Frau auf die Bühne, nimmt auf einem schwarzen Stuhl Platz. Schaut über die Schulter ins Publikum, während ein Video die gesamte Rückwand der Bühne einnimmt. Die Frau beginnt eine Rückschau, die unter die Haut geht. Eine gute Stunde lang reflektiert sie die Vergangenheit: "Ich war ein Mensch - ich habe versucht, es gut zu machen". Sie erinnert sich an Menschen und deren Hoffnung auf Glück, an ihre Mutter, für die Topflappen, Spritzkuchen und Schneeflocken wichtig waren, an den Vater, für den gebügelte Hemden, Oberlippenbart und Tomatensalat alles bedeuteten.

"Wir hatten es in der Hand, etwas zu ändern", sinniert sie. Stattdessen breitet sich ein Ideal aus, sie nennt es "Ding", dem weder Bedürfnisse noch Gefühle wichtig sind. Dem das Menschsein nicht mehr reicht. Berge von Realitäten und Unwahrheiten, Chaos und das Ende der Menschlichkeit entwickeln und mischen sich.
Die Schauspielerin, die hier spricht, schreit, flüstert, tanzt und sinniert, ist Katharina von Harsdorf. Sie stellt Fragen ("Warum glaube ich, dass wir einmal wichtig waren?"), gibt Antworten ("Monster sind wir schon") und fesselt von der ersten Sekunde an mit wachen Augen und gezielt eingesetzter Körpersprache. In jedem Augenblick ist sie ganz genau auf dem Punkt, glaubhaft, wenn sie in Erinnerungen an Momente des Glücks oder der Verzweiflung oder an Sexerlebnisse verharrt, wenn sie poetisch in ihrer Liebe für das Leben schwelgt.
Begeistert, betroffen und nachdenklich applaudiert das Premierenpublikum.
Auf dem Spielplan bis 7. Juni. Spieltage: Di. bis Fr., 20 Uhr, Sa. 16.30 und 19 Uhr. Karten: kartenbestellung@torturmtheater.de oder telefonisch ab 16 Uhr, (0 93 33) 268.