Die Kripo hat viel zu tun, große Mengen von Akten und Daten müssen ausgewertet werden. Die Unterlagen sind bei Durchsuchungen im Rahmen der Finanzaffäre um die kirchliche SBW-Bauträger-und Verwaltungs-GmbH Anfang August sicher gestellt worden. Am 9. August haben die Ermittler auch die Räume des emeritierten Domkapitulars Jürgen Lenssen unter die Lupe genommen. Er war Aufsichtsrat der SBW und bis 2013 Kunst- und Baureferent der Diözese.
„Hauptsächlich elektronische Datenträger“ und „Schreiben“ seien bei den Durchsuchungen, darunter auch die Büroräume der SBW in Würzburg, sichergestellt worden, erklärt der Würzburger Oberstaatsanwalt Dieter Brunner auf Anfrage. Die Auswertungen seien noch nicht abgeschlossen.
„Ermittlungstaktische Gründe“
Der stellvertretende Chef der Würzburger Staatsanwaltschaft bestätigt Informationen der Redaktion, nach denen er selbst dabei war, als Polizeibeamte am 9. August in der Würzburger Wohnung des zu dieser Zeit in England weilenden ehemaligen SBW-Aufsichtsrats, ehemaligen Bau- und Kunstreferenten der Diözese, Jürgen Lenssen, nach Unterlagen suchten. Auf die Frage, ob das üblich sei, antwortet Brunner: „Bei wichtigen Verfahren sollte immer ein Staatsanwalt anwesend sein.“
Den Kleriker zu fragen, ob er eventuelle Beweismittel freiwillig raus gibt, sei „aus ermittlungstaktischen Gründen“ nicht in Frage gekommen, sagt der Oberstaatsanwalt. Das gelte auch für die anderen Zeugen, deren Räumen durchsucht wurden. Darunter war auch das Künstlerehepaar, das den Erbachshof in Eisingen (Lkr. Würzburg) von der SBW gekauft hat.
Pragmatischer Hintergrund?
Dass bei Zeugen einer möglichen Straftat überhaupt durchsucht wird, sei „zwar nicht die Regel“, gibt Brunner zu. „Aber es kommt, hauptsächlich bei Wirtschaftsdelikten, immer wieder mal vor.“ Laut von der Redaktion befragten Anwälten, die nicht genannt werden wollen, könnte das Vorgehen der Staatsanwaltschaft auch einen pragmatischen Hintergrund haben: Im Gegensatz zu Beschuldigten haben Zeugen kein umfassendes Aussageverweigerungsrecht. Sie dürfen nur schweigen, wenn sie sich „durch die wahrheitsgemäße Beantwortung von Fragen selbst belasten würden“. In der SBW-Finanzaffäre ist Otmar F., der gekündigte Geschäftsführer des kirchlichen Unternehmens, laut Brunner bislang der einzige Beschuldigte. Die Strafanzeige der Diözese, die sich bei dem Verkauf des Erbachshofs geprellt fühlt, richtet sich allerdings nicht nur gegen F., sondern auch gegen „gegebenenfalls weitere Verantwortliche“.
Keine Hausdurchsuchung bei Bauer
Oberstaatsanwalt Brunner betont, dass Durchsuchungen bei Zeugen nur dann zulässig seien, wenn es „Anhaltspunkte“ gäbe, dass dort „Beweismittel zu finden“ seien. Aus diesem Grund sei auch beim ehemaligen SBW-Aufsichtsrat und Bürgermeister von Würzburg, Adolf Bauer (CSU), nicht durchsucht worden. „Da gab es keine Anhaltspunkte“. Bauer selbst mag sich zu allen Vorgängen um die SBW-Affäre nicht äußern. „Ich sage dazu nichts mehr“, erklärt er am Telefon.
Sechs-Augen-Gespräch
Lenssen hat eine Vermutung, warum bei Bauer nicht durchsucht wurde: „In diesem Juni“, so erzählt er im Gespräch mit der Redaktion, habe er sich mit dem damals noch amtierenden bischöflichen Finanzdirektor und Vorsitzenden des SBW-Aufsichtsrats, Albrecht Siedler, und dem damals ebenfalls noch im Amt befindlichen Geschäftsführer F. zu einem Gespräch getroffen. Dabei sei es darum gegangen, wie das Künstlerehepaar seine Schulden bei der SBW bezahlen kann.
Wie berichtet hatten die Künstler 2016 den „Erbachshof“ in Eisingen für 1,365 Millionen Euro von der SBW gekauft. Laut Ordinariat soll es im Kaufvertrag verschiedene Vereinbarungen gegeben haben, von denen die Diözese erst nach Abschluss erfahren haben soll. Unter anderem soll die SBW den Käufern 400 000 Euro vom Kaufpreis bis zum Jahr 2021 zinslos gestundet haben.
„Keine Ankäufe von Kunstwerken“
Bei der Unterredung im Juni, so Lenssen, sei besprochen worden, „dass die SBW keine Werke der Künstler ankauft“. Vielmehr sei man überein gekommen, dass das Paar „von sich aus Anstrengungen unternehmen“ sollte, Kunstwerke zu veräußern, um die 400 000 Euro zu tilgen. Bei diesem Gespräch sei Adolf Bauer nicht dabei gewesen. „Das könnte ein Grund dafür sein, dass bei ihm nicht durchsucht wurde“, sagt Lenssen.
Das Sechs-Augen-Gespräch, von dem der emeritierte Domkapitular erzählt, soll also ganz kurz vor der Abberufung des SBW-Geschäftsführers und genau so kurz vor der Auflösung des SBW-Aufsichtsrats – aber zwei Jahre nach dem Verkauf der Immobilie stattgefunden haben. Wie berichtet, steht der Verdacht im Raum, F. könnte sich für den Ankauf von Kunstwerken des Ehepaares durch kirchliche Einrichtungen stark gemacht haben, damit die beiden den Erbachshof bezahlen können.
„Alles bei SBW archiviert“
Über die Unterredung im Juni soll es laut Lenssen ein Protokoll geben: „Das liegt bei der SBW.“ Er selbst habe es, wie andere Protokolle auch, zerrissen. „Warum hätte ich solche Sachen aufheben sollen?“, fragt er. „Es wurde doch alles bei der SBW archiviert.“
Dass die Polizei bei der Durchsuchung seiner Wohnung seinen Laptop und einige USB-Sticks mitgenommen hat, findet Lenssen „verwunderlich“. Mit moderner Technik habe er nichts am Hut, sagt er. Das Notebook habe er benutzt wie eine Schreibmaschine. „Wenn ich mal eine E-Mail verschicken muss, erledigt das ein ehemaliger Mitarbeiter für mich.“ Auf den bei ihm sicher gestellten USB-Sticks hätten sich nur „Fotos von Kunstwerken in Kirchenräumen“ befunden.
„Kein Schuldgefühl“
„Ärgerlich“ sei, dass die Ermittlungsbehörden im Rahmen der Durchsuchung die Tür seiner Ferienwohnung im Kreis Kitzingen „beschädigt haben“, sagt Lenssen. Oberstaatsanwalt Brunner hingegen erklärt, dass diese Räume zwar „Durchsuchungsobjekt“ gewesen seien. Nach telefonischer Rücksprache mit Lenssen und „weil man von außen sehen konnte, dass sich mit hoher Wahrscheinlichkeit keine Beweismittel dort befinden“, habe man aber davon abgesehen, „mit Gewalt einzudringen“. Alles andere, so Brunner, „wäre unverhältnismäßig gewesen“. Die Hauptwohnung Lenssens in Würzburg habe nicht aufgebrochen werden müssen, weil jemand aus dem Generalvikariat sie den Ermittlern aufgeschlossen habe.
Nach eigenen Angaben ist Lenssen bislang noch nicht als Zeuge in dem Ermittlungsverfahren gegen Otmar F. vernommen worden. Er ist erstaunt, dass die Durchsuchungen erst vier Wochen nach der Anzeigeerstattung der Diözese stattgefunden haben. „Wenn es etwas gegeben hätte, was ich hätte verschwinden lassen wollen, hätte ich Zeit genug dafür gehabt“, sagt er, „es gab aber nichts.“ Einen Anwalt hat der emeritierte Domkapitular nicht: „Ich habe ja kein Schuldgefühl.“
Eine Chronologie der SBW-Affäre finden Sie hier.