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WÜRZBURG: Spektakel um Tiepolos Fresko

WÜRZBURG

Spektakel um Tiepolos Fresko

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    48 Studierende von Universitäten in Deutschland, Tschechien, Österreich und in der Türkei sind seit Anfang August in Würzburg und haben nichts vom schönen Wetter. Sie arbeiten mit zehn Dozenten an einer künstlerischen Interpretation von Tiepolos Deckenfresko in der Residenz. An diesem Freitag führen sie das Werk aus Musik, Tanz und Theater im Kaisersaal auf. Der Titel: „Kunst ohne Grenzen: Tiepolo und seine Welt“.

    Die vergangenen drei Wochen gemeinsamer Arbeit seien, sagt Judita Kucerova, Dozentin von der Uni im tschechischen Brno, „eine große Schule der Toleranz“ gewesen. Die Arbeit, interkulturell und interdisziplinär, schlaucht. In der ersten Woche entwickelten die knapp 60 Leute in mehreren Arbeitsgruppen von früh bis in die Nacht das Konzept. Das Projekt, finanziert von der Europäischen Kommission, ist demokratisch organisiert, jeder hat Stimmrecht. Das bedeutet endlose Diskussion, zahllose Kompromisse und viel Zurückstecken für jeden.

    „Lasst und schauen, wie wir durchkommen und sehen, was passiert.“

    Ein Mitwirkender beim Tiepolo-Projekt

    In der zweiten Woche begannen die Proben, das ständige Hinterfragen von Konzeptdetails, Überarbeitungen, neues Ausprobieren. Am vergangenen Montag, vor dem ersten Durchlauf, dem ersten Mal, dass das komplette, knapp zweistündige Werk am Stück gespielt wurde, sagte einer der Studenten zu den anderen: „Lasst uns schauen, wie wir durchkommen und sehen, was passiert!“ Es ist wie bei den Profis an den großen Tempeln der Kunst: Bis zuletzt wird gefeilt, umgeworfen, neu gedacht, neu konzipiert. Die Arbeitstage beginnen um 10 und enden um 22 Uhr. Dann wird weiterdiskutiert.

    Es geht, sagt Helmut Rocholl, der Initiator von der Uni Hildesheim, um das produktive gemeinsame Arbeiten junger Leute aus verschiedenen Ländern. Es geht um das Gewinnen neuer Erkenntnisse, sagt Judita Kucerova. Nur wenige Teilnehmer kannten Tiepolos berühmtes Fresko vor dem Projektbeginn. Alle mussten sich intensiv vorbereiten und die Geschichte und die Kunsthistorie des 18. Jahrhunderts pauken. Die Dozenten nahmen nur Studierende mit, von denen sie glaubten, sie seien inhaltlich und künstlerisch fit.

    Vor fünf Jahren veröffentlichten der Deutsch-Bulgare Ilija Trojanov und der Inder Ranjit Hoskoté das Buch „Kampfabsage“ mit dem programmatischen Untertitel „Kulturen bekämpfen sich nicht – sie fließen zusammen“. Das Projekt in der Jugendbildungsstätte auf dem Heuchelhof, wo die internationale Truppe in diesen Wochen lebt und arbeitet, bestätigt die Thesen der beiden Autoren. Die Leute von den türkischen Universitäten Canakkale und Ankara, vom Mozarteum in Salzburg und den Unis Brno und Hannover, verstärkt von drei Würzburger Musikern, verschmelzen ihre Kulturen zu etwas Neuem, Eigenständigen: zu einer Horizonterweiterung.

    Als der Italiener Tiepolo in den Jahren 1752/53 das gewaltige, überaus lebendige Fresko mit den Kontinenten Amerika, Afrika, Asien und Europa schuf, hielten die Europäer - nicht anders als das viele noch heute tun – Europa für den geistigen und kulturellen Mittelpunkt der Welt. Seinen Auftraggeber Carl Philipp von Greiffenclau, den 70. Bischof von Würzburg, stellte Tiepolo als einen beinahe schon überirdischen Fürsten dar, der, tugendhaft und ruhmreich, dem Himmel der Götter zustrebt.

    Rocholls Künstlerinternationale bricht mit der absolutistischen Erhabenheit der Residenz, Europa verliert seinen ersten Platz unter den Kontinenten. Musizierend, mit einem Orchester in klassischer Besetzung und mit einer fabelhaften Jazzband, tanzend und sprechend erhebt das deutsch-österreichisch-tschechisch-türkische Kollektiv die Bewohner der anderen Kontinente zu Gleichberechtigten. Es thematisiert die Kehrseite barocker Pracht – Kolonisierung, Sklaverei, Ausbeuterei, setzt sich mit Philosophien, Mythen und Religionen auseinander, präsentiert verblüffende Ideen und bedient sich dessen, was Musik und Tanz weltweit hergeben, und zwar, den Proben nach zu urteilen, kurzweilig, spannend und unterhaltsam. Im Pressetext steht, das Publikum werde „Zeuge eines ästhetischen Konglomerats interkultureller Experimentierfreude“.

    „Kunst ohne Grenzen: Tiepolo und seine Welt“ ist ein Erasmus-Intensivprogramm der Europäischen Union, mit dem sie insbesondere Auslandsaufenthalte von Studierenden und Dozenten fördert. Erasmus selbst ist Teil des Aktionsprogramms „Sokrates“ zur Förderung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit in der Bildung.

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