Nach der Prognose von stellvertretender Landrätin Karen Heußner „wird das Herz entscheiden“, wenn die Wahlberechtigten in Thüngersheim am Sonntag, 24. September, über Abriss und Ersatzneubau oder Erhalt und Sanierung des Schwesternhauses zur Erweiterung des Kinderhauses Blauland zu entscheiden. Bei der gemeinsamen Informationsveranstaltung der Initiatoren und der Gemeinde am Mittwochabend wurde deutlich, dass es sich bei der durch ein Bürgerbegehren angestoßenen Abstimmung um eine äußerst emotionale Entscheidung handeln wird.
„Die Kostenfrage wird als Entscheidungshilfe zwischen Abriss und Neubau nicht dienen können, da sie momentan nicht seriös beantwortet werden kann“, räumte Bürgermeister Markus Höfling (Bürgerbewegung, BüBew) ein. Wie sorgfältig aber die Bevölkerung die anstehende Entscheidung bis ins Detail abwägt, bestätigte sich in den Wortmeldungen. Bei einem möglichen Abriss befürchten viele einen vermeintlich negativen Einfluss auf die öffentliche Wahrnehmung des für seine denkmalpflegerischen Bemühungen anerkannten Ortes.
Gemeinde wurde jüngst mit Denkmalschutzmedaille ausgezeichnet
Erst im Juni dieses Jahres war der Gemeinde die Bayerische Denkmalschutzmedaille als Auszeichnung für besonderes Engagement im Bereich der Denkmalpflege verliehen worden. „Wie will die Gemeinde künftig gegenüber Sanierungswilligen in Grenzfällen argumentieren, wenn sie selbst das historische Schwesternhaus abreist?“, lautete eine von vielen Fragen seitens der 120 erschienen Besucher in der Raiffeisen-Sporthalle.
Zu einer Entscheidung aufgerufen ist die Bevölkerung deshalb, weil der Gemeinderat in seiner Sitzung am 8. Juni bei 8:3 Stimmen mehrheitlich für einen Abriss des Schwesternhauses votiert hatte. „Diesen Beschluss fasste der Gemeinderat auf Basis der Feststellung der Betreuungsplätze und der Bedürfniserhebung“, verdeutlichte Bürgermeister Höfling. In Abwägung der Argumente hatte das Gremium aus Gründen der höheren Kostensicherheit einem Abriss und nachfolgenden Neubau zur notwendigen Erweiterung des angrenzenden Kinderhauses Blauland den Vorzug gegeben.
Kosten für beide Planungsvarianten annähernd gleich
Gegenüber dem Gemeinderat hatte Architekt Thomas Staab annähernd identische Baukosten für Ersatzneubau und Sanierung eingeräumt. „Ich würde aber nie behaupten, dass das Schwesternhaus nicht saniert werden kann. Allerdings stellt sich die Frage, mit welchem Aufwand“, sagte der Architekt bei der Vorstellung seiner beiden Planungsvarianten.
Resultierend aus dem Ratsbeschluss wurde ein Bürgerbegehren angestoßen, das schnell durch die notwendige Zahl an Unterschriften aus der Bevölkerung bestätigt wurde. Für die Initiatoren des Bürgerbegehrens präsentierten Michael Junginger, Sylvia Peter und Edgar Schäfer bei der Infoveranstaltung eine skizzierte technische Machbarkeitsstudie zur Sanierung des Schwesternhauses. Dabei wurde von zwei, auf deren Wunsch nicht genannten Architekten eine Lösung aufgezeigt, um die insbesondere die im Gebäude vorhandenen unterschiedlichen Ebenen zu beseitigen.
Gebäudeklasse nicht eindeutig bewertet
„Durch das Kappen des Kellers bei gleichzeitiger Anhebung des nicht unterkellerten Gebäudetraktes kann im Erdgeschoss bei durchgängig gleicher Ebene eine Raumhöhe von 2,80 Meter geschaffen werden. Auch im Obergeschoss könnte nach Sanierung eine zweckdienlich notwendige Raumhöhe von 2,90 Metern genutzt werden. Während die den Ortsstraßen zugewandten Nord- und Südfassaden vollkommen unverändert blieben, könnten die Fassaden zum Innenhof hin im Erdgeschoss bodengleiche Fenstertüren erhalten. Diese können als Fluchtwege genutzt werden. Durch die Integration eines Aufzuges in den grundsätzlich neu zu erstellenden Verbindungstrakt könne die Barrierefreiheit gesichert werden und im Erdgeschoss eine barrierefreie Toilette entstehen, erklärte Sylvia Peter.
Auch bei einer Sanierung könne die für die Brandschutzbewertung eminent wichtige, ja entscheidende Gebäudeklasse 3 erzielt werden, erklärte Michael Junginger. Architekt Thomas Staab hatte dies in seiner Bewertung angezweifelt und war von der schlechteren Gebäudeklasse 4 ausgegangen. Nach der bayerischen Bauordnung werden Gebäude mit einer oberen Fußbodenhöhe bis zu sieben Meter der Gebäudeklasse 3 zugeordnet.
Die Gebäudeklasse 4 bezeichnet Gebäude mit einer oberen Fußbodenhöhe von bis zu 13 Meter und Nutzungseinheiten mit jeweils nicht mehr als 400 Quadratmeter Fläche. „Die in der bayerischen Bauordnung angegeben Höhen beziehen sich jeweils auf die Fußbodenhöhen“, bestätigte Kreisbrandrat Michael Reitzenstein auf Nachfrage dieser Redaktion. Gemeinderätin Anja Weber hatte die Frage nach der unterschiedlichen Bewertung der Gebäudeklassen in den Raum gestellt, ohne dass diese bei der Infoveranstaltung abschließend beantwortet werden konnte.
Nach Überzeugung von Edgar Schäffer seien auch die im Schwesternhaus vorhandenen Feuchtigkeitsprobleme in den Griff zu bekommen. Die Entwurfsskizzen zur Sanierung für die angestrebte Nutzung bezeichneten die Vertreter der Initiatoren des Bürgerbegehrens „ohne Kompromisse als technisch und finanziell maximal machbar.“ „Macht endlich Nägel mit Köpfen und saniert das Schwesternhaus“, forderte ein Bürger vehement.