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WÜRZBURG/ KÖLN: Sie weiß, was Ameisenbären wollen

WÜRZBURG/ KÖLN

Sie weiß, was Ameisenbären wollen

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    Ameisenbär. Bild aus dem Buch "Ich glaub, mein Puma pfeift." von Möcklinghoff FOTO Verlag Bastei Lübbe
    Ameisenbär. Bild aus dem Buch "Ich glaub, mein Puma pfeift." von Möcklinghoff FOTO Verlag Bastei Lübbe

    Was für ein schöner Beruf. Lydia Möcklinghoff ist Ameisenbär-Forscherin. Eine lebenslustige Frau, die Wissenschaft mit viel Akribie, aber auch mit Leidenschaft und Abenteuerlust betreibt. Die 34-Jährige hat Biologie mit dem Schwerpunkt Tropenökologie und Verhaltensbiologie in Gießen, Würzburg und Bonn studiert, wo sie derzeit auch promoviert. Jetzt hat Möcklinghoff ein Buch geschrieben. „Ich glaub, mein Puma pfeift“ (Bastei Lübbe Verlag, 333 Seiten, 9,99 Euro) ist eine bunte, unterhaltsame Schilderung ihres Forscherlebens in der brasilianischen Wildnis mit Ameisenbär und Co.. Ihren Anfang nimmt die Geschichte in Würzburg.

    Frage: Der Große Ameisenbär war die Rettung, schreiben Sie in ihrem Buch, weil Ihnen Würzburg „mächtig auf den Keks“ gegangen ist. Was war so schlimm in unserer schönen Stadt?

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    Lydia Möcklinghoff: Das tut mir jetzt leid. Aber es war so. Ich kam 2005 von Gießen nach Würzburg, kannte dort niemanden und bin auch in kein Praktikum reingekommen. Die Seminare waren überfüllt. Ja, und dann ist das tatsächlich eine andere Mentalität. Als Kölnerin quatscht man jeden einfach wild an, selbst im Supermarkt. Der Franke reagiert da etwas konsterniert.

    Und dann kommt man ausgerechnet auf den Ameisenbär?

    Möcklinghoff: Das Thema ist tatsächlich aus der Not heraus geboren. Ich habe so meine Zeit verbummelt, da entdeckte ich eines Tages einen Aushang am schwarzen Brett. „Wer kann sofort nach Brasilien?“, hieß es dort. Ausgeschrieben war ein Praktikum mit Ameisenbären. Ein Kollege aus der Tropenökologie suchte eine Praktikantin zur Unterstützung seiner Forschungen.

    Bild aus dem Buch "Ich glaub, mein Puma pfeift." von Möcklinghoff FOTO Verlag Bastei Lübbe
    Bild aus dem Buch "Ich glaub, mein Puma pfeift." von Möcklinghoff FOTO Verlag Bastei Lübbe

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    rotzdem, es gibt possierlichere Tierchen.

    Möcklinghoff: Das sagen jetzt Sie. Ich finde den Ameisenbär wunderschön. Er ist zum einen ein sehr beeindruckendes Tier, gerade wenn man ihn mal in echt sieht. Er ist relativ groß, so hoch wie ein Schäferhund. Mit Schnauze und Schwanz kommt er dann so auf zwei Meter Länge. Er hat diese sehr klare Fellzeichnung und einen langen buschigen Schwanz. Eine sehr imposante Erscheinung.

    Sie vergleichen ihn mit einer Banane?

    Möcklinghoff: Ja, der Kopf mit der Schnauze ist bananenförmig. Mit wenig Hirn drin. Das ist der zweite Punkt, warum ich den Ameisenbär so gut finde. Er ist sehr eigen und immer in so einer Art Paralleluniversum unterwegs.

    Sie beschreiben ihn als Einfaltspinsel und sehen Parallelen zu uns Männern. Gemein.

    Möcklinghoff (lacht): Dieses Monotasking kommt mir einfach bekannt vor.

    Ameisenbär im brasilianischen Pantanal.
    Ameisenbär im brasilianischen Pantanal. Foto: Bastei Lübbe Verlag

    Wirklich?

    Möcklinghoff: Es kann natürlich sein, dass Sie ein unglaublicher Multitasker sind. Aber es gibt schon Exemplare unter den Männern, die ameisenbärmäßig unterwegs sind.

    Und wie äußert sich Monotasking beim Ameisenbär?

    Möcklinghoff: Er kann sich immer nur auf eine Sache konzentrieren. Das ist neurologisch erklärbar. Wegen seiner geringen Gehirnkapazität muss der Ameisenbär sich fokussieren können. Das heißt: Wenn er Hunger hat, dann sucht er nach Ameisen und frisst. Um sich herum bekommt er nicht viel mit. Da kann man neben ihm stehen, ohne dass er es merkt.

    Er muss ziemlich viele Ameisen fressen.

    Möcklinghoff: 30 000 Ameisen und Termiten pro Tag. Sonst frisst er nichts. Das hört sich viel an, ist aber nicht viel für so ein großes Tier. Das sind nur 180 Gramm.

    Wie erwischt er die Ameisen?

    Möcklinghoff: Er hat relativ lange Krallen an den Vorderpfoten. Damit gräbt er die Ameisennester auf, dann geht er mit seiner Bananenschnauze rein. Seine Zunge funktioniert wie ein Fliegenklebeband. Sie sieht aus wie ein Wurm, ist 60 Zentimeter lang und mit klebrigem Speichel bedeckt. Die Ameisen bleiben dran hängen. Der Ameisenbär hat keine Zähne, die braucht er nicht.

    Sie forschen in der Einsamkeit der brasilianischen Savanne. Warum ausgerechnet dort?

    Möcklinghoff: Ganz so einsam ist es dort gar nicht. Das ist eine Rinderfarm, da leben 20 Leute, aber auf 110 Quadratkilometern. Da herrscht kein Gedränge. Das Pantanal ist keine komplette Savanne, das ist ein Mosaik aus Seen, Flüssen und offenen Schwemmflächen, die jetzt zur Regenzeit überschwemmt werden. Und dann zur Trockenzeit zur Savanne werden. Außerdem gibt es noch Galeriewälder. Sehr schön.

    Lebt er nur dort, der Ameisenbär?

    Möcklinghoff: Den Ameisenbär gibt es ursprünglich von Zentralamerika bis runter nach Uruguay. Das Vorkommen schrumpft jedoch. In Uruguay ist er schon ausgestorben. Über die Gründe müssen wir forschen.

    Wie sieht das konkret aus?

    Möcklinghoff: Ich arbeite mit zehn Kamerafallen, die verteile ich auf meiner Forschungsfläche. Über die Positionen entscheidet der Computer nach dem Zufallsprinzip. Um sie zu erreichen, muss ich mit dem Pferd ins Feld reiten und mich kilometerweit durch den Wald schlagen. Zehn Kamerafallen verteile ich so. Nach sieben Tagen komme ich wieder, sammle sie ein und hänge sie an den nächsten zehn Positionen aus. Kamerafallen lösen automatisch aus, wenn ein Tier vorbei läuft. Sie reagieren auf Körperwärme und Bewegung. Mein Ziel ist es festzuhalten: Wer lebt mit dem Ameisenbär im gleichen Lebensraum. Wann sind die Tiere aktiv? In welchen Lebensräumen kommen die Ameisenbären häufig vor – und wo eher selten? Die Kamerafalle arbeitet genauso gut im Wald wie in der Savanne. Im Gegensatz zum Menschen. Der Mensch sieht den Ameisenbär in der Savanne viel besser. Deshalb war man immer der Meinung, der Ameisenbär sei ein Savannentier. Das ist aber Quark. Die Auswertung zeigt, dass der Ameisenbär eigentlich viel lieber noch im Wald ist. Diese Untersuchungen werden wichtig, wenn es um die Entwicklung von Schutzkonzepten geht.

    Fragen die Behörden die Erkenntnisse ab?

    Möcklinghoff: Zum Teil. Das Abholzen der Wälder ist in Brasilien bereits sehr reglementiert.

    2005 waren Sie erstmals in Brasilien – und dann immer wieder. Was macht den Reiz aus?

    Möcklinghoff: Von 2005 bis 2008 habe ich im Norden von Brasilien gearbeitet, in eher monotonen Akazienplantagen. Seit 2009 bin ich im Pantanal. Es ist ein beeindruckendes Tierparadies. Neben den Ameisenbären gibt es auch Tapire, Nasenbären, Gürteltiere, ...

    Haben Sie nie Angst?

    Möcklinghoff: Manchmal schon. Ich bin kein sehr ängstlicher Mensch, sonst könnte ich das wahrscheinlich nicht machen. Aber es gibt so Situationen, da kann es brenzlig werden. Einmal bin ich in eine Rotte von 200 Peccarys, den südamerikanischen Wildschweinen, geraten. Greifen die Tiere an, hilft es nur noch, irgendwo auf einen Baum zu klettern. Ich bin ruhig weiter gelaufen und habe Geräusche gemacht. Das beruhigt die schlecht sehenden Peccarys, weil sie einen dann leichter orten können und sich nicht mehr bedroht fühlen.

    Klingt nach ganz viel Abenteuer.

    Möcklinghoff: Einmal musste ich vor einer Büffelherde mit meinem Maultier davongaloppieren. Das sind so Momente, wo man tatsächlich mal Todesangst hat. Anderseits gibt es unheimlich viele sehr, sehr schöne Erlebnisse. Die Sonnenuntergänge im Pantanal sind unvergleichlich. Da zieht es einem jeden Abend die Schuhe aus. Die Arbeit dort beschert mir unglaubliche Glücksmomente, selbst wenn ich bei 50 Grad Hitze, umgeben von Zecken und zerkratzt von Dornen, irgendwo im Wald stehe.

    Sie sind eine lebenslustige Rheinländerin. Die brasilianische Savanne hat aber so gar nichts von Party. Kölsch gibt's auch nicht und auch keinen Karneval. Haben Sie nie Heimweh?

    Möcklinghoff: Doch, klar. Ich bin ja meistens in Drei-Monats-Etappen hier und in Brasilien. Ich freue mich jedes Mal aufs Neue, wenn ich wieder im Pantanal bin. Nach drei Monaten fange ich dann aber an, Köln und die Freunde dort wie verrückt zu vermissen. Party sucht man im Pantanal vergeblich. Da geht man abends um acht ins Bett und steht morgens um fünf auf. Das ist ein ganz anderer Rhythmus. Umgekehrt bekomme ich nach ein paar Monaten in Köln wieder Heimweh nach der Natur in Brasilien und den Menschen dort.

    Wann geht es wieder zurück?

    Möcklinghoff: Dieses Mal erst im Juni. Weil ich noch ein Buch schreibe, zum Thema Artenschutz. Auch ein eher unterhaltsames Buch mit Forschergeschichten.

    Mit den Franken haben Sie abgeschlossen?

    Möcklinghoff: Ich habe in Würzburg viele nette Menschen kennengelernt. Aber ich bleibe nun mal Rheinländerin.

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