Gut 600 Gäste zählten die Sozialdemokraten aus Stadt und Land am Samstag bei ihrem Neujahrsempfang in der Gerbrunner Mehrzweckhalle. Ein Thema hatten alle: die Große Koalition. Einer Meinung waren sie nicht.
Als Natascha Kohnen, die Vorsitzende der SPD in Bayern und Hauptrednerin des Empfangs, über die just beendeten Sondierungsverhandlungen berichtete, erzählte sie von einem Signal, das die Genossen den Unionisten gegeben hätten: „An deren Umgang muss sich was ändern. Wenn das weitergehen soll, dann geht es nur auf Augenhöhe und mit Respekt“.
Da wussten sie und die Ihren noch nicht, dass Alexander Dobrinth, der Landesgruppensprecher der CSU, die SPD-interne Kritik an Sondierungsergebnissen einen „Zwergenaufstand“ genannt hat. Hätte Kohnen das gewusst, hätte sie womöglich nicht so ruhig, abwägend und für Koalitionsverhandlungen werbend gesprochen, wie sie es getan hat, und sicher wären mehr Buhs aus dem Publikum zu hören gewesen als die gelegentlichen, vereinzelten.
Keine Obergrenze mit der SPD
Die Bredouille, in der Sozialdemokraten stecken, drückte die Stimmung der Versammlung. Der Vorstand der Stadt-SPD ist gegen die GroKo, hörbar viele sind mit ihm. Als Kohnen die Sondierungsergebnisse in „Licht“ und „Schatten“ einteilte, fielen ihr Genossen nur gelegentlich mit kurzem Applaus ins Wort. Nur einmal war die Zustimmung laut und beinahe einhellig, als Kohnen sagte, mit der SPD werde es eine Obergrenze für Flüchtlinge nicht geben. Die wäre „nicht verfassungsgemäß“ und entspreche „nicht der Auffassung“ der Partei. Das Grundrecht auf Asyl und die Genfer Flüchtlingskonvention „darf niemand anfassen“.
Kohnen ist als 34-Jährige eingetreten in die SPD. So alt war Katharina Räth, ihre Kontrahentin auf dem Empfang, als die Würzburger SPD sie im November zu ihrer Vorsitzenden wählte. Sie scheint eine Wette auf die Zukunft zu sein.
Denn wo die politischen Schwergewichte – neben Kohnen die Landtagsabgeordneten Volkmar Halbleib und Georg Rosenthal – mit rhetorischer Kraft und Autorität sprachen, las Räth ihre Begrüßungsrede vom Blatt, sich verhaspelnd, im gleichförmigen Ton, unverbindlich.
Räth für Minderheitenregierung
Räth fragte ihre Genossen, ob sie sich wiederfänden in den Sondierungsergebnissen. Hier und da im Saal war ein „Nein“ zu hören. Ihre eigene Meinung dazu führte die Vorsitzende nicht aus. Sie fragte weiter, warum die Union keine Minderheitenregierung bilde, wenn sie keine Zugeständnisse machen wolle. Räth plädierte für eine Minderheitenregierung. Die würde die Rolle des Bundestages stärken, Entscheidungen erschienen transparenter. Das Nein zur Großen Koalition sei für die SPD die Chance „klarzumachen, was sozialdemokratische Politik bedeutet“.
Am Ende des Empfangs verabschiedete Rosenthal Kohnen. Die Ruhe im Saal während ihrer Rede, meinte er, zeige: „Ihre Politik ist angekommen.“ Rosenthal ist zuversichtlich, dass auf dem SPD-Parteitag am kommenden Sonntag eine Mehrheit für den Start in die Koalitionsverhandlungen stimmen werde.
Den größten Beifall aber sammelte Halbleib ein. Der hielt sich raus aus der Debatte, sprach über den Zusammenhalt und Gemeinsamkeiten in der Stadt und im Landkreis und zitierte Erich Kästner: „Es nützt nicht viel, sich rot zu schämen/es nützt nicht viel, und es schadet bloß/sich tausend Dinge vorzunehmen/Lasst das Programm! Und besser euch drauflos!“
Das Publikum schien sehr dankbar zu sein für ein paar Sätze, in denen das Wort „GroKo“ nicht vorkam.