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Schauspieldirektor Bernhard Stengele: "Lasst die Leute debattieren!"

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Schauspieldirektor Bernhard Stengele: "Lasst die Leute debattieren!"

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    Freund der Alternativen: Schauspieldirektor Bernhard Stengele vermisst die breite Diskussion und Bürgerbeteiligung beim Thema Frankenhalle und Theatersanierung.THERESA MÜLLER
    Freund der Alternativen: Schauspieldirektor Bernhard Stengele vermisst die breite Diskussion und Bürgerbeteiligung beim Thema Frankenhalle und Theatersanierung.THERESA MÜLLER Foto: Foto:

    Die Debatte um die geplante Nutzung der Frankenhalle fürs Mainfranken Theater ist in vollem Gang. Rathaus- und Theaterspitze haben sich auf das denkmalgeschützte, aber marode Gebäude in der Pleich festgelegt. Es scheint, als herrsche unter den Fachleuten Einigkeit, doch der Schein trügt. Bernhard Stengele, der scheidende Schauspieldirektor des Mainfranken Theaters, stand nach – so berichtete er – „mehreren schlaflosen Nächten“ Rede und Antwort. Er wolle seinem Theater nicht schaden, aber einen konstruktiven Beitrag zur Diskussion leisten.

    Frage: Herr Stengele, noch eine Woche hier – spüren Sie Abschiedsschmerz?

    Bernhard Stengele: Gerade geht's. Eine Zeit lang war's schlimm. Jetzt gucke ich schon mehr nach vorne.

    Warum gehen Sie?

    Stengele: Weil ich hier für mich keine Arbeitsperspektive mehr gesehen habe. Die ist entscheidend, damit man gute Sachen machen kann.

    Zu hören ist, Kulturreferent Muchtar Al Ghusain und Intendant Hermann Schneider wollten Sie nicht mehr.

    Stengele: Das ist, glaube ich, kein Geheimnis und auch wechselseitig.

    Die Stadt plant den Umbau der Frankenhalle für das Mainfranken Theater – erst als Ausweich-, dann als Zweitspielstätte. Was haben Sie dagegen?

    Stengele: Das erste, was mir nicht daran gefallen hat, war, dass die Stadtverwaltung gesagt hat, entweder wir machen es mit der Frankenhalle oder wir machen es gar nicht. Es gab für mich, wenn man das Thema Ausweichspielstätte betrachtet, gute Alternativen, die noch nicht einmal geprüft worden sind. Das fand ich unprofessionell und ärgerlich.

    Welche?

    Stengele: Zum Beispiel das Bürgerbräu-Gelände, die Räume, in denen früher das Autonome Kulturzentrum untergebracht war. Für ein paar Millionen kannst Du einziehen und drin bleiben – tolles Ding, Infrastruktur, alles da.

    Sie kennen die Räume, weil sie dort für „Die Orestie“ geprobt haben.

    Stengele: Eben. Und man konnte da einfach gut arbeiten. In die Viehhalle kannst du ja gar nicht rein, ohne dass du vorher eine Lebensversicherung abschließen musst. Dann die ganze Heimlichtuerei! Da tobt auf der einen Seite Stuttgart 21, wo sich Bürger zurecht beschweren, weil sie nicht beteiligt werden, und dann versucht man hier alles heimlich voranzutreiben und dann als alternativlos hinzustellen. Ein weiterer Punkt ist: Wenn man die Frankenhalle wirklich zu so einer multiflexiblen Spielstätte machen will, dann wird das mehr Geld kosten, als momentan veranschlagt wird.

    Tun wir mal so, als wäre der Umbau der Frankenhalle finanziert.

    Stengele: Was das Theater braucht, ist nicht eine große Spielstätte, die haben wir auf einem nach der Renovierung sehr hohen Niveau. Wir brauchen eine mittlere Spielstätte, wo wir klassische Schauspielstücke oder aber auch ein Stück wie „Die Schutzflehenden“ spielen können. Wir stehen immer vor der Entscheidung: große Bühne heißt schlechte Auslastung, machen wir es in der Kammer, verstecken wir's, weil es interessiert keinen, was in der Kammer passiert.

    Einspruch!

    Stengele: Da kommen schon Leute. Aber für so etwas wie „Die Schutzflehenden“ brauchst du ein Medienecho. Und in die Kammer kommen keine Medienleute und keine berufsmäßigen Stadträte. Wir sind die einzige mittlere Großstadt im deutschsprachigen Raum, die diese mittlere Spielstätte nicht hat. Ich hab‘s nachgeprüft. Dafür braucht man aber die riesige Viehhalle nicht, das kriegen wir im Mutterhaus unter.

    Intendant Schneider plant, in der umgebauten Frankenhalle Stücke en suite zu spielen, also über mehreren Wochen nur eine Produktion aufzuführen.

    Stengele: Das halte ich für nicht durchführbar. Ich habe hier bald 30 Inszenierungen gemacht, zum Teil große Erfolge, keine hätte man en suite spielen können.

    Dem Vernehmen nach soll ein Raum entstehen, der auch für mittelgroße Produktionen genutzt werden kann.

    Stengele: Dafür müsstest du einen Riesenraum wieder zubauen.

    Dass Sie Ihre Meinung öffentlich formulierten, hat Sie Ihren Job gekostet?

    Stengele: Das kann man so nicht sagen. Ich habe vor zwei Jahren mit der Geschäftsleitung . . .

    . . . Intendant Hermann Schneider und Geschäftsführer Klaus Heuberger . . .

    Stengele: . . . über Strategien und Perspektiven geredet. Da wurde klar, dass wir keine gemeinsamen Vorstellungen teilen. Dann habe ich gesagt, das Afrika-Projekt steht, ich bleibe auf jeden Fall noch bis zum Ende der jetzt laufenden Spielzeit, dann aber ist Schluss. Das hat sich dann im Herbst noch mal verschärft.

    Wie?

    Stengele: Da hat der Kulturreferent mir mitgeteilt, dass es logisch sei, dass weder die Stadt noch die Theaterleitung mit so einem Menschen, der mit Stadträten über die Frankenhalle redet und eine andere Meinung vertritt, zusammenarbeiten kann.

    Haben Sie das denn getan?

    Stengele: Ja, auf Einladung dieser Stadträte.

    Welchen Weg hätten Sie denn für die Sanierung des Theaters gewählt?

    Stengele: Meiner Meinung nach hätte man sie zu einem Bürgerprojekt machen können. Lasst die Leute debattieren! Fragt sie: Was wollt ihr von eurem Theater? Wie wollen wir es fit machen? Natürlich wäre das eine schwierige Diskussion. Vielleicht wär‘s ja dann die Viehhalle geworden. Aber hier traut man seiner eigenen Bevölkerung nichts zu, deswegen hält man es möglichst lange geheim, gibt nur gefilterte Informationen raus. Und dann wundert man sich, dass alle sauer sind. Es wird nicht konstruktiv und transparent nach Lösungen gesucht.

    Da spielt sicher die Sorge mit, das Projekt könnte scheitern.

    Stengele: Selbst wenn man mit der eigenen Idee scheitern würde, wäre es ein Schritt zu mehr Bürgerbeteiligung, Demokratisierung und dazu, was mir am Herzen liegt: Dass die Kultur nicht so ein Eliten-Ding ist, sondern man sagt: Natürlich ist das euer Theater, lasst uns gemeinsam damit was Tolles machen! Vorschläge?

    Bernhard Stengele

    Der gebürtige Allgäuer, Jahrgang 1963, kam über das Stadttheater Konstanz und das Staatstheater Saarbrücken in der Spielzeit 2004/05 als Schauspieldirektor ans Mainfranken Theater. Stengele inszenierte die Klassiker ebenso wie die Musical-Uraufführung „Goscior – der Zwischenweltler“ und Opern. Vergangenes Jahr würdigte die Jury der Bayerischen Theatertage seine Leistung als Schauspieldirektor mit dem Sonderpreis für couragierte Theaterarbeit. Sein herausragendes Projekt in der laufenden Spielzeit ist „Les Funérailles du désert“, die Kooperation mit dem C.I.T.O., dem Theater in Burkina Fasos Hauptstadt Ouagadougou. Stengele gibt am Donnerstag, 19. Juli, mit seinem Balladenprogramm „Sie haben nämlich Entenfüße“ seine Abschiedsvorstellung in Würzburg. Zur neuen Spielzeit wechselt er als Schauspieldirektor an die Bühnen der Stadt Gera und das Landestheater Altenburg, die sich zu „Theater & Philharmonie Thüringen“ zusammengeschlossen haben.

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