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WÜRZBURG: Sinn & Religion: Verkleidete Kinder unterwegs

WÜRZBURG

Sinn & Religion: Verkleidete Kinder unterwegs

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    Am Aschermittwoch ist alles vorbei – so heißt es in einem bekannten Kölner Karnevals-Lied. Und auch bei uns in Franken beendet natürlich der Aschermittwoch die Faschingszeit. Für uns Juden ist es hingegen gar nicht vorbei! Im Gegenteil, die Vorbereitungen laufen gerade erst an. Seien Sie bitte nicht überrascht, wenn Sie Ende März verkleidete Kinder auf der Straße sehen. Es handelt sich nicht etwa um Kinder, die Fasching verschlafen haben oder einfach nicht akzeptieren wollen, dass der Fasching vorbei ist.

    Es sind vermutlich jüdische Kinder, die Purim feiern. Purim ist ein sehr fröhliches jüdisches Fest, bei dem die Kinder sich verkleiden. Purim wird nach dem jüdischen Kalender am 14. Adar gefeiert. Wir erinnern mit diesem Fest an eine ganz besondere Geschichte. Im Buch Esther wird berichtet, dass im Perserreich der Minister Haman den König bewog, den Befehl zu erlassen, alle Juden im persischen Reich zu vernichten. Der König pflegte zu Neujahr ein Los („Pur“) zu werfen, um etwas über die kommenden zwölf Monate in Erfahrung zu bringen. Das Los fiel auf den 13. Adar, so dass Haman beschloss, die Juden an diesem Tag auszurotten. Esther, der schönen Ehefrau des Königs, gelang es jedoch, den König umzustimmen: Sie offenbarte sich als Jüdin und bat um Bewahrung ihres Volkes.

    Der König bestrafte daraufhin Haman hart und erließ am 13. Adar einen Erlass zum Schutz der Juden.

    Das gute Ende der Geschichte feiern wir am Tag darauf, am 14. Adar. In der Synagoge wird aus dem Buch Esther vorgelesen – und immer wenn der Name Haman fällt, machen alle viel Lärm. Sehr beliebt sind auch Purim-Spiele, in denen die Geschichte als Theaterstück aufgeführt wird. Die Kinder rasseln dann kräftig mit Purim-Rasseln, wenn von Haman die Rede ist. Purim ist auch mit besonderen Speisen verbunden. Die Hamantaschen, dreieckiges gefülltes Gebäck, und Kreppchen oder Kreplech, gefüllte Teigtaschen, sollen die Ohren des Bösewichts Haman symbolisieren. Sie werden ebenso wie andere Süßigkeiten an Purim auch gerne an Freunde verschenkt.

    Zugleich erinnert uns Purim aber auch an den Überlebenskampf des jüdischen Volkes. Purim steht nicht nur für die Verfolgung, der Juden seit Jahrtausenden wegen ihres Glaubens ausgesetzt sind, sondern zugleich für die Kraft, die wir genau aus diesem Glauben zu schöpfen vermögen.

    In diesem Jahr fällt der 14. Adar ausgerechnet auf Gründonnerstag. Nun erscheint es vielen womöglich nicht ganz passend, wenn verkleidete Kinder fröhlich in der Karwoche in der Stadt unterwegs sind. Doch keine Sorge: Wir nehmen gerne Rücksicht auf christliche Feiertage – und es sind auch nicht viele Kinder.

    In katholischen Gegenden sind in der Karwoche ja auch Ministranten mit Ratschen unterwegs, um angesichts der schweigenden Kirchenglocken an den Kirchgang zu erinnern. Da könnte es in diesem Jahr sogar passieren, dass einem Katholiken durch ein jüdisches Kind mit Purim-Rassel der Messbesuch in den Sinn kommt – vielleicht eine neue Form des interreligiösen Dialogs?

    Autor Dr. Josef Schuster ist Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland.

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