Dieter Leistner ist einer der bekanntesten Architekturfotografen Europas. Er leitet den Fachbereich Fotografie an der Fachhochschule Würzburg-Schweinfurt.
FRAGE: Würzburg ist eine Postkartenstadt. Wie würde das Fotomotiv Ihrer Sommerpostkarte aussehen?
Dieter Leistner: Zuallererst würde ich nicht das zeigen, was man schon kennt. Ich würde versuchen, das Feeling der Stadt zu ergründen. Was ist die Charakteristik einer unterfränkischen Stadt?
Würzburg lebt ja maßgeblich vom Tourismus, trotzdem schottet es sich nach außen ab. Es gibt da eine Distanz zwischen Einheimischen und Fremden.
Das würde mein Motiv sein: Da steht eine japanische Touristengruppe auf der Alten Mainbrücke und ein Einheimischer mit Einkaufstasche würde ihnen merkwürdig hinterher schauen.
Was ist das Reizvolle am Beruf des Fotografen?
Leistner: Fotograf wird man nur, wenn man Bilder mag und auch selbst machen will. Und man braucht ein starke optische Vorstellungskraft. Wenn man das alles hat und dazu ein fotografischer Triebtäter ist, dann wird man Fotograf. Dann funktioniert es auch. Man fotografiert das, wofür man sich interessiert und wird auch noch bezahlt dafür. Dass das aber besonders einfach ist, muss man nicht glauben.
Ist Fotograf ein Traumberuf?
Leistner: Wenn man es so macht wie ich es gerade beschrieben habe, dann schon. Und als Hochschullehrer ist es für mich etwas Besonderes, dieses Wissen auch weiterzugeben.
Welche Tipps geben Sie Ihren Studenten, die Fotografie als Beruf wählen wollen?
Leistner: Man muss die Konsequenzen bedenken, wenn man Bilder zu seiner Existenzgrundlage machen möchte. Es reicht nicht, nur ein schönes Bild zu machen, es ist oft hart als freiberuflicher Fotograf zu arbeiten. Bei uns an der Fachhochschule bleiben von 70 Studienanfängern am Ende ein oder zwei übrig, die ein Diplom in Fotografie machen. Ein Fotograf darf keine Angst vor der Freiberuflichkeit haben, er muss sich den Markt selber machen. Das ist sehr anstrengend, zeitraubend und vielfältig.
Wie kamen Sie zur Fotografie?
Leistner: Ich habe schon als Kind gerne fotografiert. Während meiner Tischlerlehre habe ich freiberuflich für eine Tageszeitung Bilder gemacht. Nach meiner Lehre bin ich darauf zurückgekommen und habe gelernt, dass man davon leben kann. Um den Lebensunterhalt zu bestreiten, habe ich aber zuerst als Fotoingenieur angefangen.
Sie haben sich dann auf Architekturfotografie spezialisiert. Warum?
Leistner: Ich habe im Studium alle möglichen Dinge ausprobiert. Nur im Studio zu fotografieren hat mir nicht gefallen. Werbe- und Modefotografie hat mich nicht interessiert und für Fotojournalisten gab es kaum Bedarf. Als mich an der Uni ein bekannter Fotograf fragte, was ich als nächstes machen wolle, antwortete ich spontan: Schwimmbäder fotografieren. Der sagte darauf zu mir: Mach das, sonst mache ich es. Ich habe es gemacht und es wurde sehr erfolgreich und in großen Zeitschriften publiziert. Dann kamen die Aufträge herein und es ging los.
Als Architekturfotograf haben Sie einen geschulten Blick für Gebäude. Wie war ihr erster Eindruck von Würzburg?
Leistner: Das sah aus, als sei die Stadt wieder aufgebaut worden und dann ist nichts mehr passiert. Die neuere Architekturgeschichte fehlt hier weitgehend. Ich kam ja aus Mainz und im Vergleich dazu wirkte hier alles etwas altbacken, ein bisschen hintendran.
Stimmt es, dass es in Würzburg zu wenig gute moderne Architektur gibt?
Leistner: Ich finde schon. In Unterfranken ist man gegen jede Form der Veränderung. Für etwas, was woanders überhaupt kein Problem darstellt, gibt es hier gleich einen Bürgerentscheid. Es gibt aber schon gute Architekten hier, die schöne Sachen bauen. Leider werden aus guten Entwicklungen oft schlechte Ergebnisse, beispielsweise beim Forum auf dem Marktplatz. Der erste Entwurf dafür sah ja ganz anders aus als das, was entstanden ist.
Was zeichnet gute moderne Architektur aus?
Leistner: Sie muss eine hohe Lebensqualität gewährleisten, ästhetisch schön sein und auf das Wesentliche reduziert sein. Sie muss eine gute Funktion haben und eine gewisse Schlichtheit. So etwas kann sich gut mit einem alten Stadtbild vertragen. Hätte man beim Forum den Glasaufbau weggelassen, dann würde auch die Maßstäblichkeit stimmen.
Was könnte man in Würzburg tun, um den Menschen die Scheu vor moderner Architektur zu nehmen?
Leistner: (denkt sehr lange nach) Das ist sehr, sehr schwierig. Ich weiß es nicht. Vielleicht war die Abstimmung über den Neubau der Fachhochschule gar nicht schlecht. Möglicherweise schaut der ein oder andere, der daran teilgenommen hat, das fertige Ergebnis noch mal an und nimmt dabei etwas über moderne Architektur wahr.
Dieter Leistner
Dieter Leistner ist seit 1999 Professor für Fotografie an der Fachhochschule Würzburg-Schweinfurt. Der am 2. November 1952 in Niedersachsen geborene Fotograf absolvierte zuerst eine Tischlerlehre, bevor er auf dem zweiten Bildungsweg das Abitur machte. Dann studierte er in Köln, Essen und Wuppertal Kommunikationsdesign mit Schwerpunkt Fotografie. Nach freiberuflicher Tätigkeit und mehreren Lehraufträgen kam er nach Würzburg. Seine Bilder waren in vielen Ausstellungen zu sehen und wurden in zahlreichen Veröffentlichungen dokumentiert.