„Ich habe gedacht, die haben schon zu, aber jetzt schau ich mal nach einem günstigen Fernseher.“ Für Robert Fröhlich aus Sommerhausen war das Quelle-Haus „schon immer ein Anlaufpunkt.“ Er könnte auch eine Waschmaschine gebrauchen. Doch Waschmaschinen sind aus; etliche Regale und der komplette erste Stock der 700 Quadratmeter großen Filiale sind leer. „Die Leute kaufen wie verrückt“, sagt Klaus Brietzke, Verkaufsberater und Betriebsrat.
Allein was vergangene Woche los war, hätten er und seine Kollegen noch nicht erlebt: „An einem Tag hab ich fünf Staubsauger verkauft.“ Auch mögliche Garantieprobleme bei der Quelle-Marke „Privileg“ hätten die Kunden nicht abgeschreckt. Bei 30 Prozent Rabatt auf ohnehin schon im Preis reduzierte Elektrogeräte und Kleidung sowie 20 Prozent auf Multimedia-Artikel kommen nicht nur Stammkunden – wie der junge Mann aus dem Landkreis, der „halt mal schauen will, was es so günstiges gibt.“ Nein, zuvor sei er noch nie in dem 42 Jahre alten Laden gewesen.
Für Klaus Brietzke und seine Kollegen ist die Schnäppchenjagd, die in anderen Quelle-Häusern auch schon mal als „Leichenfledderei“ bespöttelt werde, kein Problem – im Gegenteil. Brietzke hofft, dass der Umsatzerlös für die Löhne und Gehälter verwendet wird. Die seien laut Insolvenzverwalter nur bis Ende des Monats, sprich Ende der Woche, gesichert. Dagegen steht eine Information vom September, dass das Quelle-Technik-Center als eines der letzten bis Jahresende abverkauft.
Die Warenbestände sollen noch riesig sein. Brietzke spricht von 25 000 Paletten im Lager in Leipzig und hofft auf neue Ware an diesem Freitag, als Zeichen, dass es noch ein bisschen weitergeht.
Ob dem so ist, vermag auch Pressesprecher Manfred Gawlas nicht zu sagen. Der Insolvenzverwalter habe zwar einen ordnungsgemäßen Abverkauf geplant, doch noch sei alles offen.
„Ein Lächeln der Kunden baut mich auf, was anderes habe ich nicht.“
Jürgen Wohlust Quelle-Mitarbeiter
„Hier herrscht das brutale, reine Chaos“, schildert Gawlas die Situation in der Nürnberger Zentrale. Der Würzburger, seit fast 17 Jahren bei Quelle, weiß selbst nicht, wie lange er sich noch um die Pressearbeit kümmern kann oder darf. Er weiß allerdings: „Dieses unwürdige Ende hat Quelle nicht verdient.“
Das sieht auch die Kundschaft in der Theaterstraße so. Robert Fröhlich „tun die Mitarbeiter leid, die ja häufig keine Chance auf einen neuen Arbeitsplatz haben“. Anita Feser, eine alte Quelle-Kundin, die sich gerade bei den Textilien umschaut, bedauert das Aus „schon sehr“, zumal Quelle immer Sachen hatte, „die man sich auch leisten konnte.“ Sie erinnert sich an ihre Privileg-Waschmaschine, die „über 15 Jahre gehalten hat“ und an die gute Betreuung der Veitshöchheimer Quelle-Agentur von Irene Schwarz: „Man kennt sich seit Jahren.“
Das geht den Noch-Beschäftigten in der Theaterstraße mit vielen ihrer Kunden genauso. Erst drei der elfköpfigen Belegschaft haben einen neuen Job. Benni Heinrich gehört nicht dazu. Der 30-Jährige hat vor 15 Jahren bei Quelle Einzelhandelskaufmann gelernt und ist schon fleißig auf Arbeitssuche. Doch unter Wert und nur auf Zeit will er sich nicht verkaufen. „Das hier war man Leben“, sagt er. „Und was ich hier gelernt habe, kann mir keiner mehr nehmen.“
Trotz ungewisser Zukunft ist im Verkaufsraum von gedrückter Stimmung nichts zu spüren. Die Mitarbeiter bedienen und beraten wie gewohnt – so auch Verkaufsberater Jürgen Wohlust, der schon sein zweites Quelle-Aus innerhalb kurzer Zeit verkraften muss: Nach 14 Jahren schloss 2008 das Quelle-Haus in Suhl und der Thüringer wechselte nach Würzburg. „Ich habe damals alle Brücken hinter mir angebrochen.“
Obwohl er bislang keine neue Arbeit gefunden hat, ist der 53-Jährige verhalten-optimistisch: „Ich bin offen für vieles und irgendwie geht's immer vorwärts.“ Wie schafft er es, angesichts des baldigen Arbeitsplatzverlustes, noch jeden Kunden freundlich zu bedienen? „Ich kann's ohnehin nicht ändern“, sagt Wohlust. „Ich motiviere mich über die Kunden. Ich versuche, ein Lächeln von ihnen zu bekommen. Das baut mich auf. Was anderes hab' ich nicht.“