Mit deutlichen Worten kritisiert der Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschland, Josef Schuster, die jüngsten Äußerungen bei "Querdenken"-Demonstrationen. Schon seit Monaten müsse man mit ansehen, wie bei den "Demonstrationen der Corona-Leugner die Schoa relativiert und deren Opfer sowie Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus hemmungslos instrumentalisiert werden", so Schuster gegenüber dieser Redaktion. Der Mediziner aus Würzburg sagt: "So wie die Demonstranten keine Rücksicht auf die Gesundheit anderer Bürger nehmen, so haben sie auch keinen Respekt vor NS-Opfern. Das ist ein widerliches Schauspiel."
Bei der "Querdenken"-Demonstration gegen die Corona-Maßnahmen am Samstag in Hannover hatte eine Rednerin mit einem Auftritt als selbst ernannte "Sophie Scholl" heftige Reaktionen im Netz ausgelöst. Auf einem Video, das bei Twitter bis Montagmittag mehr als zwei Million Mal angeklickt und mehrere Tausend Male kommentiert wurde, ist eine junge Frau zu sehen, die auf einer kleinen Bühne in der Nähe der Oper zum Publikum spricht. "Ich fühle mich wie Sophie Scholl, da ich seit Monaten hier aktiv im Widerstand bin, Reden halte, auf Demos gehe, Flyer verteile und auch seit gestern Versammlungen anmelde", sagt sie – und vergleicht sich dabei mit der von den Nationalsozialisten 1943 hingerichteten Widerstandskämpferin.
Ordner wirft hin, Schuster lobt
Nach wenigen Sätzen taucht auf dem Video ein junger Mann vor der Bühne auf. "Für so einen Schwachsinn mache ich doch keinen Ordner mehr", protestiert er und reicht der Frau sein orangefarbenes Leibchen. Es gehe hier um eine "Verharmlosung vom Holocaust", die "mehr als peinlich" sei. Die Rednerin entgegnet: "Ich habe doch gar nichts gesagt." Dann beginnt sie zu weinen und wirft ihr Mikrofon weg. Polizisten erscheinen und geleiten den Mann von der Bühne weg. In einem später geposteten Ausschnitt ist die Frau erneut zu sehen. Sie gibt sich "schockiert, dass ich von einem Passanten, oder was auch immer, beleidigt wurde".
Josef Schuster findet lobende Worte für den Mann: "Respekt für den Ordner, der bei diesem Schwachsinn, wie er zu Recht sagte, nicht mitmachen wollte und hinwarf. Wir brauchen diese Gegenwehr von allen Demokraten."
Mitte November verglich sich Mädchen mit Anne Frank
Schon Mitte November hatte eine Elfjährige bei einer "Querdenken"-Demonstration in Karlsruhe auf der Bühne eine Rede vorgelesen, in der sie sagte, die Geburtstagsfeier mit ihren Freunden sei ganz anders gewesen als in den Jahren davor: "Wir mussten die ganze Zeit leise sein, weil wir sonst vielleicht von unseren Nachbarn verpetzt worden wären. Ich fühlte mich wie bei Anne Frank im Hinterhaus, wo sie mucksmäuschenstill sein mussten, um nicht erwischt zu werden."
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Anne Frank hatte von 1942 bis 1944 mit ihrer Familie in Amsterdam im Versteck vor den deutschen Nationalsozialisten gelebt und dort ihr weltberühmtes Tagebuch geschrieben. Sie starb im Frühjahr 1945 im Konzentrationslager Bergen-Belsen im Alter von 15 Jahren.
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