Im Prozess um Betrug und Untreue auf Schloss Neuschwanstein, der am Dienstag vor dem Amtsgericht im schwäbischen Kaufbeuren begonnen hat, soll geklärt werden, wer die Verantwortung für direkte Bargeldzahlungen an die Schlossführer bei Sonderführungen trägt. Mitarbeiter, so der Vorwurf der Anklage, sollen zwischen 2007 und 2010 Sonderführungen nicht abgerechnet und Gelder zweckentfremdet haben.
Der Schaden in den 227 Fällen beläuft sich laut Anklage auf 4825 Euro. Gegen die Strafbefehle der Staatsanwaltschaft Kempten von Anfang 2013 hatten der ehemalige Schlossverwalter und sein Stellvertreter Einspruch eingelegt. Die Strafbefehle sahen Bewährungsstrafen von elf und acht Monaten vor. Der Einspruch der Beamten hat nun zur Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht Kaufbeuren geführt.
„Der Fall wird komplett neu aufgerollt. Die Beamten wollen einen Freispruch“, erklärte der Direktor des Amtsgerichts, Friedrich Weber, auf Anfrage dieser Zeitung. 20 Euro pro Person seien für Sonderführungen außerhalb der Öffnungszeiten genommen worden und in eine schwarze Kasse für das Personal geflossen. Rechtmäßig hätte es aber an die Bayerische Schlösserverwaltung in München gehen müssen. Eine Entscheidung, so Weber, wird es erst am zweiten Verhandlungstag am 15. Juli geben.
Einer der mittlerweile suspendierten Beamten der Bayerischen Schlösserverwaltung wird von der Münchener Rechtsanwältin Ricarda Lang vertreten. Diese hatte gegenüber der Süddeutschen Zeitung (SZ) geäußert, dass es bis zum Jahr 2012 auch in der Würzburger Residenz Bargeldzahlungen für Sonderführungen gegeben habe.
Dass es auch in der Residenz ein Entlohnungsmodell gegeben hat, bestätigt Ines Holzmüller, Pressesprecherin der Bayerischen Schlösserverwaltung auf Anfrage unserer Redaktion. „Die Fälle Neuschwanstein und Würzburg sind aber nicht miteinander vergleichbar.“ Mehr könne sie derzeit zu den Vorwürfen nicht sagen. Dass es noch weitere Schlösser in Bayern mit Schwarzgeldkassen geben könnte, hält Holzmeier aber für „ausgeschlossen“. Dass die Bargeldzahlungen pro Person und Führung in Neuschwanstein 20 Euro betragen haben und in Würzburg angeblich 60 Euro, wie die SZ berichtet, das sei möglich, da es da keine einheitlichen Regelungen gab.
Sollte sich der Verdacht der Schwarzgeldkasse in der Würzburger Residenz bestätigen, dürfte auch hier die entscheidende Frage sein: Wer wusste davon? Und hat die Verwaltung dieses Vorgehen in Neuschwanstein und Würzburg womöglich über Jahre hinweg toleriert? Dann wäre der Fall Neuschwanstein neu zu bewerten und die Brisanz im Zusammenhang mit einem weiteren Fall in Würzburg erheblich. Denn die Schlösserverwaltung ist in Bayern dem Finanzministerium unterstellt.
Der Leiter der Schlösser- und Gartenverwaltung in Würzburg, Gerhard Weiler, ist derzeit im Urlaub, konnte deshalb zu den Vorwürfen keine Stellung beziehen. Eine Anfrage in der Schloss- und Gartenverwaltung Würzburg ergab, dass es seit 2012 keine Sonderführungen außerhalb der Öffnungszeiten in der Residenz mehr gibt. Wie eine Mitarbeiterin erklärte, habe man das einstellen müssen, weil es dafür kein Personal mehr gegeben habe. 2012 war der Fall Neuschwanstein öffentlich geworden.
Ob aufgrund der Vorwürfe nun auch gegen Verantwortliche der Würzburger Residenz ermittelt wird, darüber muss die Staatsanwaltschaft Würzburg entscheiden. Wie der Leitende Oberstaatsanwalt Dietrich Geuder gegenüber dieser Zeitung erklärte, werde man Vorermittlungen einleiten. „Es besteht derzeit kein Anfangsverdacht einer Straftat, aber wir prüfen den Fall.“